«Zum Teil 15 Mal mehr Gebühren ohne Mehrwert»
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KMU sind sauer:«Zum Teil 15 Mal mehr Gebühren ohne Mehrwert»

Neue Debitkarten sorgen bei KMU für rote Köpfe – Gebühren vervielfachten sich über Nacht
«Wir alle werden die Preise erhöhen müssen»

Die Banken ersetzen die Maestro- und V-Pay-Karten. Das hat weitreichende Folgen für die KMU, aber auch für die Konsumenten. Bald dürften die Preise steigen. Der Gewerbeverband tobt, Weko und Preisüberwachung ermitteln. Blick hat zwei betroffene Unternehmer besucht.
Publiziert: 21.05.2021 um 01:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2021 um 12:18 Uhr
Nicola Imfeld

«Und dann hat eines Abends plötzlich die Kasse nicht mehr gestimmt», sagt Claudio Rütimann (49). Der Chef der gleichnamigen Drogerie Rütimann in Hausen am Albis ZH zeigt auf die Kartenmaschine vor ihm. Seit Anfang des Jahres sind die Debit-Gebühren für Rütimann drastisch angestiegen. Wenn ein Kunde bei ihm mit der Debitkarte zahlt, muss Rütimann im Schnitt fünfmal mehr Gebühren abdrücken als zuvor. «Das kam total unerwartet. Niemand hat uns über die Erhöhung transparent informiert. Das ist eine direkte Abschöpfung meines Umsatzes», klagt er an.

Das Schicksal von Drogist Rütimann teilen unzählige kleine und mittelgrosse Betriebe (KMU) in der Schweiz. In den letzten Wochen und Monaten haben Schweizer Banken wie UBS, Credit Suisse und diverse Kantonalbanken neue Debitkarten an ihre Kunden verschickt. Die Debit Mastercard ersetzt das Maestro-Kärtchen, Visa Debit ersetzt V-Pay.

«Ich verliere einen markanten Betrag»

Für den Kunden hat das auf den ersten Blick Vorteile: Nun kann man mit Debit auch online bezahlen und die Karte in Bezahl-Apps hinterlegen. Doch für die KMU ists zum Davonlaufen. «Ich verliere jetzt schon einen markanten Betrag im Monat. Und es werden in Zukunft nur noch mehr dieser neuen Debitkarten in Umlauf kommen», sagt Rütimann verzweifelt.

Die neuen Debitkarten bereiten den KMUlern der Schweiz wie hier Christine Tschan aus Sissach BL Kopfschmerzen.
Foto: Nicola Imfeld
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Mit der Maestro-Karte musste man als KMU pro Transaktion zwischen 24 und 28 Rappen an Wordline abdrücken. Das französische Unternehmen hat 2018 von der SIX-Gruppe den Bereich Zahlungsverkehr- und Transaktionsdienste übernommen. Mit der neuen Debitkarte von Mastercard werden 10 Rappen plus 0,49 Prozent des Gesamtbetrages fällig. Bei Visa kommen auf die 10 Rappen gar 0,95 Prozent obendrauf.

Gebührenerhöhung während Pandemie

«Wenn wir einen Bürotisch oder Stuhl für 1000 Franken verkaufen, müssen wir neu bei Visa Debit 9.60 Franken und bei Debit Mastercard 6 Franken abgeben», rechnet Christine Tschan (52) vor, Geschäftsführerin vom Ergonomie- und Gesundheitsspezialisten CTPLAN in Sissach BL. Das ist eine Vervielfachung um den Faktor 36 respektive 21. «Seit Dezember zahlen wir uns dumm und dämlich», so Tschan, die auch Präsidentin des lokalen Gewerbevereins ist.

Die Gebührenerhöhung komme für die KMU zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. «Wir leiden sehr unter der Pandemie – und jetzt sollen wir auch noch die Schweizer Banken finanzieren», sagt Tschan.

Tschan bittet Kunden um Barzahlung

Die Baselbieterin spielt damit auf die sogenannte Interchange Fee an. Wordline entschädigt damit nach eigenen Angaben die kartenausgebende Bank für deren Kosten im Kartenmanagement und der Transaktionsverarbeitung. Tschan: «Diese Interchange Fee ist undurchsichtig.»

Tschan befürchtet: «Viele KMU tragen jetzt die Zusatzkosten – wenn sich nichts ändert, werden diese aber auf die Kunden umgewälzt werden müssen.»

Drogist Rütimann bläst ins gleiche Horn. «Wir alle werden die Preise erhöhen müssen», sagt er. Dann werden auch jene Leute mehr bezahlen müssen, die bar einkaufen. Weil man in der Schweiz keine Gebühren für Käufe mit Debitkarten verlangen darf.

Knall beim Gewerbeverband

Unterstützung erhalten die KMU vom obersten Gewerbler des Landes. «Die neuen Debitkarten verzerren den Wettbewerb», sagt Hans-Ulrich Bigler (63) zu Blick. «Die grossen Unternehmen wie Migros oder Coop haben ihre Marktmacht ausgenutzt und vorteilhafte Verträge ausgehandelt. An die kleinen KMU denkt aber niemand», beklagt er.

Tatsächlich haben sich die beiden Detailhandelsriesen bislang nicht öffentlich zu den neuen Debitkarten geäussert. Migros und Coop blocken auf Blick-Anfrage denn auch ab. Beide verweisen an den Verband Elektronischer Zahlungsverkehr (VEZ), der sich für die Anliegen aller Kartenakzeptoren einsetzt.

Auch die Interessen des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) sind bisher vom VEZ vertreten worden. Doch nun verkündete SGV-Chef Bigler den Austritt. «In den vergangenen Monaten hat der SGV vom VEZ nicht die erwartete Unterstützung erhalten. Auf die Gegenreaktion auf die überhöhten Gebühren der neuen Debitkarten wartete man vergeblich.»

VEZ-Chef schiesst zurück

«Der SGV hat vieles falsch verstanden. Jetzt versucht man, die Opferrolle einzunehmen», sagt VEZ-Chef Severin Pflüger (42). Der Verband verurteile scharf, dass die Gebühren für die kleinen Händler gestiegen seien. Aber es gebe auch Profiteure. Kioskbetriebe etwa mit vielen kleinen Verkäufen wie Kaugummis fahren mit dem Prozentsatz besser als mit einem höheren Fixbetrag pro Transaktion.

Er beruhigt zudem: Die Interchange Fee für die Banken gebe es nur in der Einführungsphase. Ab 2023 werde neu verhandelt.

FDP-Nationalrätin will Antworten vom Bundesrat

FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (60) ist aufgebracht. «Weder die KMUs noch die Kunden sind über die neuen Debitkarten richtig informiert worden», sagt sie zu Blick. Der Zeitpunkt der Einführung stört die Waadtländerin besonders: «Es gibt Leute, die diese Pandemie ausnutzen und profitieren wollen.»

De Quattro meint damit Visa und Mastercard. «Sie haben Corona als Gelegenheit für neue Debitkarten genutzt, die sie diskret vertreiben und überhöhte Gebühren verlangen.» Die FDPlerin hat in der Frühlingssession eine Interpellation eingereicht.

Darin schreibt sie: «Diese neue Situation benachteiligt kleine und mittelständische Einzelhandelsunternehmen. […] Dies ist eine weitere Schwierigkeit für KMU, die von den Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 bereits hart getroffen worden sind.» Und weiter: «Zudem hat es den Anschein, dass grosse Einzelhändler wie Coop und Migros günstige Konditionen für diese neuen Debitkarten zum Nachteil der KMUs ausgehandelt haben.»

De Quattro will vom Bundesrat unter anderem wissen, wie er «eine solche Wettbewerbsverzerrung zwischen den Grossverteilern und den KMUs» rechtfertige. Sie hält gegenüber Blick fest: «Wenn ich nicht zufrieden mit den Antworten bin, werde ich einen Vorstoss im Nationalrat einreichen.» Nicola Imfeld

FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (60) ist aufgebracht. «Weder die KMUs noch die Kunden sind über die neuen Debitkarten richtig informiert worden», sagt sie zu Blick. Der Zeitpunkt der Einführung stört die Waadtländerin besonders: «Es gibt Leute, die diese Pandemie ausnutzen und profitieren wollen.»

De Quattro meint damit Visa und Mastercard. «Sie haben Corona als Gelegenheit für neue Debitkarten genutzt, die sie diskret vertreiben und überhöhte Gebühren verlangen.» Die FDPlerin hat in der Frühlingssession eine Interpellation eingereicht.

Darin schreibt sie: «Diese neue Situation benachteiligt kleine und mittelständische Einzelhandelsunternehmen. […] Dies ist eine weitere Schwierigkeit für KMU, die von den Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 bereits hart getroffen worden sind.» Und weiter: «Zudem hat es den Anschein, dass grosse Einzelhändler wie Coop und Migros günstige Konditionen für diese neuen Debitkarten zum Nachteil der KMUs ausgehandelt haben.»

De Quattro will vom Bundesrat unter anderem wissen, wie er «eine solche Wettbewerbsverzerrung zwischen den Grossverteilern und den KMUs» rechtfertige. Sie hält gegenüber Blick fest: «Wenn ich nicht zufrieden mit den Antworten bin, werde ich einen Vorstoss im Nationalrat einreichen.» Nicola Imfeld

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