BLICKPunkt von Christian Dorer über die No-Billag-Initiative
Das Undenkbare

Wir sollten die SRG nicht aus einer Laune heraus zerstören. Es wäre ein grosser Verlust für das ganze Land.
Publiziert: 03.11.2017 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:38 Uhr
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Christian Dorer

Der Kampf um die Zukunft der SRG tobt bereits, als würde die Entscheidung nächste Woche fallen. Dabei stimmen wir erst in genau vier Monaten über die No-Billag-Initiative ab, nämlich am 4. März 2018.

Ja, es geht um die Zukunft der SRG. Nicht nur symbolisch, sondern wirklich: No Billag fordert die vollständige Abschaffung der Gebührengelder, von denen unser nationales Radio und Fernsehen zu 75 Prozent lebt.

In normalen Zeiten wäre dieses Unterfangen chancenlos. Denn drei gute Argumente sprechen dagegen: 

  1. Die SRG produziert viele relevante, für die Schweiz wichtige, handwerklich hervorragend gemachte Sendungen. Und für jeden Geschmack ist etwas dabei. Wenn alle zufriedenen Zuschauer und Zuhörer am 4. März Nein sagen, wäre die Initiative spektakulär gescheitert.
     
  2. Einige besonders wertvolle, aber auch unterhaltsame Sendungen lassen sich nicht allein über Werbung finanzieren. Ohne Gebührengelder gäbe es keine «Tagesschau», kein «Echo der Zeit», keinen «Bestatter». Ganz ähnlich wie bei den SBB: Ohne Geld von allen Bürgern könnten sie nicht mehr fahren – obwohl immer mehr Menschen den Zug nehmen.
     
  3. Mit Radio- und TV-Angeboten auf Französisch, Italienisch und Rätoromanisch wäre es ohne Billag-Gelder sofort vorbei. Programme in allen Landessprachen aber sind lebenswichtig für Austausch und Zusammenhalt in unserem viersprachigen, kulturell wie politisch faszinierenden Land. Es käme ja auch keinem Schweizer in den Sinn, nur noch deutschsprachige Schulen zu finanzieren.

Zwar gibt es auch berechtigte Kritik an der SRG. Bei diesem Unternehmen ist tatsächlich einiges aus dem Ruder gelaufen. Es braucht nicht sieben TV- und 17 Radiosender. Es braucht auch keine 1039 Vollzeitangestellten allein für das italienischsprachige Programm. Und niemand zwingt die SRG, im Internet dasselbe anzubieten wie private Medienhäuser.

Aber es wäre weit übers Ziel hinausgeschossen, diese wichtige Institution nach 87 Jahren zu zerstören – wegen eines gewissen Reformbedarfs, wegen Unzufriedenheit über manche ihrer Sendungen oder einfach aus einer Laune heraus.

In normalen Zeiten wäre die Antwort auf No Billag ein klares Nein. Nur: Wir leben nicht in normalen Zeiten. Heute geschieht überall das Undenkbare. Trump ist US-Präsident, Grossbritannien will nicht mehr zu Europa gehören, in Österreich wird ein 31-Jähriger Kanzler, ein 39-Jähriger regiert Frankreich, die Grande Nation.

In solchen Zeiten führen Volksabstimmungen häufig zu Überreaktionen oder rein symbolischen Ergebnissen – besonders wenn die Stimmbürger über etwas zu befinden haben, das zuvor von der Politik unterschätzt wurde. So war es beim Thema Verwahrung, so war es bei Managerlöhnen und Zuwanderung. So war es auch 2015, als es um das neue Radio- und Fernsehgesetz ging. Das RTVG war so gut wie unumstritten – und doch sagten nur 50,08 Prozent Ja.

Es war eine Warnung für die SRG. Und ein überdeutliches Zeichen für alle Stimmbürger: Wir können No Billag gar nicht ernst genug nehmen!

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