Grotto, Schifffahrt, Altstadtbummel
Die letzten Stunden vor dem Absturz

Das Wochenende mit der «Tante Ju» beginnt paradiesisch in der Sonnenstube – und endet mit einer Tragödie am Piz Segnas GR.
Publiziert: 05.08.2018 um 21:47 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2019 um 13:40 Uhr
Myrte Müller

Auf der steinernen Terrasse des Grotto Fossati in Meride TI herrschte gestern Hochbetrieb. Nur zwei Tische in der Mitte sind unbesetzt – wie von Engelshand frei gehalten. Genau an diesen Tischen sassen zwei Tage zuvor elf Männer und neun Frauen, die das Wetter und die feinen Speisen genossen.

Der Absturz des Oldtimer-Flugzeuges Ju-52 über Flims GR ist das Thema bei den meisten Gästen. Doch dass die Opfer in diesem Grotto ihren so tragisch geendeten Ausflug ins Tessin eingeläutet hatten, wissen nur wenige. «Sie kamen um 12.15 Uhr mit einem mittelgrossen grauen Bus», sagt Stammgast Danilo Zanini (68). Auch sein Freund Mario Schuster (64) erinnert sich: «Die meisten sprachen Schweizerdeutsch und waren im Alter von 50 aufwärts. Sie sassen dort und hatten viel Spass. Nicht zu fassen, dass sie nun alle nicht mehr leben!»

Letzter Stopp vor dem Rückflug: das Crotto del Lago in Cima (I) am Luganersee.
Foto: Yvonne Leonardi
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Die Wirtin: «Wir hörten vom Absturz. Wir sind erschüttert»

Fiorella Lupi (64) bedient mit Routine. Doch ihr übliches strahlendes Lächeln bekommt die Wirtin nicht hin. «Wir sind erschüttert. Ich weiss noch genau, was sie bestellten. Salametti, Pilzrisotto mit Ossobuco. Sie wollten landestypisch essen.» Sie hält inne, die Stimme stockt: «Jetzt hörten wir vom Absturz. Man kann diese Tragödie einfach nicht glauben.»

Der Ausflug in die Sonnenstube beginnt am Freitag. Um 8.30 Uhr ist Check-in im Air Force Center Dübendorf ZH. Die Oldtimer-Maschine Ju-52, liebevoll «Tante Ju» genannt, ist herausgeputzt. 17 Gäste, meist Paare aus den Kantonen Zürich, Thurgau, Luzern, Schwyz, Zug und Waadt sowie eine Familie mit Sohn aus Niederösterreich gehen an Bord. Jeder Passagier geniesst seinen Fensterplatz. Der Blick auf die Alpen ist atemberaubend. Gegen 11 Uhr landet die «Tante Ju» auf dem Flugplatz von Locarno-Magadino TI. Mit dabei ist Sarah S.* (†66) – sie ist Stewardess und Reisebegleiterin aus Leidenschaft. 

Zwei Tage Sonnenstube mit allem Drum und Dran. Für 1130 Franken pro Person. Es soll ein unvergessliches Erlebnis werden. 

Der Koch: «Sie assen Pasta und Kalbsschnitzel»

Nach dem Mittagessen im Grotto Fossati checkt die Gruppe in einem Nobelhotel in Lugano TI ein. Abends ein Altstadtbummel. Am Samstagmorgen bringt ein Schiff die Gruppe über den Luganersee auf die italienische Seite. In Porlezza (I) ist Markt: Souvenirs werden gekauft, die Stimmung ist gelöst. 

Mittags gehts ins Crotto del Lago. «Seit zehn Jahren bringt uns Sarah die Fluggäste der Ju-52», sagt Wirt Giancarlo Achini (61). Er sagt leise: «Sie war eine so nette, hübsche Frau.» Küchenchef Filippo Nicodemo (40) erinnert sich an das Menü: «Sie assen Penne mit Tomaten und Speck, Kalbsschnitzel mit Pilzen und einen Blätterteigkuchen. Es hatte ihnen so gut geschmeckt.»

Ein letzter Espresso. Ein letzter Blick auf den Luganersee. In Locarno steigt die Gruppe wieder in das Flugzeug. Es soll nach Hause gehen. Doch man fliegt in den Tod. 

*Name der Redaktion bekannt

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