Das meint SonntagsBlick
No Billag ist erst der Anfang

Publiziert: 05.11.2017 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:35 Uhr
Gieri Cavelty
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer

Ist die Fernseh- und Radiogebühr ein Auslaufmodell? Gehört die SRG ins Museum?

Ich hole etwas aus: Was man heute bereits im Berner Museum für Kommunikation bestaunen kann, ist «Tennis for Two», das welterste Computerspiel aus dem Jahr 1958. Zur selben Zeit veröffentlichte die Amerikanerin Ayn Rand ihren Roman «Atlas wirft die Welt ab», eine Hymne auf die Tatkraft eigennütziger Wirtschaftskapitäne. Das Buch gilt als Bibel des Neoliberalismus – jener Ideologie, die den Staat als Feind der Freiheit betrachtet und ihn darum zu zerstören sucht.

Sechzig Jahre später hat beides Weltkarriere gemacht. Aus den Anfängen eines schlichten Computerspiels ist das digitale Zeitalter erwachsen. Und der Neoliberalismus ist die passende Ideologie dazu.

Statt «Tennis for Two» zu spielen, messen wir uns heute auf jedem erdenklichen Gebiet. Die Digitalisierung macht die ganze Welt zu einem Display für Rankings und Ratings, Klicks und Likes. Jeder hat eine Chance auf Erfolg. Bleibt der Erfolg aber aus, muss sich dies jeder selber zuschreiben und darum auch die Konsequenzen tragen. Das führt zu universalem Konkurrenzdenken – und dazu, dass Sozial- wie Rechtsstaat zunehmend in Frage gestellt werden. Der Staat und seine Einrichtungen gelten nur mehr als Hürden bei der Selbstverwirklichung.

Dies ist das Denken des Neolibera­lismus. Dies ist das Denken hinter No Billag, jener Volksinitiative, welche die SRG ins Museum für Kommunikation verbannen will.

No Billag ist die erste neoliberale Volksinitiative der Geschichte.

Die Initianten stammen aus Kreisen des Jungfreisinns und der Jungen SVP. Sie erklären, sie konsumierten keine SRG-Produkte – weshalb sollten sie dafür bezahlen? Mit dieser Argumentation kann alles dem freien Markt überantwortet werden: Warum nicht die öffentlichen Spitäler privatisieren? Die Gesundheit ist Sache jedes Einzelnen. Und mit der richtigen Fitness-App kann schliesslich jeder auf sich achtgeben.

Warum nicht die Schulen privatisieren? Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, ob er Kinder hat.

Warum nicht die SBB privatisieren? Investoren für die wirklich wichtigen Bahnstrecken fänden sich im Eilzugs­tempo.

Warum nicht den Sozialstaat abschaffen?

Das klingt jetzt vielleicht überzeichnet. Es gibt aber leider keinen Grund zur Annahme, dass das neoliberale Denken über kurz oder lang nicht auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens übergreift. Zumindest dann, wenn man ihm nicht rechtzeitig den Riegel schiebt und «no way» sagt zu No Billag.

Selbstverständlich bieten die Programme der verschiedenen SRG-Kanäle nicht immer nur Höhepunkte. Letztlich aber legt die SRG doch jenen breiten Teppich an Informationen und Debatten, den es in unserer direkten Demokratie braucht. Das ersetzt den SonntagsBlick nicht, es ergänzt ihn.

Die Frage ist: Wie lassen sich jene Informationen und Debatten auch den Generationen Netflix und Snapchat vermitteln? Also jenen Schweizerinnen und Schweizern, die für die radikalen Argumente von No Billag besonders empfänglich sein dürften.

Diese Herausforderung muss die SRG angehen. Ja, gerade weil Jüngere und ganz Junge die Medien anders nutzen als ihre Eltern, ist die SRG nötiger denn je. Als innovativer Vermittler – nicht als Museumsstück.

Im Übrigen ist das Uralt-Game «Tennis for Two» drollig und interessant genug, dass sich ein Besuch des Berner Museums für Kommunikation allein schon deswegen lohnt.

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