Illegaler und vorbestrafter Asylbewerber Moestafa K. überfällt Schweizer Lädelibesitzer
Behörden geben den Opfern die Schuld!

Das Ladenbesitzerpaar Rudolf Naef und Brigitte Peyer wurde von einem mehrfach vorbestraften Asylsuchenden überfallen. Die Staatsanwaltschaft sieht den Täter aber als Opfer. Er hätte sogar das Recht auf Entschädigung. Für das Paar unbegreiflich.
Publiziert: 15.09.2019 um 22:58 Uhr
|
Aktualisiert: 17.09.2019 um 08:38 Uhr
Flavio Razzino

19. Dezember 2018. Die Nacht ist über Frauenfeld eingebrochen. Ein guter Verkaufstag in der Weihnachtszeit geht im Delikatessenladen von Brigitte Peyer (61) und ihrem Lebenspartner Rudolf Naef (69) zu Ende. Der Tagesumsatz von 3500 Franken ist in Peyers Handtasche verstaut. Zeit, sich auf den Heimweg zu machen.

Wie immer nimmt das Unternehmerpärchen den Hinterausgang, um zu seinem Auto zu gelangen. Alles wie üblich – bis der abgewiesene Asylbewerber Moestafa K.* (27) den Weg der beiden kreuzt. Und mit einem Überraschungsangriff Brigitte Peyer die Handtasche mit dem Geld entreisst.

Er kommt nicht weit. Rudolf Naef versperrt ihm den Fluchtweg und nimmt ihn in den Schwitzkasten. Beide gehen zu Boden. K. strampelt wie wild, versetzt Naef Schläge und Tritte in die Rippen. Doch er kommt nicht mehr los, bis die alarmierte Polizei eintrifft. 

Brigitte Peyer und ihr Lebenspartner Rudolf Naef werden im Dezember von einem Marokkaner überfallen.
Foto: Flavio Razzino
1/7

In der U-Haft wütet K. weiter. Randaliert, setzt seine Zelle unter Wasser. Trotzdem ist er nach nur zwei Tagen wieder auf freiem Fuss.

Behörden sind machtlos

Der Fall Moestafa K. zeigt exemplarisch: Die Schweiz hat ein massives Problem im Umgang mit kriminellen, abgewiesenen Asylbewerbern. Vor allem, wenn sie aus Ländern stammen, die bei Rücknahmen nicht kooperieren. Verlassen solche Asylbewerber die Schweiz nicht freiwillig, sind die Behörden machtlos. Das System Schweiz kommt an seine Grenzen.

Der Marokkaner müsste seit etwa 2016 die Schweiz verlassen haben. K., der hier um Asyl gebeten und vorübergehend in Buch SH gewohnt hatte, bekam damals vom Bundesamt für Migration einen Wegweisungsentscheid.

Doch K. wollte nicht zurück in sein Land. Und da ihm gültige Reisedokumente fehlen und ihn Marokko nicht identifiziert hat, kann ihn die Schweiz nicht zwingen, das Land zu verlassen.

Moestafa K. – ein Problemfall

Um abgewiesenen Asylbewerben wie Moestafa K. das Leben so unangenehm wie möglich zu gestalten, wird ihnen die Sozialhilfe gestrichen. K. bekommt somit nur noch Nothilfe: 21 Franken pro Woche.

Zudem wird ihm das Arbeiten verboten. Die Motivation dahinter ist klar: «Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist nicht erwünscht, um den betroffenen Menschen keine Aufenthaltsperspektive zu vermitteln», schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM).

Nur: Moestafa K. entwickelt sich zum Problemfall. Wird alkoholkrank. Gerät immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.

So am 12. August 2018. Da wird er wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte aktenkundig. Er widersetzt sich spätnachts gewaltsam einem Atemlufttest der Schaffhauser Polizei. Verletzt dabei zwei Polizisten.

Stunden zuvor war er ins Restaurant Güterhof in Schaffhausen geschlichen und hatte in einem leeren Hochzeitssaal ein Portemonnaie aus einer Handtasche gestohlen.

Auch am 31. Oktober schlägt er zu. Auf dem Rathausplatz in Stein am Rhein SH stiehlt K. einer Frau das Portemonnaie aus ihrer Tasche.

Und zuletzt am 19. Dezember, als er Brigitte Peyer und Rudolf Naef überfällt. K. wird wegen dieses Diebstahls verurteilt. Dabei stellten die Strafverfolgungsbehörden erneut fest, dass K. seit 2016 eigentlich die Schweiz hätte verlassen haben müssen.

Überfall hat finanzielle Folgen

K. wird wegen des Raubversuchs zwar eine hohe Geldstrafe aufgebrummt, die kann er aber sowieso nicht bezahlen. Auch eine Ersatzfreiheitsstrafe hat bei seinen Lebensumständen keine abschreckende Wirkung.

Während man abgewiesenen Asylbewerbern in der Schweiz auf dem Rechtsweg also kaum beikommen kann, spüren deren Opfer die Folgen umso härter. 

Den misslungenen Raubüberfall bezahlt das Paar Peyer und Naef teuer. Bis zum 17. Januar 2019 waren sie arbeitsunfähig. Eine bereits organisierte Aktionswoche in ihrem Geschäft mussten sie deswegen absagen – eine Krankentaggeldversicherung haben sie nicht abgeschlossen.

Stellt sich die Frage, wer für den Schaden aufkommt. Als Verursacher würde Moestafa K. zur Kasse gebeten. Ist er mittellos, springt der Staat ein.

Beide haben beim Überfall im Dunkeln nämlich einen Schock erlitten und dabei für einige Wochen eine typische Anpassungsstörung entwickelt. «Ich hatte immer wieder Angstzustände und Panik», beschreibt Peyer die Symptome.

Zudem hat Moestafa K. Naef beim Überfall die Rippen gebrochen. Gegen den Marokkaner wird darum Anzeige wegen versuchten Raubüberfalls sowie Körperverletzung erstattet.

Opfer werden zu Tätern gemacht

Doch die Staatsanwaltschaft Schaffhausen erlässt beim Vorwurf der Körperverletzung eine Einstellungsverfügung. Die Vorwürfe gegen den Asylsuchenden werden fallen gelassen.

Die Begründung lässt Peyer und Naef leer schlucken. So habe der Marokkaner nicht damit rechnen können, dass das Paar nach dessen Entreissdiebstahl psychische Leiden davontragen könnte. Vielmehr geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Peyer und Naef wohl schon vorher ein «psychisches Ungleichgewicht» gehabt haben müssen.

Und bezüglich Rippenfraktur schreibt die Staatsanwaltschaft: «Es war Rudolf Naef selbst, welcher die körperliche Konfrontation mit dem Beschuldigten suchte, die dazu führte, dass die beiden zu Boden gingen. (...) Die Rippenfraktur sowie die Schürfungen am rechten Handgelenk können daher nicht dem Beschuldigten zugerechnet werden.» Die Opfer werden zu Tätern gemacht.

Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, spricht die Staatsanwaltschaft dem Marokkaner gar noch das Recht auf eine Entschädigung zu, weil er durch die Anzeige gegen ihn Umtriebe gehabt haben könnte. Deren Höhe konnte jedoch nicht ermittelt werden, weil diese «Parteimitteilung der beschuldigten Person nicht zugestellt werden konnte, da diese untergetaucht ist».

Heute weiss niemand, wo Moestafa K. ist. Dort, wo er sein müsste, ist er wohl kaum: in Marokko.

* Name geändert

Darum kann Moestafa K. nicht ausgeschafft werden

Es ist keine einfache Beziehung zwischen der Schweiz und Marokko, wenn es um Migrationsfragen geht. Marokko gehört nicht zu jenen 64 Ländern, mit denen die Schweiz Rücknahmeabkommen abgeschlossen hat.

Wenn Marokkaner, die keine gültigen Reisedokumente besitzen, die Schweiz verlassen müssen, gibt es dementsprechend regelmässig Probleme mit dem nordafrikanischen Staat. So auch bei Moestafa K.* (27).

«Ohne Identifikation der rückzuführenden Person durch deren mutmassliches Herkunftsland ist keine Rückführung möglich», sagt Rolf Kormann, Sprecher des Staatssekretariats für Migration, zu BLICK. Für mutmassliche marokkanische Staatsbürger wie K. erfolge die Identifikation via Fingerabdruckvergleich in Rabat. Bloss: «Das dauert unverhältnismässig lange», sagt er.

Immerhin: «Die Zusammenarbeit mit Marokko konnte dank regelmässiger Kontakte zwischen dem SEM und den für die Rückkehr zuständigen marokkanischen Behörden in den letzten Jahren verbessert werden.» 2018 konnten 63 identifizierte Marokkaner zwangsweise ausgeschafft werden. «Obwohl Marokko keine Sonderflüge erlaubt.»

Wie aber mit Fällen wie Moestafa K., die auch noch straffällig werden, in der Schweiz umgehen? «Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid werden von der Sozialhilfe ausgeschlossen und erhalten nur noch Nothilfe», sagt Kormann. Zudem dürften Kantone Rayonverbote erteilen. Und es könne die ausländerrechtliche Administrativhaft angeordnet werden, falls entsprechende Haftgründe vorliegen. 

Häufig tauchen solche Personen aber einfach unter. «Im Idealfall reisen die Untergetauchten in ihren Heimatstaat zurück», sagt Kormann.   Flavio Razzino

* Name geändert

Es ist keine einfache Beziehung zwischen der Schweiz und Marokko, wenn es um Migrationsfragen geht. Marokko gehört nicht zu jenen 64 Ländern, mit denen die Schweiz Rücknahmeabkommen abgeschlossen hat.

Wenn Marokkaner, die keine gültigen Reisedokumente besitzen, die Schweiz verlassen müssen, gibt es dementsprechend regelmässig Probleme mit dem nordafrikanischen Staat. So auch bei Moestafa K.* (27).

«Ohne Identifikation der rückzuführenden Person durch deren mutmassliches Herkunftsland ist keine Rückführung möglich», sagt Rolf Kormann, Sprecher des Staatssekretariats für Migration, zu BLICK. Für mutmassliche marokkanische Staatsbürger wie K. erfolge die Identifikation via Fingerabdruckvergleich in Rabat. Bloss: «Das dauert unverhältnismässig lange», sagt er.

Immerhin: «Die Zusammenarbeit mit Marokko konnte dank regelmässiger Kontakte zwischen dem SEM und den für die Rückkehr zuständigen marokkanischen Behörden in den letzten Jahren verbessert werden.» 2018 konnten 63 identifizierte Marokkaner zwangsweise ausgeschafft werden. «Obwohl Marokko keine Sonderflüge erlaubt.»

Wie aber mit Fällen wie Moestafa K., die auch noch straffällig werden, in der Schweiz umgehen? «Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid werden von der Sozialhilfe ausgeschlossen und erhalten nur noch Nothilfe», sagt Kormann. Zudem dürften Kantone Rayonverbote erteilen. Und es könne die ausländerrechtliche Administrativhaft angeordnet werden, falls entsprechende Haftgründe vorliegen. 

Häufig tauchen solche Personen aber einfach unter. «Im Idealfall reisen die Untergetauchten in ihren Heimatstaat zurück», sagt Kormann.   Flavio Razzino

* Name geändert

Mehr

 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?