«Wir haben es bewusst leer stehen lassen»
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Raja Felix über Kurhotel Kulm:«Wir haben es bewusst leer stehen lassen»

Im ehemaligen Kurhotel Kulm residierte einst der Beatles-Yogi
Jetzt holt sich die Natur den Tempel des Gurus

In den 70er- und 80er-Jahren bildete der indische Gelehrte Maharishi Mahesh Yogi auf dem Urner Seelisberg seine «Weltregierung im Zeitalter der Erleuchtung». Nach seiner plötzlichen Abreise 1983 zerfiel der schöne Bau aus der Belle Époque.
Publiziert: 21.09.2021 um 09:47 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2021 um 12:34 Uhr
Myrte Müller

Der glücksverheissende Gott Shiva tanzt nicht mehr über dem Urnersee. Seelisberg ist kein Ort des Friedens mehr. Kein Schiff kreuzt mehr in der Morgendämmerung des Zeitalters der Erleuchtung. Und die Säule auf der Aussichtsterrasse mit dem gusseisernen Globus der «Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung» hat an Glanz verloren.

Das Hotel Kulm in Seelisberg UR ist heute ein verlassener Ort. Zwölf Jahre lang bewohnte der einstige Beatles-Yogi Maharishi Mahesh Yogi (1918–2008) die 100 Quadratmeter grosse Zimmerflucht beim südlichen Eckturm im obersten Stockwerk. Vom Hotel Kulm aus verwalteten rund 100 Anhänger das sogenannte Globale Land des Weltfriedens, sendeten Videos über den Maharishi-Kanal rund um den Erdball und organisierten die Reisen in 108 Länder mit Meditationszentren. Das war in den Jahren 1972 bis 1983. Dank prominenter Anhänger wie den Beatles, Donovan (75), Clint Eastwood (91) und Mia Farrow (76) war der Yogi Ende der 60er-Jahre weltberühmt geworden.

Die Tapeten hängen in Fetzen von den Wänden

Auch der Schweizer Felix Kägi (67) war damals in Seelisberg dabei. «Wir hatten eine tolle Zeit, meditierten und übten das yogische Fliegen», erzählt der treue Schüler. Doch 1983 verlässt der «Grosse Seher» die Schweiz. Maharishi und sein Stab lassen alles stehen und liegen. Das einstige Kurhotel mit Panorama-Blick wird dem Zerfall überlassen.

Die Lage ist exzellent, die Bausubstanz ist es weit weniger. Das Hotel Kulm (vorne) verfällt zusehends. Das prächtige Grandhotel Sonnenberg dahinter ist in einem besseren Zustand. Doch künftige Investoren müssen tief in die Tasche greifen, um die einstigen Nobelherbergen zu sanieren.
Foto: Thomas Meier
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«Maharishi wollte keine Kultstätte hinterlassen», erklärt Raja Felix, heute Leiter der Bewegung für Transzendentale Meditation (TM) in einem Dutzend Länder. Maharishi habe den Bau der Natur zurückgegeben. Und die greift zu. Wilde Ranken nehmen von der Aussenfassade Besitz. Innen wuchert der Schimmelpilz. Die Etagen sind baufällig und zugestellt mit Gerümpel. So mancher Parkettboden wurde herausgerissen und verscherbelt. Die Tapeten hängen teilweise in Fetzen von den Wänden. Durch geborstene Fensterscheiben pfeift der Wind. «Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz», versichert Kägi. Man könne es auch abreissen.

Hotelanlage soll für 27,5 Mio Franken verkauft werden

Anfang der 90er-Jahre wird der Hauptsitz der Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung ins niederländischen Vlodrop verlagert. Seelisberg verliert zunehmend an Bedeutung. Bald scheint das Yogi-Zeitalter in Seelisberg endgültig Geschichte zu sein.

Zwar ist das weit besser erhaltene Hotel Sonnenberg noch immer in Betrieb. Im Prunkbau aus der Gründerzeit der aristokratischen Hotellerie am Vierwaldstättersee werden Meditationskurse und im daneben liegenden Pilgerheim Ayurveda-Behandlungen angeboten. Der Gold-Saal, wo einst der kanonische Meister seine Jünger um sich scharte, wird noch herausgeputzt und die Glocke der Unbesiegbarkeit noch immer geläutet. Doch die Yogis wollen die gesamte Hotelanlage verkaufen. Über 27,5 Millionen Franken sollen die sechs Gebäude auf fünf Hektaren Land kosten. Für den Verkauf ist Raja Felix zuständig.

Schon Hesse, Wagner und Tolstoi waren Gäste auf dem Seelisberg

Der Schweizer kramt Urschweizer Werte hervor. Sein ausgestreckter Zeigefinger schwingt von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. «Hier unten ist die Rütliwiese», sagt Felix Kägi, «dort die Tellsplatte unterhalb der Axenstrasse, wo Wilhelm Tell vom Boot des Landvogts sprang.»

Er erinnert an berühmte Gäste der geschichtsträchtigen Kurhotels wie die Schriftsteller Hermann Hesse (1877–1962) oder Leo Tolstoi (1828–1910) und Komponist Richard Wagner (1813–1883) – und an die Ruhe und Entspannung, die bereits vor 150 Jahren Menschen aus aller Welt nach Seelisberg lockten. Felix Kägi hofft auf finanzkräftige Investoren, auf eine neue touristische Zukunft der Anlage am Seelisberg. Ganz ohne Yogis.


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