Foto: Kantonspolizei Thurgau

Asyl-Irrsinn um kriminellen Marokkaner
Warum läuft Moestafa K. noch frei herum?

Moestafa K.* hat allein zwischen 2018 und 2019 mehrere Delikte begangen – und das, obwohl er seit 2016 die Schweiz hätte verlassen müssen. Warum ist er auf dem Rechtsweg nicht zu fassen?
Publiziert: 17.09.2019 um 01:10 Uhr
|
Aktualisiert: 18.09.2019 um 16:26 Uhr
Flavio Razzino

Moestafa K.* (27) zeigt der Schweiz die Grenzen auf. Seit 2016 müsste der marokkanische Asylsuchende das Land verlassen haben. Denn man gewährte ihm kein Asyl. Trotzdem blieb K. hier – und mutierte zu einem wahren Problemfall.

Mehrere Diebstähle gehen auf sein Konto, zudem Tätlichkeiten gegen Beamte und im Dezember 2018 ein missglückter Raubüberfall auf das Ladenbesitzer-Paar Rudolf Naef (69) und Brigitte Peyer (61) in Frauenfeld. Die beiden Opfer werden dabei gar verletzt.

Trotzdem konnte K. im Mai dieses Jahres wieder untertauchen, eine Anzeige wegen einfacher Körperverletzung lässt die Staatsanwaltschaft Schaffhausen fallen. Verkehrte Welt: Stattdessen schiebt sie den Opfern eine Mitschuld in die Schuhe.

Moestafa K. entriss an diesem Abend Brigitte Peyer die Handtasche. Lebenspartner Rudolf Naef konnte ihn festhalten, verletzte sich dabei aber.
Foto: Flavio Razzino
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Staatsanwaltschaft will nichts falsch bewertet haben

Die Staatsanwaltschaft konkret: Dass Rudolf Naef beim Versuch, Räuber Moestafa K. festzuhalten, von ihm verletzt wurde, hätte der 69-Jährige wissen können. Darum sei es keine einfache Körperverletzung. Und: Dass beide nach dem nächtlichen Überfallversuch eine Anpassungsstörung entwickelt hatten, könne ebenfalls nicht die Absicht des Täters gewesen sein. Möglich, dass eine psychische Vorbelastung bestanden hätte. Böse Worte, für die Opfer ein weiterer Schlag.

Gegenüber BLICK verteidigt Peter Sticher, Erster Staatsanwalt in Schaffhausen, die Begründung der Einstellungsverfügung. «Die Staatsanwältin hat sehr einlässlich und rechtlich sehr fundiert den Sachverhalt geprüft und rechtlich gewürdigt», sagt er zu BLICK. Und was die Rippenverletzung betreffe, «führte die Staatsanwältin im Wesentlichen aus, dass es dem Beschuldigten nicht rechtsgenüglich bewiesen werden könne, dass er eine solche Verletzung vorsätzlich oder fahrlässig verursacht habe».

Zudem habe die Staatsanwältin nicht gesagt, dass das Paar eine psychische Vorbelastung gehabt habe, «sondern sie hat lediglich ausgeführt, dass eine anhaltende Störung nach der allgemeinen Erfahrung bei einem solchen Ereignis nur zu erklären sei, wenn weitere Mitursachen – wie zum Beispiel ein vorbestehendes psychisches Ungleichgewicht – hinzutreten würden», so Sticher. Er sieht darum keinen Anlass, das Urteil zu kritisieren.

Ein Urteil, aber keine Haft

Immerhin wurde K. für den versuchten Entreissdiebstahl verurteilt. Die aufgebrummte Strafe (160 Tagessätze zu 30 Franken) konnte er erwartungsgemäss nicht bezahlen. Auch eine sogenannte «Administrativhaft» wurde für ihn nicht angeordnet.

Kein Wunder, denn am Beispiel Moestafa K. zeigt sich beispielhaft, wie schwierig solche Zwangsmassnahmen gegen abgewiesene Asylsucher durchzusetzen sind. Insbesondere dann, wenn sie aus Ländern stammen, die bei der Rückführung nicht mit der Schweiz kooperieren. Etwa Marokko – wie im aktuellen Fall. 

Denn in der Schweiz kann K. nicht einfach so für unbestimmte Zeit inhaftiert werden – trotz zahlreicher Delikte. Der Grund hierfür liegt in der Europäischen Menschenrechtskonvention, die auch die Schweiz ratifiziert hat.

Keine echte Kooperation mit Marokko

Als Instrument einer solchen Inhaftierung böte sich nur die genannte Administrativhaft an. Dies, nachdem die normale Strafe abgesessen oder bezahlt ist. Die Administrativhaft ist für abgewiesene Asylsuchende, die das Land verlassen müssen und deren Ausreise in Sichtweite ist. Sie soll das Untertauchen solcher Personen verhindern.

Voraussetzung für die Administrativhaft ist allerdings auch, dass die Wegweisung tatsächlich durchgeführt werden kann. «Steht die Unmöglichkeit der Wegweisung fest, ist der Zweck der Haft nicht erfüllt und darf nicht angeordnet werden», so das Staatssekretariat für Migration (SEM).

Hier liegt das Problem. Marokko kooperiert nicht mit der Schweiz bei der Rücknahme von abgewiesenen Asylsuchenden, die wie Moestafa K. keine Reisepapiere haben. Er muss in Rabat erst noch identifiziert werden. Das geht laut SEM aber unverhältnismässig lange. Eine Administrativhaft wäre bei ihm darum unzulässig, weil sie ewig dauern würde.

Und: Eine «Beugehaft», um eine Ausreise trotzdem zu erzwingen, kennt die Schweiz nicht.

* Name geändert

Kommentar – Einfache Rezepte helfen nicht

Das Gesetz ist für alle gleich. Es muss auch für abgewiesene Asylbewerber wie Moestafa K. gelten. Er hat mehrfach gestohlen. Mit den Ladenbesitzern Rudolf Naef und Brigitte Peyer hat er auch noch zwei Menschen verletzt und in Angst und Schrecken versetzt. Das muss Konsequenzen haben! Stattdessen liess man ihn untertauchen. Die Justiz stellt gar die Opfer als Täter hin. Unglaublich!

Der empörende Fall steht beispielhaft für das Versagen des Systems, wenn es um abgewiesene Asylbewerber geht, deren Heimatländer sich querstellen. 

Was tun? «Ausländer raus!» schreien und rechts wählen? Derbe Parolen bedienen höchstens niedrige Gefühle, einfache Rezepte bewirken nichts. 

Es klingt mühsam und langweilig – der Schweiz bleibt wenig anderes übrig, als auf Politik und Diplomatie zu setzen. Marokko verweigert in stossender Weise die Kooperation. Aber allein haben wir offensichtlich zu wenig in der Hand, um den nordafrikanischen Staat in die Pflicht zu nehmen.

Die Schweiz braucht ein grösseres Gewicht in den Verhandlungen. Deshalb arbeiten wir mit den EU-Schengen-Staaten zusammen, die ebenfalls an einer Lösung interessiert sind. Zusammen ist man stärker, kann härtere Bedingungen stellen. Bei so einer Zusammenarbeit braucht die Schweiz wiederum eine vernünftige Beziehung zur EU.

Diplomatie ist das eine. Zum andern könnten wir über Korrekturen an unserem Asylsystem nachdenken. Zum Beispiel darüber, ob es wirklich gut ist, abgewiesenen Asylsuchenden das Arbeiten zu verbieten und ihnen gerade mal 21 Franken Nothilfe pro Woche auszuzahlen.

Wäre es nicht besser, solche Menschen zur Arbeit zu verpflichten – und sie im Gegenzug zu verpflegen? Selbst «Sicherheitspolitiker» könnten hier argumentieren, dass eine Tagesstruktur und die Versorgung mit Lebensnotwendigem dazu beitragen könnten, den Anreiz zur Kriminalität zu senken. Der illegale Aufenthalt würde für die Betroffenen unbequem bleiben, aber er wäre besser kontrolliert und mit weniger Risiken für die Bevölkerung verbunden.

Flavio Razzino

Das Gesetz ist für alle gleich. Es muss auch für abgewiesene Asylbewerber wie Moestafa K. gelten. Er hat mehrfach gestohlen. Mit den Ladenbesitzern Rudolf Naef und Brigitte Peyer hat er auch noch zwei Menschen verletzt und in Angst und Schrecken versetzt. Das muss Konsequenzen haben! Stattdessen liess man ihn untertauchen. Die Justiz stellt gar die Opfer als Täter hin. Unglaublich!

Der empörende Fall steht beispielhaft für das Versagen des Systems, wenn es um abgewiesene Asylbewerber geht, deren Heimatländer sich querstellen. 

Was tun? «Ausländer raus!» schreien und rechts wählen? Derbe Parolen bedienen höchstens niedrige Gefühle, einfache Rezepte bewirken nichts. 

Es klingt mühsam und langweilig – der Schweiz bleibt wenig anderes übrig, als auf Politik und Diplomatie zu setzen. Marokko verweigert in stossender Weise die Kooperation. Aber allein haben wir offensichtlich zu wenig in der Hand, um den nordafrikanischen Staat in die Pflicht zu nehmen.

Die Schweiz braucht ein grösseres Gewicht in den Verhandlungen. Deshalb arbeiten wir mit den EU-Schengen-Staaten zusammen, die ebenfalls an einer Lösung interessiert sind. Zusammen ist man stärker, kann härtere Bedingungen stellen. Bei so einer Zusammenarbeit braucht die Schweiz wiederum eine vernünftige Beziehung zur EU.

Diplomatie ist das eine. Zum andern könnten wir über Korrekturen an unserem Asylsystem nachdenken. Zum Beispiel darüber, ob es wirklich gut ist, abgewiesenen Asylsuchenden das Arbeiten zu verbieten und ihnen gerade mal 21 Franken Nothilfe pro Woche auszuzahlen.

Wäre es nicht besser, solche Menschen zur Arbeit zu verpflichten – und sie im Gegenzug zu verpflegen? Selbst «Sicherheitspolitiker» könnten hier argumentieren, dass eine Tagesstruktur und die Versorgung mit Lebensnotwendigem dazu beitragen könnten, den Anreiz zur Kriminalität zu senken. Der illegale Aufenthalt würde für die Betroffenen unbequem bleiben, aber er wäre besser kontrolliert und mit weniger Risiken für die Bevölkerung verbunden.

Flavio Razzino

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