«Corona hat uns ein unglaubliches Wachstum beschert»
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Chef von Just Eat:«Corona hat uns ein unglaubliches Wachstum beschert»

Neuer Chef, neuer Name, noch mehr Kunden
Food-Delivery-Krösus Just Eat hat Hunger auf mehr in der Schweiz

Der Boom bei den Essenslieferungen in der Corona-Pandemie geht weiter – obwohl die Restaurants mittlerweile wieder offen sind. Manche Küchen profitieren davon ganz besonders. Andere gehen unter. Branchenriese Just Eat gibt Einblick ins Geschäft.
Publiziert: 01.09.2021 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2021 um 08:52 Uhr
Sarah Frattaroli

Mit Pizza fing alles an. Mittlerweile kann man sich neben dem italienischen Klassiker aber auch vietnamesische Pho, vegane Burger, chinesische Dim Sum oder türkische Köfte nach Hause bestellen. Die Covid-Pandemie hat das Geschäft mit dem Essen für zu Hause befeuert, den Lieferdiensten Flügel verliehen.

Die Zahlen untermauern den Boom: 2018 umfasste der Markt in der Schweiz ein Volumen von 1,3 Milliarden Franken. Mittlerweile sind es 2,1 Milliarden! Und immer seltener werden Bestellungen per Telefon gemacht: Der Online-Anteil liegt mittlerweile bei 61 Prozent. Will heissen: Die Online-Bestellungen allein umfassen heute 1,3 Milliarden Franken, so viel wie noch vor drei Jahren der gesamte Markt.

Branchenprimus in der Schweiz ist Just Eat (bis vor wenigen Monaten noch unter der Marke Eat.ch präsent). Die 1000 Fahrerinnen und Fahrer des Lieferkrösus prägen mit ihren Velos und Jacken in Leuchtorange längst das Bild vieler Schweizer Städte. Dabei ist die Schweiz lediglich Ableger eines internationalen Delivery-Konzerns mit Sitz in Amsterdam (Niederlande).

Branchenprimus unter den Schweizer Essenslieferanten ist Just Eat, früher Eat.ch.
Foto: Keystone
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So wurde Just Eat zum Schweizer Branchenprimus

2007 gründen die beiden damaligen HSG-Studenten Reto Graf und Lukas Weder Eat.ch. 2012 bildet die Firma ein Joint Venture mit Just Eat, damals noch britisch. 2015 dann wird Eat.ch zur Tochtergesellschaft von Just Eat. 2020 fusioniert die britische Just Eat mit der niederländischen Takeaway.com.

Im Frühling 2021 vollzieht der Schweizer Ableger den Namenswechsel von Eat.ch zu Just Eat. Die Firma mit Hauptsitz in Amsterdam (Niederlande) ist heute in zwei Dutzend Ländern tätig. Neben Europa etwa auch in den USA, Australien und Neuseeland.

Die HSG-Wurzeln sind beim Schweizer Ableger aber weiterhin erkennbar: In St. Gallen liefern im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse so viele Restaurants ihre Speisen über Just Eat aus wie in keiner anderen Schweizer Stadt.

Schweizweit bieten 4000 Restaurants ihr Essen über Just Eat an. 1000 Velokuriere liefern die Mahlzeiten aus. Daneben arbeiten 150 Leute im Marketing, Backoffice und anderen administrativen Bereichen. Just Eat ist damit deutlich grösser als seine Mitbewerber, darunter Mosis, Smood und Uber Eats. Der US-Gigant ist seit weniger als drei Jahren in der Schweiz aktiv.

2007 gründen die beiden damaligen HSG-Studenten Reto Graf und Lukas Weder Eat.ch. 2012 bildet die Firma ein Joint Venture mit Just Eat, damals noch britisch. 2015 dann wird Eat.ch zur Tochtergesellschaft von Just Eat. 2020 fusioniert die britische Just Eat mit der niederländischen Takeaway.com.

Im Frühling 2021 vollzieht der Schweizer Ableger den Namenswechsel von Eat.ch zu Just Eat. Die Firma mit Hauptsitz in Amsterdam (Niederlande) ist heute in zwei Dutzend Ländern tätig. Neben Europa etwa auch in den USA, Australien und Neuseeland.

Die HSG-Wurzeln sind beim Schweizer Ableger aber weiterhin erkennbar: In St. Gallen liefern im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse so viele Restaurants ihre Speisen über Just Eat aus wie in keiner anderen Schweizer Stadt.

Schweizweit bieten 4000 Restaurants ihr Essen über Just Eat an. 1000 Velokuriere liefern die Mahlzeiten aus. Daneben arbeiten 150 Leute im Marketing, Backoffice und anderen administrativen Bereichen. Just Eat ist damit deutlich grösser als seine Mitbewerber, darunter Mosis, Smood und Uber Eats. Der US-Gigant ist seit weniger als drei Jahren in der Schweiz aktiv.

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In der Schweiz hält Just Eat Geschäftszahlen unter Verschluss. Bekannt ist: Auf internationaler Ebene kletterte der Umsatz der Just Eat Takeaway.com im ersten Halbjahr 2021 von 1,8 auf 2,6 Milliarden Euro. Das entspricht einem Wachstum von fast 50 Prozent.

In der Schweiz legt Just Eat jeden Monat ein Wachstum im doppelstelligen Prozentbereich hin, verrät Lukas Streich (39). Er ist ab Anfang September 2021 der neue Chef des Schweizer Delivery-Ablegers. «Im Januar 2020 hatten wir erstmals mehr als eine halbe Million Bestellungen», erzählt Streich im Gespräch mit Blick auf einem Spaziergang durch Zürich. «Seither haben wir das Volumen zeitweise verdoppelt oder sogar verdreifacht.»

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Dreimal mehr Bestellungen am Mittag

Am Zürcher Stauffacher bleibt Streich stehen. Wer sich hier um seine eigene Achse dreht, sieht nicht weniger als sieben Restaurants, die ihre Speisen über Just Eat ausliefern. Insgesamt sind es in der Stadt Zürich 500, in der ganzen Schweiz sogar 4000. Damit sei die Decke aber noch lange nicht erreicht, sagt Streich. Sein Lieferdienst hat Hunger auf mehr: «Das ganze Frühstücks-, Kaffee- und Nachmittagsgeschäft bauen wir gerade erst auf.»

Das klappt schon ganz gut: So haben sich die Bestellungen am Mittag im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Dies auch dank des neuen Konzepts «Takeaway Pay». Dabei stellen Unternehmen ihren Angestellten ein Budget fürs Mittagessen zur Verfügung – eine Art Gutschein für Essensbestellungen auch für Homeoffice-Arbeitnehmer. «Das passt gut zum veränderten Arbeitsmodell: Früher haben Unternehmen eigene Kantinen für die Mitarbeiter betrieben. Heute, wo wir mehr von zu Hause aus arbeiten, braucht es neue Ansätze», schwärmt Lukas Streich.

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Doch während Just Eat mit Rekordzahlen der Konkurrenz davonzieht, liegt das Gastgewerbe weiterhin am Boden. Schutzkonzepte sorgen für Mehraufwand, und die Branche kämpft mit einem massiven Personalmangel. Restaurants, die Bestellungen über Just Eat entgegennehmen, bezahlen eine Kommission von bis zu 30 Prozent. Dass Just Eat die Gastronomen in der Krise weiter ausnehme, will Lukas Streich aber nicht gelten lassen: «Für die Restaurants ist unser Angebot ein Zusatzverdienst. Wir investieren in Mitarbeitende und Fahrer in der Schweiz, Werbung, Marketing, unsere Plattform, die Webseite und die App. Zudem betreuen wir ein eigenes Customer Center hier in Zürich.»

Kurier Hristo hält kurz an für ein Foto mit dem Chef

Denn, und darin unterscheidet sich Just Eat von einigen seiner Konkurrenten wie etwa Uber Eats: Die Kuriere im orangen Dress sind fest angestellt. Sie arbeiten nicht auf Kommission, sondern erhalten einen Stundenlohn von 27 Franken. «Wir haben früher mit Drittanbietern zusammengearbeitet, unter anderem mit einem Tochterunternehmen der Post. Mittlerweile sind die Kuriere aber direkt bei uns angestellt. Wir wollen nicht Teil der Gig Economy sein», erklärt Streich.

Und meint damit, dass seine Velokuriere auch dann anständig verdienen sollen, wenn einmal weniger Bestellungen eingehen. Oder, dass sie versichert sein sollen, wenn auf der rasanten Fahrt vom Restaurant zum Kunden ein Unfall passiert.

Tatsächlich treffen wir auf unserem Spaziergang durch Zürich auf einen der 1500 orange gekleideten Kuriere. Er stellt sich als Hristo vor, im Unternehmen herrscht Du-Kultur. Hristo nimmt sich kurz Zeit für ein Foto mit dem Chef. Für Fragen allerdings bleibt keine Zeit. Das Essen wird kalt. Der Geduldsfaden der Kundschaft ist kurz. Wer die Lieferung verspätet erhält, bestellt beim nächsten Mal eben doch bei Konkurrent Uber Eats – Arbeitsbedingungen hin oder her.

Karriere dank HSG-Connection

Lukas Streich (39) ist seit 1. September Chef von Just Eat (vorher Eat.ch) in der Schweiz. Den Food-Delivery-Marktführer kennt er seit dessen Geburtsstunde: Die beiden Firmengründer haben gemeinsam mit Lukas Streich an der Hochschule St. Gallen studiert. Er selber ist seit 2017 im Unternehmen: zuerst als Leiter der Verkaufsabteilung in der Schweiz, zuletzt in einer internationalen Position beim Mutterkonzern Just Eat Takeaway.com mit Sitz in den Niederlanden. Streich lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Steinhausen ZG.

Lukas Streich (39) ist seit 1. September Chef von Just Eat (vorher Eat.ch) in der Schweiz. Den Food-Delivery-Marktführer kennt er seit dessen Geburtsstunde: Die beiden Firmengründer haben gemeinsam mit Lukas Streich an der Hochschule St. Gallen studiert. Er selber ist seit 2017 im Unternehmen: zuerst als Leiter der Verkaufsabteilung in der Schweiz, zuletzt in einer internationalen Position beim Mutterkonzern Just Eat Takeaway.com mit Sitz in den Niederlanden. Streich lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Steinhausen ZG.

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Pizza top, Rösti ein Flop

Selber bestellt Lukas Streich am liebsten bei Pho Mai, einem kleinen vietnamesischen Restaurant mitten im Kreis 4. Er liegt damit im Trend: Denn die Schweizerinnen und Schweizer bestellen seit Corona vielfältiger und internationaler als je zuvor.

Tibetanische Momos, griechische Pitas oder hawaiianische Bowls erlebten einen Boom. Alkohol und Süssigkeiten trösteten die Schweizerinnen und Schweizer ausserdem offenbar über so manchen tristen Corona-Abend hinweg: Bier legte ein Plus von 98 Prozent hin, Tiramisù steigerte sich um 80 Prozent.

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Trotzdem: Die Pizza bleibt in der Schweiz der Kassenschlager. Sie macht immer noch 70 Prozent aller Bestellungen aus. Spitzenreiter ist dabei das Tessin: Unter den 30 beliebtesten Produkten sind dort nicht weniger als 28 Pizzen. Rösti, Bratwurst und andere typisch schweizerische Gerichte hingegen haben es schwierig.

Im Restaurant liegen sie nach den italienischen Gerichten auf Platz 2 der beliebtesten Küchen. Bei den Lieferungen hingegen schaffen sie es nur gerade auf Rang 8. Tendenz: sinkend.

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