Verkehrsbetriebe dünnen Angebot aus
Bürolisten müssen als Busfahrer einspringen

Die Betriebe im öffentlichen Verkehr drehen wegen Omikron am Rad: Bei einem Busunternehmen im Tessin fallen zehn Prozent des Personals aus. Der Stadtbus Winterthur sucht dringend nach Chauffeuren. Einige Anbieter müssen ihr Angebot reduzieren.
Publiziert: 10.01.2022 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2022 um 18:37 Uhr
Martin Schmidt

Die Personalsituation bei den ÖV-Anbietern spitzt sich zu. Immer mehr Beschäftige fallen krankheitsbedingt aus. Besonders akut ist die Situation in den Regionen mit den höchsten Inzidenzwerten, der Romandie und dem Tessin. Dort legt die Omikron-Welle Teile des öffentlichen Verkehrs lahm. Die SBB müssen ab Dienstag zwischen Coppet VD und Annemasse (F) zwei Linien streichen – vorerst bis zum 25. Januar. Ab dem 17. Januar soll dann der Regio Express die Haltestellen der ausfallenden Linien bedienen.

Auch der Verkehrsbetrieb Fart kürzt im Raum Locarno TI den Fahrplan auf zwei Buslinien zusammen. Derzeit würden 10 Prozent des Personals wegen Krankheit oder Quarantäne ausfallen, heisst es auf Nachfrage von Blick. Bei den SBB fehlen in der Westschweiz und im Tessin ebenfalls 10 bis 15 Prozent des Personals.

Am Montag mussten zudem die Verkehrsbetriebe Zürich die Tramlinie 15 bis auf weiteres einstellen.

Beim Stadtbus Winterthur müssen Büroangestellte am Steuer aushelfen.
Foto: BAA_2015_03_20
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Bürolisten am Steuer

Bei Postauto kam es in der Westschweiz zuletzt zu einzelnen Kursausfällen. Einen temporären Abbau des Angebots will der gelbe Riese aber unbedingt verhindern. Sprecher Urs Bloch sagt: «Die Reduktion des Fahrplans wäre für uns die letzte Massnahme, die wir ergreifen würden.»

Postauto setzt generell bei Ausfällen und Lücken im Fahrplan auf Aushilfen, Stundenlöhner, Kontrolleure und Bürolisten, die über die nötigen Fahrausweise verfügen.

Stadtbus auf Personalsuche

Auch beim Stadtbus Winterthur muss Personal aus der Technik und Verwaltung beim Fahrdienst einspringen. Beim Stadtbus Winterthur ist die Situation ebenfalls angespannt. Im Dezember musste das Busunternehmen sein Angebot auf der Hauptlinie ausdünnen. Seit Januar wird wieder der vollständige Fahrplan bedient. Der Stadtbus sucht auf Hochtouren nach neuem Personal, damit eine weitere Ausdünnung des Fahrplans verhindert werden kann. «Wir versuchen, neue Chauffeure zu rekrutieren oder auszubilden», sagt Michael Poysden, Leiter Marketing und Kommunikation.

Die BLS würde bei Engpässen ebenfalls Büroangestellte zurück in den Führerstand beordern. Eine Reduktion des Angebots ist bei der BLS derzeit kein Thema.

Bei den Lokführern herrschte bereits vor der Pandemie ein gravierender Personalmangel. Die Omikron-Welle hat das Problem nun weiter verschärft. Der Druck auf das Zugpersonal nimmt zu. Es muss Überstunden leisten, und die Ruhezeiten werden kürzer. Zudem wird das Personal immer kurzfristiger aufgeboten.

Bruno Zeller ist beim Personalverband Transfair Branchenleiter für den öffentlichen Verkehr und beurteilt die aktuelle Situation kritisch: «Bei Lokführern sprechen wir von sicherheitsrelevanten Berufen. Wenn sie immer am arbeitsrechtlich erlaubten Maximum arbeiten müssen, kann es gefährlich werden.»

Risiko in Nachtzügen

Neben dem Sicherheitsaspekt macht Zeller auch gesundheitliche Risiken aus: «Müssen die Angestellten längere Zeit am Limit arbeiten, sind sie ausgebrannt und werden krank.» Für Zeller ist klar: «Fehlt zu viel Personal, muss das Angebot reduziert werden.»

Die Pandemie habe zudem an zwischenzeitlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen geritzt. Bei Fernverkehrsverbindungen gilt die Regel, dass ab 22 Uhr mindestens zwei Kundenbegleiter im Zug sein müssen. Zu später Stunde steigt für das Begleitpersonal das Risiko von unangenehmen Begegnungen mit alkoholisierten oder aggressiven Fahrgästen.

«Aufgrund des Personalmangels wird diese Regel zunehmend nicht eingehalten. Das kann beim Personal Frustration auslösen», sagt Zeller. Die Verkehrsbetriebe wären bei den Arbeitsbedingungen gefordert, hält er fest. Ansonsten könnte sich das Problem weiter verschärfen.

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