Joe Biden wegen sexueller Nötigung angezeigt
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Paukenschlag in den USA:Joe Biden wegen sexueller Nötigung angezeigt

BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über die Missbrauchsvorwürfe gegen Präsidentschaftskandidat Joe Biden
Das Sex-Dilemma der Demokraten

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um die Missbrauchsvorwürfe gegen Joe Biden und die Doppelmoral der Demokraten.
Publiziert: 24.04.2020 um 08:16 Uhr
|
Aktualisiert: 17.07.2020 um 02:06 Uhr
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Es sind üble Vorwürfe, die eine ehemalige Mitarbeiterin des US-Senats gegen Joe Biden (77) erhebt. Alexandra Reade (56) hat den wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten Mitte April wegen sexueller Nötigung angezeigt. Biden soll 1993 Reade in einem isolierten Korridor des Senats angegriffen, mit den Fingern berührt und letztlich penetriert haben – alles gegen ihren Willen.

Über ein halbes Dutzend Frauen haben gegen Joe Biden bereits sexuelle Missbrauchvorwürfe erhoben. Und trotzdem wird in den USA kaum über das Verhalten des Präsidentschaftskandidaten diskutiert. 19 Tage hat die «New York Times» kürzlich gebraucht, bis sie über die Anzeige von Reade berichtet hatte. Derweil schweigt sich die demokratische Partei über die Sex-Vorwürfe grösstenteils aus.

Klar: Neu sind die Anschuldigungen nicht. Vor einem Jahr, als Biden seine Kandidatur für die Demokraten bekannt gab, traten sieben Frauen an die Öffentlichkeit. Darunter auch Reade. Sie alle schilderten in den Medien ihre Geschichten mit Biden, warfen ihm etliche sexuelle Handlungen gegen ihren Willen vor. Damals haben die Medien darüber berichtet. Einige Demokraten haben ein allgemeines Statement abgegeben. Und dann, nach einer knappen Woche, wurde es wieder mucksmäuschenstill.

Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe.
Foto: Zvg
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Die Missbrauchsvorwürfe gegen Joe Biden? Im Vorwahlkampf der Demokraten kein Thema!

Die Diskussionen 2016 waren richtig

Ganz anders der Aufschrei vor vier Jahren: «Skandal» haben die Demokraten gerufen, als rund ein Dutzend Frauen Donald Trump sexueller Missbrauch und Vergewaltigung vorwarfen. Es entwickelte sich ein Diskurs, der Monate anhielt. Das war gut so! Glaubhafte und geprüfte Anschuldigungen gegen einen Präsidentschaftskandidaten müssen und sollen diskutiert werden. Immer unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung – ein Grundsatz, der bei Trump leider schnell über den Haufen geworfen wurde.

Bei Joe Biden scheint alles anders zu sein. Hillary Clinton (72) forderte Ende 2017 Ermittlungen zu den Sex-Vorwürfen gegen Trump. «Wir können den Präsidenten nicht entschuldigen», sagte sie damals – und hatte natürlich völlig recht. Und jetzt? Bei Biden? Bleibt Clinton stumm. Bedeutet das, dass der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat «entschuldigt» werden kann?

Die erzwungenen Aussagen der Demokraten zu Biden

Andere Demokraten werden von gewissenhaften Journalisten dann doch noch zu einer Stellungnahme gezwungen. Zum Beispiel Gretchen Whitmer (48), Gouverneurin von Michigan – selber ein geoutetes Missbrauchsopfer. «Frauen sollten in der Lage sein, ihre Geschichten zu erzählen», sagte sie auf Anfrage von «NPR». «Aber es ist auch etwas Persönliches. Und deshalb ist es schwer, ihnen eine bessere Antwort zu geben, wenn man nicht mehr über die Situation weiss.»

Oder Amy Klobuchar (59), Senatorin aus Minnesota und potenzielle «Running Mate» von Joe Biden. Sie rang sich dazu durch, allen Frauen das Recht zuzusprechen «gehört zu werden». Gleichzeitig hob sie auf «NPR» heraus, was für ein grosser «Leader» Biden im Kampf gegen häusliche Gewalt sei.

Entschuldigt haben sich beide nie

Der Beschuldigte selber hat sich zur Anzeige noch nicht geäussert. Musste er ja auch nicht, weil der öffentliche Druck nicht vorhanden ist. Im April 2019, als kurz über die Vorwürfe berichtet wurde, reagierte er mit einem Video und gelobte Besserung. Er wolle «aufmerksamer und respektvoller gegenüber der Privatsphäre der Menschen sein». Ein «sorry» kam nicht über seine Lippen.

Entschuldigt hat sich übrigens auch Donald Trump nie. Das müssen beide auch nicht. Es macht Sinn: Biden und Trump behaupten ja, dass all die Vorwürfe nicht stimmen. Das Problem nur ist, dass einer monatelang an den Pranger gestellt wird – und der andere nicht.

Gewiss: Das ist das politische Spiel in den USA. Die Republikaner würden es umgekehrt wohl nicht anders machen. Aber die Amerikaner sollten sich auch an die Doppelmoral der Demokraten erinnern, wenn der nächste Aufschrei kommt.

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