Das ist der Mensch Stucki
Ohne Frau Cécile hätte Chrigu die Krone nie geholt

Mit Ausnahme von seiner Frau und seinem Coach haben ihn alle abgeschrieben. Doch nun hat Christian Stucki seiner ungewöhnlichen Karriere die Krone aufgesetzt.
Publiziert: 26.08.2019 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 26.08.2019 um 15:12 Uhr
So hat sich Christian Stucki zum Königstitel geschwungen.
Foto: Sven Thomann
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Marcel W. Perren

Das wars dann wohl! Der grösste Teil der Berner Fans lassen in der Zug Arena nach dem 6. Gang die Köpfe hängen. Ihr Stucki Chrigu hat soeben gegen Armon Orlik den zweiten Gestellten eingefangen. Damit scheint der Lebenstraum des 34-jährigen Riesen aus dem Berner Seeland endgültig zerplatzt, die Krone scheint für den amtierenden Unspunnen-Sieger unerreichbar.

Joel Wicki und Orlik scheinen den Kampf um den Thron unter sich auszumachen. Doch auf der Tribüne der Mutzen gibt es eine Frau, die ausgerechnet in diesem Moment viel Optimismus verströmt – es ist Stuckis Frau Cécile. «Ich weiss nicht warum, aber ich hatte vor dem Kampf gegen Armon das sehr viel schlechtere Gefühl als jetzt. Ich spüre irgendwie, dass für Chrigu hier noch etwas möglich ist».

Sie baut ihren «Chrigu» vor der Mittagspause mit einem kräftigen Muntsch auf. Und rund zwei Stunden später zeigt sich, dass Frau Stucki exakt das Richtige fühlt. Weil Stucki Domenic Schneider besiegt und Orlik gegen den Luzerner Sven Schurtenberger den Sieg verpasst, steht er plötzlich doch noch im Schlussgang.

«Ich habe nicht mehr mit dem Schlussgang gerechnet»
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Schwingerkönig Stucki:«Ich habe nicht mehr mit dem Schlussgang gerechnet»

Jetzt braucht es «nur» noch ein Sieg über Wicki, damit der königliche Traum doch noch in Erfüllung geht. Obwohl Stucki im unentschiedenen fünften Gang gegen diesen Wicki keinen zwingenden Zug zustande gebracht hat, gibt sich seine Herzdame erneut siegessicher: «Chrigu wird den Joel umhauen!»

Der Rest dieser Geschichte ist bekannt – der «Chrigu» haut den 22-Jährigen Innerschweizer tatsächlich nach rund 40 Sekunden um. Den ersten Kuss als König drückt er natürlich nicht der Ehrendame auf die Wange, sondern seiner First Lady auf den Mund.

Der neue Zwilchhosen-Monarch weiss ganz genau, dass er den Thron ohne Cécile nie erobert hätte. Denn: Bevor er die aparte Blondine aus Erlach am Bielersee kennen und lieben lernt, führt das Riesen-Talent ein schlampiges Leben.

Im Sägemehl geht ihm immer wieder die Luft aus. Weil er am liebsten in seiner Stammbeiz Traube 400 Gramm Nudeln mit vier Rahmschnitzeln und Dosenpfirsichen vernascht, wird er immer dicker. Für den Sieg am Kilchberg-Schwinget 2008 reicht es zwar trotzdem, an einer Zwei-Tages-Veranstaltung wie am Eidgenössischen 2010 in Frauenfeld fehlt ihm aber für den ganz grossen Wurf die Substanz.

In Frauenfeld wird aber in Stuckis Leben die Wende zum guten eingeleitet – während sein Berner Kollege Kilian Wenger seinen Königs-Titel feiert, verliebt sich «Chrigu» im Berner Zelt in Cécile.

An ihrer Seite entwickelt sich das schlampige Genie zu einem seriösen Familienvater und Sportler. Er gewöhnt sich das Rauchen ab, isst anstatt fettigen Schnitzeln immer mehr frisches Gemüse und Müsli und beginnt auch immer härter zu trainieren. Resultat: am Eidgenössischen 2013 wird Stucki erst im Schlussgang von Matthias Sempach gestoppt.

Stucki nutzt Zwangspause für hartes Training

Vier Jahre nach Burgdorf lernt Stucki mit dem Athletik-Trainer Tommy Herzog noch einen für ihn sehr richtungsweisenden Menschen kennen. Der zweifache Kranzschwinger und Ex-Schweizermeister im Viererbob macht Stucki nicht nur körperlich noch stärker, er stärkt ihn vor allem im Kopf und lernt ihn, wie man sich richtig auf einen grossen Wettkampf fokussiert. So triumphiert er 2017 am Unspunnen.

Deshalb bleibt Stucki im letzten Frühling auch cool, als er sich am Emmentalischen das Innenband am linken Knie reisst. Er nutzt die Zwangspause im Sägemehl für ein noch härteres Kraft- und Konditions-Training.

Vor der Abreise nach Zug kassiert er aber von seinem Trainer noch einmal einen kräftigen Anschiss. «Bei seinem letzten Belastungs-Test am Berner Kantonalen war Chrigu plötzlich wieder zu lieb. Anstatt sich vor einem Gang zu pushen und zu fokussieren, hat er auf dem Weg zum Ring für Selfies mit Fans angehalten. Die Niederlage gegen Bernhard Kämpf war eine Folge davon. Darum musste ich ihn vor dem Eidgenössischen noch einmal mit deutlichen Worten aufwecken.»

Und dank diesem Weckruf ist Stucki jetzt der älteste König der Schwinggeschichte. Dabei wollte dieser Überschwinger eigentlich Fussballer werden. Aber weil er für seine Schuhgrösse 51 keine passenden Fussball-Latschen gegeben hat, musste er seine Kicker-Karriere mit 14 beenden.

Mensch Stucki, was für eine Geschichte. Sie ist noch nicht zu Ende. Sein grosses Ziel: Pratteln 2022.

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