Hier wird der Christchurch-Attentäter verhaftet
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Video auf Twitter zeigt:Hier wird der Christchurch-Attentäter verhaftet

Brenton Tarrant und die Rolle von «8chan»
So formte das Internet den Christchurch-Attentäter

Er streamte seine Attacke live, setzte dabei auf Videospiel-Optik und machte Anspielungen auf Memes. Der Christchurch-Terrorist Brenton Tarrant suchte mit seiner Bluttat auch die Anerkennung der User des «8chan»-Forums.
Publiziert: 15.03.2019 um 18:18 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2020 um 08:20 Uhr
Wasseim Alsati (ganz rechts) mit seiner Familie am Krankenbett seiner Tochter Alen (5). Beide überlebten den Anschlag schwer verletzt. Alsati fordert für Tarrant nun die Todesstrafe.
Foto: Screenshot Facebook
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Manuel Kellerhals

«Ich werde den Angriff auf die Eindringlinge durchführen und werde die Tat über Facebook live übertragen», verkündete der Christchurch-Terrorist Brenton Tarrant (28) vor seiner Bluttat auf dem Internet-Forum «8chan». Der nächste Post fasst die Reaktion der anderen User zusammen: «Viel Glück.» Denn anstatt von dem Massaker abzuraten, gossen die Forum-Teilnehmer lieber Benzin ins Feuer und spornten Tarrant während des Livestreams an.

Auch jetzt noch wird der Australier für seinen Terror-Akt gefeiert. Immer wieder sieht man den Buchstaben «F», der auf dem Internet-Forum für «Respekt» steht. Inzwischen wurden für das Massaker schon fünf Beiträge geöffnet, weil sie sich so schnell füllen. Mitleid mit den Opfern sucht man vergebens. Stattdessen liest man: «LOL, er hat es tatsächlich gemacht!»

«8chan» – erlaubt ist alles, Tabus gibt es keine

Dass sich Tarrant «8chan» für die Bekanntgabe seiner Pläne aussuchte, ist kein Zufall. Das Internet-Forum bezeichnet sich selbst als «die dunkelsten Tiefen des Internets». «8chan» hat keinerlei Regeln, die User können sich hinter vollkommener Anonymität verstecken. Die Macher pochen auf Meinungsfreiheit und kontrollieren nicht, was darauf gepostet wird. Erlaubt ist alles, Tabus gibt es keine. Alles kann zu einem Meme, also zu einem weit verbreiteten Internet-Witz, werden. An dieser Einstellung orientierte sich auch Tarrant, der bei seinen selbst gedrehten Videos während der Attacke immer wieder Einflüsse und Anspielungen auf solche Memes erkennen liess.

So sagte er «Subscribe to Pewdiepie» («Abonniert Pewdiepie»), bevor er seinen Wagen verliess. Pewdiepie (29, bürgerlich Felix Kjellberg) ist mit 89,46 Millionen Abonnenten der berühmteste Youtuber der Welt. Dadurch, dass er von dem indischen Youtube-Channel «T-Series» (89,45 Millionen) bald als der Youtube-Channel mit den meisten Abonnenten abgelöst werden könnte, wurde «Abonniert Pewdiepie» zu einem geflügelten Wort unter seinen Fans.

Anspielung auf Fortnite

In seinem Manifest spielt Tarrant ausserdem zynisch darauf an, dass Fortnite ihn für die Tat trainiert habe. Fortnite ist derzeit das erfolgreichste Videospiel der Welt, vor allem unter Kindern und Jugendlichen ist es äusserst beliebt. Krank: Tarrant hielt fest, dass er «auf den Leichen seiner Opfer den ‹Floss› tanzen» will. Mit dem «Floss»-Tanz feiert man in dem Game eine erfolgreiche Partie.

Dafür erhält er nun auf «8chan» Beifall. Die Nutzer feiern ihn für den gelungenen «Streich», den er Pewdiepie gespielt hat, oder witzeln über seine Game-Anspielungen. Auch, dass er seine Attacke auf Facebook gestreamt hat, macht ihn für viele der User zu einer «Legende». Dabei dürfte auch die Optik des grausamen Videos eine Rolle spielen. Tarrant platzierte seine Kamera so, dass die schrecklichen Bilder schliesslich wie Szenen aus einem Ego-Shooter-Videospiel wirkten.

Wie kann so ein Video auf Facebook landen?

Doch wie kann so ein schockierendes Video überhaupt auf einer riesigen Seite wie Facebook übertragen werden? Das Problem liegt hier in der Häufigkeit, mit der User der Social-Media-Seite Live-Übertragungen starten. Für die Facebook-Administratoren ist es unmöglich, jedes Video, das gestartet wird, auf anstössige Inhalte zu kontrollieren. Stattdessen müssen User das Video erst melden, bevor es gelöscht werden kann – oft geschieht das deshalb erst Stunden nach der Ausstrahlung. Zeit genug für «8chan»-User, das Video herunterzuladen und unter anderem auf Youtube weiterzuverbreiten. Im Fall von Christchurch musste Facebook erst durch die neuseeländische Polizei auf das verstörende Material aufmerksam gemacht werden.

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