BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über die Drohung Amerikas an die Weltgesundheitsorganisation WHO
Trump hat recht, aber tut das Falsche

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um Donald Trumps Drohung an die Weltgesundheitsorganisation WHO.
Publiziert: 22.05.2020 um 08:11 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2020 um 10:20 Uhr
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Donald Trump (73) ist kein Freund von internationalen Organisationen. Ganz im Stile seines berühmten Wahlslogans «America First» hat er in seinen ersten drei Jahren Druck gemacht – und einiges erreicht. Zwei Beispiele: Die Vertragspartner der Nordatlantischen Allianz NATO verdonnerte er zurecht zu höheren Beitragszahlungen. Die Welthandelsorganisation WTO legte Trump zwischenzeitlich lahm, um lange notwendige Reformen anzustossen.

Jetzt ist die Weltgesundheitsorganisation WHO an der Reihe. Ihnen hat der US-Präsident inmitten der globalen Corona-Pandemie den Geldhahn zugedreht. Amerika, das zwischen 400 und 500 Millionen Dollar jährlich beisteuert – ein grosser Teil davon auf freiwilliger Basis – könnte der in Genf ansässigen Organisation schon bald ganz den Rücken drehen. Trump hat der WHO am Montag eine 30-tägige Frist für «grosse» Reformen gesetzt und gedroht, andernfalls über einen Ausstieg nachdenken zu wollen.

Trump wirft der WHO vor, die Gefahren des Coronavirus zuerst verschwiegen zu haben. Ironischerweise hat Trump selbst trotz zahlreicher Warnungen seiner Experten Corona monatelang unterschätzt. Sein Aktionismus ist aus der Not geboren: Auf der Suche nach einem Sündenbock für seine desaströse Corona-Politik im eigenen Land hat er aber voll ins Schwarze getroffen. Die WHO wird von vielen Seiten kritisiert und gab in dieser Pandemie wahrlich kein rosiges Bild ab.

Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe.
Foto: Zvg
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Trumps Vorwürfe an die WHO sind gerechtfertigt

Der US-Präsident wirft der Weltgesundheitsorganisation nicht nur schwere Versäumnisse in der Corona-Bekämpfung vor. Er kritisiert sie auch für deren China-Hörigkeit und sieht einen «alarmierenden Mangel» an Unabhängigkeit von Peking. Deshalb läuft regierungsintern in Washington auch schon seit geraumer Zeit eine Untersuchung. Zu Recht.

Trump hat allen Grund, die WHO zu kritisieren. Ihr Umgang mit der Pandemie wirft viele Fragen auf. Mitte Januar hat man behauptet, es bestehe kein klarer Beleg dafür, dass sich das Coronavirus von Mensch zu Mensch übertrage. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte China längst Ärzte wie den mittlerweile verstorbenen Li Wenliang (†34) verhaftet, die vor dem neuen Virus gewarnt hatten. Oder aber die Warnungen Taiwans am Silvestertag, auf die die WHO angeblich nicht reagiert hatte.

Der Vorwurf, die Organisation sei zu «chinazentriert», ist nicht aus der Luft gegriffen. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus (55) lobte auffällig oft Chinas Umgang mit der Pandemie. Zuletzt Anfang Mai, als die Weltgemeinschaft das anfängliche Spiel Pekings schon lange durchschaut hatte. Ein Gerücht in Washington, das sich nicht nur unter Trump-Freunden hartnäckig hält, könnte eine Erklärung bieten: Tedros soll nur dank der Hilfe Chinas an die Spitze der WHO gewählt worden sein – und deshalb in der Schuld Pekings stehen.

Warum Trumps Weg der falsche ist

Trumps Beweggründe mögen zwar nicht die richtigen sein – dem US-Präsidenten geht es mehr um nationalistische Überlegungen, als um die Verbesserung von internationalen Organisationen. Aber wenn er damit seit Jahren notwendige Reformen anstösst und dabei vielleicht sogar noch eine WHO-Abhängigkeit zu China aufdeckt, hat er der Weltgemeinschaft einen grossen Dienst erwiesen.

Sicherlich aber sind Trumps Drohungen und Umsetzung der falsche Weg. Die feine amerikanische Art – mit der man in der Vergangenheit viel erreicht hat – wäre es gewesen, nach Überstehen der Krise an einen Tisch zu sitzen. Und dann harte Forderungen zu stellen.

Dass Trump der WHO inmitten einer globalen Pandemie die US-Gelder streicht, ist kontraproduktiv und gefährdet die Fortschritte, die diese Organisation erst möglich gemacht hat. So konnte man etwa die Anzahl Impfungen an Kleinkindern weltweit auf bis zu 80 Prozent steigern. Nicht zuletzt deshalb sinkt die Todesrate dieser Altersgruppe seit Jahrzehnten.

Ein US-Austritt wäre also nicht nur ein falsches Zeichen, sondern könnte das Leben vieler Familien auf tragische Weise beeinflussen. Bleibt nur zu hoffen, dass der US-Präsident das erkennt und seine Wahlchancen nicht höher gewichtet als der humanitäre Fortschritt unserer Welt.

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