Aviatiker über Anschnallpflicht bei Ju-Air
«Der Pilot merkt jede Gewichtsverschiebung»

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hat heute eine neue mögliche Absturztheorie verkündet. Aviatik-Experte Hansjörg Egger kann diese nachvollziehen.
Publiziert: 16.08.2018 um 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:34 Uhr
Ermittlungen an der Absturzstelle.
Foto: FABRICE COFFRINI
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Nicole Bruhin

Obwohl die Untersuchungen zum Ju-Absturz derzeit auf Hochtouren laufen, erstaunte der Bund heute mit einer neuen Möglichkeit, warum die Oldtimer-Maschine abgestürzt sein könnte.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt hat heute Auflagen für weitere Ju-Flüge verkündet. Darunter hat das Amt die Anschnallpflicht verfügt und zwar wegen der neuen Absturztheorie: «Wir wissen nicht, was passiert ist zum Zeitpunkt des Absturzes. Es könnte sein, dass Passagiere herumgelaufen sind und dadurch den Schwerpunkt des Flugzeugs verändert haben. Möglich ist auch, dass die Piloten im Cockpit gestört wurden», sagt Bazl-Sprecher Urs Holderegger heute zu BLICK.

Aviatik-Experte Hansjöjrg Egger.

Besuch im Cockpit könnte schuld sein

«Das ist eine völlig nachvollziehbare Vorstellung», sagt Aviatik-Experte Hansjörg Egger. Bei Panorama-Flügen sei es generell ein Problem, dass die Passagiere gerne auch die Aussicht auf der anderen Seite geniessen wollen. Deshalb würden sie meist von einem zum anderen Fenster pilgern. «Diese Gewichtsverschiebungen merkt man als Pilot sofort», so Egger.

Wenn eine Maschine dann schon am fliegerischen Limit sei, könne eine solche Gewichtsverschiebung einen Piloten klar in Bedrängnis bringen. «Ich kann mir vorstellen, dass diese Situation aufgetreten ist, als es darum ging, das Martinsloch zu sehen», sagt Egger weiter. Somit könnten sich abrupt alle Passagiere auf dieselbe Seite des Fliegers gewandt haben. Aber auch der berühmte Besuch der Passagiere im Ju-Cockpit könne den Flieger so ausser Kontrolle gebracht haben.

Für den Experten ist deshalb klar: «Passagiere gehören in einem Flugzeug angeschnallt.»

Ju-Sprecher hält nichts von der Theorie

BLICK konfrontierte Ju-Air-Sprecher Christan Gartmann mit den Aussagen des Bazl-Sprechers: «Reine Spekulation», ist Gartmanns erste Reaktion. Das Flugzeug habe grosse Fenster, eigentlich müsse man nicht aufstehen, um zum Flugzeug rausschauen zu können. «Wenn jemand bei einem Flug am Matterhorn vorbei aufstehen wollte, um kurz ein Bild zu machen, war das bisher kein Problem», sagt Gartmann.

Mit der neuen Regelung aber gilt für die Passagiere absolute Anschnallpflicht. «Besuche im Cockpit sind somit vorläufig nicht mehr erlaubt», so Gartmann. Der Besuch der Piloten war für viele Passagiere eines der Highlight auf einem Ju-52-Flug.

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