Schweizer Ghosthunter machen Jagd auf «Hermann», «Gion» und «Annemarie»
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Ghosthunter im Val Sinestra:Im alten Kurhaus gibt es mehrere Geister

Im ehemaligen Engadiner Kurhaus Val Sinestra soll es spuken, Mystery-Fans jagen nach Beweisen
Von allen guten Geistern besessen

Im ehemaligen Kurhaus Val Sinestra gehen seit Jahrzehnten seltsame Dinge vor. Schuld sei Hausgespenst «Hermann», sagt Hotelbesitzerin Adrienne Kruit (47). Doch Mitglieder des Vereins Ghosthunters Schweiz kamen noch anderen Geistern auf die Spur.
Publiziert: 12.07.2021 um 08:56 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2021 um 20:08 Uhr
Myrte Müller

Der Nebel steht im dunklen Tannenwald. In der steilen Schlucht rauscht milchig grau der Bergbach La Brancla. Nach sechs Kilometer Schotterstrasse sind die Schweizer Geisterjäger am Ziel. Wie eine Festung steht das Hotel Val Sinestra auf dem Felsen. Elf Stockwerke, flankiert von Rund- und Spitzturm. Zimmer, Gänge, die alte Bäderetage, die ehemaligen Waschkeller, der Estrich – alles gilt es in dieser Nacht zu durchforsten. Noch bevölkern keine Touristen an diesem frühsommerlichen Wochenende die 68 Zimmer. Corona verzögert die Saison. Nur eine Handvoll Angestellte ist im Haus – und Geister.

Es seien die Toten aus einer Zeit, in der das Hotel noch ein Kurhaus war, sagt Vereinspräsident Thomas Frei (49). Sieben Mal war das Medium aus Safenwil AG bereits im Val Sinestra. Diesmal führt Frei in einem Kurs über 20 Personen in die Geisterjagd ein. Er habe hier wiederholt Kontakt zu Wesen aus dem Jenseits gehabt, sagt Frei. Ein Mann, eine Frau, ein kleines Mädchen, die nicht zur Ruhe kommen. Sie hätten einst hier gelebt oder seien im alten Kurhaus als Patienten behandelt worden, wie so manch anderer Gepeinigter in Jahren während und zwischen der Weltkriege.

Vor allem jene, die an der Liebesseuche litten, wählten das diskret gelegene Val Sinestra. Das rostrote, arsenhaltige Wasser aus der Ulrichsquelle soll die Syphilis heilen. Auch Schwind- und Bleichsüchtige oder anämische Patienten pilgern in das finstere Unterengadiner Nebental. Nicht immer wirken Wundertrunk und Fangobäder. Nicht jeder schafft den Weg wieder hinaus. Und so treiben einige Tote noch heute im alten Jugendstilhotel ihr Unwesen. Ja, davon sind die Mitglieder des Vereins Ghosthunters Schweiz überzeugt.

Imposant steht das einstige Kurhaus und heutige, besonders bei Holländern beliebte, Ferienhotel auf einem Felsen am Ende des Val Sinestra.
Foto: Thomas Meier
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Die lange Nacht der Geisterjäger

Es ist 22 Uhr. Noch zwei Stunden bis zur Geisterstunde. Thomas Schmidt (48) prüft den Gang im zweiten Stock. Er hält den Gaussmeter für die Referenzmessung an jede Steckdose. Man müsse erst die natürlichen elektromagnetischen Felder des Gebäudes checken, bevor man andere Energien aufspüre. Der studierte Mediziner ist überzeugt: «Der Mensch besteht nicht nur aus Fleisch und Blut. Es gibt auch ein Jenseits.» Das würden Nahtod-Erlebnisse und Koma-Erfahrungen belegen.

Conny Felber (50) aus Ufhusen LU hat in einem Hotelzimmer sich drehende leuchtende Paraskope und sogenannte Rem Pods für die Ortung paranormaler Phänomen ausgelegt. «Die Bewegungsmelder reagieren, wenn sich ein Geist nähert», sagt die Köchin. Industrie-Feuerungstechniker Reto Fenner (51) aus Richterswil ZH schwört auf seine Kameras und ultraviolettes Licht, welche die Gänge überwachen. Sein Fokus liegt auf «Orbs», helle Geisterflecken, die kreisrund in den mit Blitzlicht geschossenem Nachtaufnahmen schweben. Die drei sind «Profis». Sie gehören nicht zum Kurs und waren auch früher schon mal im Val Sinestra.

In Erdgeschoss läuft die Spirit-Box. Zum ersten Mal kommt es in dieser Nacht zur Zwiesprache mit den Geistern. Über Kopfhörer lauschen die angehenden Geisterjäger konzentriert in das sogenannte «weisse Rauschen». «Die Geister haben keine eigene Stimme. Sie können sich aber über das Geräusch einer bestimmten Frequenz mitteilen», erklärt Thomas Frei. Der Aargauer fragt mit leiser Stimme die Geister: «Wie heisst du?» Drei Geisterjäger hören Namen. «Annemarie» taucht auf. Aber auch «Gerome» oder «Guillaume».

Medium erkannte schon vor 20 Jahren den Geist «Guillaume»

Hotelbesitzerin Adrienne Kruit (47) lebt schon lange mit dem Hotelgeist. Er wurde kurz «Hermann» getauft. «Bereits 1978, als mein Ehemann den verlassenen Prunkbau kaufte, passierten komische Dinge», sagt die Niederländerin. «Es gab laute Geräusche, die Schlüssel schaukelten an den Haken, die Fenster standen plötzlich offen!» Das Unheimlichste, was Adrienne Kruit erlebte: «Einmal fiel eine Wanduhr direkt neben mir auf den Boden. Doch der Haken steckte in der Wand.» Der Geist treibe allerlei Schabernack. Angst habe sie aber vor «Hermann» nie gehabt. Vor 20 Jahren besuchte das erste Medium das alte Kurhaus. «Er stellte fest, dass Hermann eigentlich Guillaume hiess und ein belgischer Soldat war, gestorben im Val Sinestra an Tuberkulose vor über 100 Jahren.»

Beim Frühstück am Sonntag nach der sechsstündigen Geisterjagd wird Bilanz gezogen. Kein Bewegungsmelder hat eine fremde Energie geortet. Auch die Kameras nahmen keine Wesen auf. Und komische Geräusche gab es auch keine. Nur Reto Fenner hat viele «Orbs» auf seinen Fotos. Die aber könnten auch von Staubkörnern auf der Linse stammen.

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