Bombardier C Series
Foto: AP

Experte zum Triebwerk-Debakel bei den A220-Jets
Spielt die Swiss mit unserer Sicherheit?

Die Beschaffung der modernen Swiss-Jets A220 ist eine lange Leidensgeschichte, gespickt mit Unwegsamkeiten. Die Probleme, so der deutsche Aviatik-Experte Tim van Beveren, waren schon früh bekannt.
Publiziert: 16.10.2019 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2019 um 14:20 Uhr
Sven Zaugg

Das Teil-Grounding der Swiss-Flotte ist die grösste Krise der Vorzeige-Tochter der deutschen Lufthansa, seit sie 2002 aus der Asche der Swissair aus dem Boden gestampft wurde. Eine Bewährungsprobe für den amtierenden Swiss-Chef Thomas Klühr (57)!

Es begann vielversprechend. Bereits 2009 bestellte die Swiss 30 Maschinen des Typs C-Series der Firma Bombardier. Der damalige Chef der Swiss, Harry Hohmeister (55), war voll des Lobes für die Maschinen des kanadischen Herstellers, der dieser Tage vor allem mit dem SBB-Pannenzug für Schlagzeilen sorgt. Tieferer Treibstoffverbrauch, besseres Handling, höherer Komfort für die Passagiere. Die C-Series waren angetreten, die alten Jumbolino-Maschinen abzulösen.

Alles wird besser, oder?

Hohmeister versprach: «2014 heben die ersten Maschinen ab.» Sie blieben am Boden. Grund: Produktionsprobleme beim US-Triebwerkhersteller Pratt & Whitney. Erst im Juli 2016 nahm die Swiss die ersten Maschinen in Betrieb. Dass man als sogenannter «Launching-Customer» – Swiss war die erste Airline, die ihre Flotte mit den neuen Jets modernisierte – auch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen haben würde, wusste die Swiss-Crew ganz genau.

Techniker untersuchen in Kloten die Triebwerke des Airbus A220.
Foto: THOMAS LUETHI
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Als «Launching-Customer» – quasi als Testpiloten –  erzielen die Airlines oft einen Preisvorteil. Gleichwohl blätterte die Swiss über eine Milliarde Franken für 30 brandneue Flieger hin. Was danach folgte, ist eine lange Leidensgeschichte. Und wirft die Frage auf, ob die Swiss beim Kauf der Jets nicht richtig hingeschaut hat. 

Probleme waren bekannt

Es sei augenfällig, sagt der deutsche Aviatik-Experte Tim van Beveren (58), dass es bereits 2015 – noch während der Erprobungsphase der damals als Bombardier CS100 und CS300 bezeichneten Flugzeugtypen – zu einem schweren Triebwerkschaden gekommen sei.

Der von der Swiss eingesetzte Triebwerkstyp PW1500G wurde speziell für die Bombardier-Serie entwickelt. Pikant: Es ist eine Variante des PW1100G, der den Airbus 320 Neo antreibt und ebenfalls – in regelmässigen Abständen – für Probleme sorgt.

«Bei der Swiss trat das Problem bereits 2018 zwei Mal an Airbus-220-Maschinen auf», sagt van Beveren. «Ursache waren Probleme an der Ölzufuhr und Kühlung in den Triebwerken, die zu Triebwerksbränden führen können.» 

Fehlerquelle ausgemacht

Auf dem Flug LX 348 vom 25. Juli 2019 soll es zu einem solchen Brand gekommen sein. Damals musste das Flugzeug, das von Genf nach London unterwegs war, ausserplanmässig in Paris landen. Nach heutigen Erkenntnissen der US-Luftaufsichtsbehörde FAA, deren Aufsicht der Hersteller Pratt & Whitney unterliegt, ist momentan nur die Serie PW 1500G betroffen.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt bestätigt, dass die Swiss alle drei Vorfälle «innert der vorgegebenen Frist» gemeldet hat.

Dem Vernehmen nach ist der Wartungsaufwand in den letzten Monaten für die störanfälligen Maschinen gestiegen. Offenbar wusste man um die Unzulänglichkeiten bei den Triebwerken. Spielt die Swiss also mit unserer Sicherheit? Noch kann diese Frage nicht abschliessend beantwortet werden.

Thomas Frick (60), Leiter Luftbetrieb Swiss, sagt im BLICK-Interview zum jüngsten Vorfall vom 15. Oktober: «Die Untersuchung wird von der amerikanischen Flugsicherheitsbehörde durchgeführt. Das Triebwerk wird sofort unter Verschluss genommen, wir haben nur ein paar optische Anhaltspunkte von aussen, aber das sagt uns nicht sehr viel.»

Zurück zum Absender

Bereits vergangenen Dezember hatte die Swiss mitgeteilt, dass ein «Modifikationsprogramm mit riesigem Aufwand» im Gang sei. Damals, so hiess es, ging es um «vorzeitige Verschleisserscheinungen», die aber laut Herstellerangaben nicht «sicherheitsrelevant» gewesen seien. 

«Hier wurden angeblich alle Triebwerke der Swiss von den Flugzeugen abmontiert, zu Pratt & Whitney verschifft, modifiziert und wieder zurückgeschickt», sagt van Beveren. Offenbar habe das aber nicht den gewünschten Erfolg gebracht, oder es wurden noch nicht alle 58 Triebwerke dieser Modifikation unterzogen, so der Aviatik-Experte. 

Ein Katastrophe blieb bislang aus. «Zum Glück!», sagt van Beveren. Ansonsten müsste sich die Swiss massive Vorwürfe gefallen lassen.

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