«Wir haben Hollywood-Stars, die regelmässig bei uns sind»
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Klinik für Kryptosüchtige:«Wir haben Hollywood-Stars, die regelmässig bei uns sind»

Zürcher Luxus-Klinik behandelt Stars für 95'000 Franken die Woche
«Kryptosucht ist in der Schweiz ein reales Problem»

Die Zürcher Luxus-Klinik Paracelsus Recovery therapiert Hollywood-Stars gegen die Sucht nach Kryptowährungen – für 95'000 Franken die Woche. Wird der Handel mit Bitcoin und Co. auch für Normalsterbliche zu einem Problem? Die Schweiz tappt im Dunkeln.
Publiziert: 19.10.2022 um 17:07 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 15:24 Uhr
Nicola Imfeld

Die Adressen ihrer Villen sind geheim, die Schilder der Bentley-Limousinen gesperrt – willkommen in der Welt der Stadtzürcher Suchtklinik Paracelsus Recovery, eine der exklusivsten und mysteriösesten Reha-Kliniken. Zu ihren Klienten gehören Hollywood-Stars, bekannte CEOs, saudi-arabische Royals und russische Oligarchen.

Reporter sind auf dem Anwesen – wo die Berühmtheiten behandelt werden – nicht zugelassen. Geschäftsführer Jan Gerber (40) empfängt Blick in einem Sitzungszimmer am Zürcher Utoquai, mit direkter Sicht auf den See. Seit einem Jahr behandeln Gerber und sein Team neuerdings Krypto-Sucht, neben Drogen-, Spiel- oder Sexsucht. «Die Sucht nach dem Handel mit Kryptowährungen ist ein aufkommendes und reales Problem, auch in der Schweiz», sagt er.

Ein 20-köpfiges Team bestehend aus Therapeuten, Ärzten und Ernährungswissenschaftlern, aber auch Köche, Limousinenfahrer und Yoga-Instrukteure kümmern sich um die jeweiligen Patienten, die sich wegen einer Krypto-Sucht in eine der geheimen Villen einweisen lassen. Kostenpunkt: 95'000 Franken pro Woche!

Jan Gerber ist CEO der Zürcher Luxus-Klinik Paracelsus Recovery.
Foto: Nicola Imfeld
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Krypto-Sucht in der Schweiz

Alles nur ein Marketing-Gag einer Luxus-Klinik? Oder ein echtes gesellschaftliches Problem? In der Schweiz weiss das heute niemand so genau. «Es gibt keine validierten Statistiken oder Zahlen dazu. Das Thema ist noch relativ jung», sagt Franziska Eckmann, Leiterin der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht des Bundesamtes für Gesundheit (Infodrog). Im Schweizerischen Sucht-Monitoringsystem wird die Sucht nach dem Handel mit Kryptowährungen noch nicht als Kategorie aufgeführt.

Auch die gemeinnützige Stiftung Sucht Schweiz tappt im Dunkeln. «Unklar ist das Ausmass der Problemlast, denn bislang gibt es keine Untersuchungen, die zeigen würden, wie viele Menschen hierzulande einen problematischen Umgang mit Kryptowährungen aufweisen», sagt Mediensprecherin Monique Portner-Helfer.

Ein Blick ins Ausland lässt erahnen, dass die Dunkelziffer in der Schweiz gross sein könnte. In Grossbritannien und den USA ist von ausgebuchten Krypto-Suchtkliniken zu lesen. Die Anfragen seien in diesem Jahr – zeitgleich mit den herben Verlusten von Bitcoin und Co. – in die Höhe geschnellt. Und in sozialen Netzwerken zirkulieren Videos von jungen Menschen, die täglich Kryptowährungen handeln und dazu Tipps geben. Laut einer Studie der finnischen Universität Vaasa kann das böse enden. Das Forscherteam wies nach, dass Krypto-Händler oft auch zu Glücksspiel- und Internetsucht neigen.

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Krypto-Sucht bald eine anerkannte Krankheit?

Der Handel mit Kryptowährungen weist Parallelen zur Spielsucht auf. Wegen der hohen Volatilität der Kurse locken schnelle und grosse Gewinne, es drohen aber auch schnelle und grosse Verluste – wie beim Casino-Besuch. Die Stiftung Sucht Schweiz bestätigt den Befund: «Zum Beispiel wenn die Investitionen sehr kurzfristig getätigt werden – wie beim sogenannten Day-Trading – und wenn Betroffene denken, dass sie das Geschehen beherrschen und die Kurse innerhalb kürzester Zeit kennen können», sagt Sprecherin Portner-Helfer.

Anders als beim Glücksspiel ist eine Sucht im Zusammenhang mit Krypto-Trading noch keine anerkannte Verhaltenssucht, die in der internationalen Klassifikation der Krankheiten erfasst wäre. Das könnte sich bald ändern – international diskutieren die Fachleute über das Thema. Es sei auch an der Zeit, meint die Stiftung Sucht Schweiz. «Es ist wahrscheinlich, dass es bereits entsprechende Fälle in spezialisierten Suchtkliniken in der Schweiz gibt», sagt Portner-Helfer.

«Es gibt keine Verschnaufpausen»

Jan Gerber, der Chef der Zürcher Luxusklinik, sieht trotz Parallelen zwischen Krypto- und Geldspielsucht «wesentliche Unterschiede», wie er sagt. «Das Geldspiel kennen wir in der Schweiz seit Jahrzehnten. Es gibt Präventionskampagnen und Massnahmen. Das Angebot für den Handel mit Kryptowährungen ist unterschwelliger.» Mit einem Smartphone sei man bereits dabei. «Es gibt keinen Handelsschluss. Der Bitcoin-Kurs verändert sich 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Verschnaufpausen gibt es nicht.»

Und der wichtigste Unterschied aus seiner Sicht: «Wer regelmässig ins Casino geht, weiss, dass er dem Zufall ausgesetzt ist. Das Handeln von Kryptowährungen fühlt sich unschuldiger an, da man sich über die Unternehmen ja informieren kann.»

Gerber ist überzeugt davon, dass die Krypto-Sucht nicht nur ein Problem der Reichen und Schönen ist. «Wir konnten in den letzten Jahren und Monaten eine steigende Anzahl an Anfragen zu diesem Thema beobachten. Oft rufen uns Menschen an, die sich unser Angebot zwar nicht leisten können, aber dennoch um Rat fragen.» Deshalb habe seine Klinik das spezifische Angebot entwickelt.

«Die Schweizer sind sehr diskret»

Wer sich in der Paracelsus Recovery Klinik für 95'000 Franken die Woche behandeln lässt, bezahlt neben dem Luxus vor allem für die Diskretion. «Ein Hollywood-Star kann nicht einfach in eine normale Klinik gehen. Die Gefahr erkannt zu werden und in den Medien zu landen, würde die persönlichen Probleme nur noch verschlimmern», sagt Gerber. «Das ist unsere Nische. Wir haben eine langjährige Erfahrung und wissen genau, wie diese Leute unerkannt bleiben.»

Zürich sei der optimale Standort für seine Klinik. «Wir haben hier keine Klatsch-Presse, und die Schweizer sind sehr diskret», sagt Gerber. Die Prominenten können am See spazieren gehen, ohne erkannt zu werden. «Mit Sonnenbrille und Hut wird hier niemand angesprochen.» Einmal sei es vorgekommen, dass sich ein weltbekannter Patient einen Kaffee am Zürcher Bellevue geholt hat. «Jemand hat ihn um ein Autogramm gebeten. Das war es auch schon.»

Auch der Umgang mit berühmten Personen will gelernt sein, sagt Gerber. «Für einen Durchschnittsbürger ist es ganz schwierig, Empathie für diese Klientel zu empfinden.» Das gelte auch für Therapeuten. «Wir aber verstehen die Leiden dieser Personen. Schmerz ist real – unabhängig von ihrem Nachnamen oder davon, wie viel Geld sie verdienen.»

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