Die heisse Basel-Connection
Wer zeigte Fifa-Präsident Infantino an?

In der Fussballszene fragt man sich, ob Mark Pieth hinter den Ermittlungen gegen den Fifa-Boss steckt. Viele Spuren führen in seine Heimat.
Publiziert: 16.08.2020 um 17:01 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 17:45 Uhr
Andreas Böni

Die Fifa reagiert sofort und nicht gerade zimperlich. Nachdem SonntagsBlick aufgezeigt hatte, dass für die Dienste von Strafrechtsprofessor Mark Pieth 650 Franken pro Stunde oder 5000 pro Tag fällig wurden und insgesamt 2,5 Millionen flossen, legte der Weltfussballverband mit einem offiziellen Communiqué nach.

Alasdair Bell, der stellvertretende Generalsekretär, sagte: «Obwohl er vorgab, sich für eine transparentere Fifa einzusetzen, scheint Herr Pieth es versäumt zu haben, selbst transparent zu sein, indem er beispielsweise nicht erwähnt hat, wie viele Millionen er und sein Institut von Herrn Blatters Fifa erhalten haben.» Und weiter: «Wenn Herr Pieth und seine Mitarbeiter das nächste Mal öffentlich über die neue Fifa und Gianni Infantino sprechen, könnten sie im Interesse der Transparenz auch darauf hinweisen, wie viel Geld sie mit der alten Fifa verdient haben.»

Blatter hatte Finger im Spiel

Es ist ein Frontalangriff. Die Wut der Fifa auf den Korruptionsexperten ist auch deshalb gross, weil aus den nun entdeckten Rechnungen hervorgeht, dass deren geschasster Ex-Präsident Sepp Blatter unter anderem für Sitzungen zahlte, bei denen die Kandidaten-Liste für vermeintlich unabhängige Kommissionen besprochen wurde.

Mark Pieth (r.) mit Sepp Blatter. Der Strafrechtsprofessor und der Fifa-Präsident diskutierten die Namen für unabhängige Gremien.
Foto: Keystone
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Der «Spiegel» schrieb bereits 2015, dass Blatter Einfluss auf den Abschlussbericht von Pieth genommen habe. «Pieth hatte (...) am 22. April 2014 einen Bericht veröffentlicht, in dem er Blatter als Befürworter der Reformen bezeichnete. Nun zeigt sich: Knapp zwei Monate zuvor, am 27. Februar, hatte Pieth dem Fifa-Chefjuristen Marco Villiger bereits eine 15 Seiten umfassende vorläufige Version seines Reports nach Zürich geschickt. (...) Am 13. März schickte Villiger mit Kenntnis Blatters eine bearbeitete Version mit 37 Anmerkungen an Pieth zurück. Der Fifa-Chefjurist strich dabei zwei längere Passagen ersatzlos. In einer ging es um Blatters Führungsverantwortung während der ISL-Affäre, in einer anderen um seine mögliche Mitwisserschaft in dem Skandal.»

«Der Kopf muss weg»

Gegenüber SonntagsBlick wiegelt Pieth ab: «Dass sich Herr Blatter die Liste angesehen hat, macht die Leute nicht abhängig: Er musste sie im Kongress zur Wahl vorschlagen.»

Im Licht dieser Zusammenhänge ergibt auch die Absetzung der Fifa-Chefkontrolleure Cornel Borbély und Hans-Joachim Eckert 2017 Sinn: Die Fifa vermutete alte Verstrickungen und zu viel Nähe der beiden zu Pieth. Sie wurden durch die Kolumbianerin Claudia Rojas und den Griechen Vassilios Skouris ersetzt.

Pieth: «Aus meiner Sicht wurden die Reformbemühungen ausgehöhlt, weil die professionellen und unabhängigen durch abhängige Personen ersetzt wurden. Im übrigen hat ihre Amtsführung bewiesen, wie unabhängig sie waren: Garcia, Borbely und Eckert haben Blatter und Platini schliesslich gesperrt.»

Allerdings agierten Borbély und Eckert, die vom Fifa-Kongress abgewählt wurden, unter grossem Druck der amerikanischen Justiz. «Sie sagten: Der Kopf muss weg», erzählte Blatter einst.

Pieths siehts anders: «Aus Sicht von Infantino und seinen Kollegen mussten diese Personen ersetzt werden. Nicht, weil sie Freunde von Blatter waren, sondern weil sie ihm gefährlich werden konnten.»

Basler Verschwörung

Doch in der Fussballszene wittert man eine Basler Verschwörung rund um Mark Pieth. So ist dieser gut bekannt mit dem Ex-Basler Polizeikommandanten Markus Mohler. Zusammen schrieben sie Artikel, die unter anderem in der NZZ abgedruckt wurden. Am 12. Mai sagte Mohler der «Aargauer Zeitung»: «Es besteht der dringende Verdacht, dass Herr Infantino die Delikte der Anstiftung zu Amtsmissbrauch, zu Amtsgeheimnisverletzung und zu Begünstigung begangen haben könnte.»

Am Tag darauf ging eine anonyme Strafanzeige gegen Infantino ein, weitere folgten. Es führte nun zu einem Strafverfahren. Ein Zufall? «Herrn Mohler kenne ich von der Uni Basel und von seiner Zeit als Polizeichef von Basel. Ich halte die von ihm publizierte Ansicht für korrekt, dass gegen Lauber, Infantino und Arnold ein Strafverfahren geführt werden müsste. Wer die Anzeigen verfasst hat, weiss ich nicht», sagt Pieth.

«Das ist ein bewusst gestreutes Märchen»

Ein anderer Basler ist Domenico Scala. Pieth hatte ihn als Chefaufseher der Fifa eingesetzt, erzählt: «Scala hat einen Lohn für den neuen Präsidenten errechnet, der ihm nicht gefallen hat.» Damals hiess es, Infantino habe die von Scala errechneten zwei Millionen Franken Lohn abgelehnt.

Infantino bestritt das im SonntagsBlick: «Stimmt nicht. Auch das ist ein bewusst gestreutes Märchen. Die Wahrheit ist, dass ich einzig die Vorgehensweise als beleidigend empfunden habe. Komplett willkürlich. Es gibt bei der Fifa eine Entschädigungskommission. Ich habe erwartet, dass ich mich mit diesen Leuten anhand von Richtlinien und definierten Prozessen über mein Salär unterhalten werde und nicht von Herrn Scala kommentar- und diskussionslos vor vollendete Tatsachen gestellt werde.»

Scala trat nach jenen Streitereien zurück - und sitzt seit 2019 plötzlich im Stiftungsrat von Pieths Institut.

Anzeige von juristisch versierten Menschen

Doch wer hat Infantino wegen der Treffen mit Bundesanwalt Michael Lauber angezeigt? Es ist zu hören, dass die anonymen Anzeigen von juristisch versierten Menschen erstattet wurden. Von Personen, die wussten, dass die Schwelle für ein Strafverfahren in der Schweiz tief sei und welchen Schaden man Infantino mit der Eröffnung eines Strafverfahren zufügen könne.

Interessant ist auch: Die Basler Verstrickungen reichen auch bis in die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft AB-BA. Patrick Gättelin ist juristischer Sekretär der AB-BA, war Mohlers Mitarbeiter und veröffentlichte zusammen mit ihm auch wissenschaftliche Artikel. Die AB-BA wiederum war es, die einen ausserordentlichen Staatsanwalt einsetzte - und der dann ein Strafverfahren gegen Infantino einleitete.

Pieth sagt, er kenne Herrn Gättelin nicht.

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