Coaches schlagen Alarm – Verbands-Chefin nicht überrascht
Stehen Laienlehrer kurz vor Burnout?

Um aus der Notsituation aufgrund des Lehrermangels herauszukommen, wurden Laien in einen Crashkurs und anschliessend ins Klassenzimmer geschickt. Nach drei Monaten fällt mancherorts auf: Das funktioniert so nicht.
Publiziert: 17.11.2022 um 15:00 Uhr
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Anastasia MamonovaBlattmacherin Digital

Seit drei Monaten werden Zürcher Kinder unter anderem von Laienlehrern unterrichtet. Wegen des Lehrermangels mussten 530 Personen ohne Lehrdiplom einspringen. Für die Neulinge scheint es eine grössere Herausforderung zu sein als gedacht.

Zwei erfahrene Primarlehrerinnen, die seit dem Sommer die Laien in den Beruf einführen, schlagen Alarm. Die Frauen führen im Auftrag von verschiedenen Schulgemeinden Coachings mit nicht qualifizierten Lehrpersonen durch.

Die Bilanz: Viele hätten die Belastung des Lehrberufs unterschätzt. Es droht sogar die Burnout-Gefahr, sagen sie gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Zudem fehle es an Fachkompetenzen. «Diese Personen können das Wissen von drei Jahren Vollzeitausbildung nicht automatisch haben, das ist logisch.»

Wegen akuten Lehrermangels werden die Kinder seit dem Sommer auch von Laien unterrichtet. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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«Überrascht mich nicht»

Werden die Laien zu wenig auf die harte Realität vorbereitet? «Mich überrascht die Aussage der Coaches nicht. Und man kann den Laien gar keinen Vorwurf machen. Sie hatten kein Wissen, welche Belastung sie erwartet», sagt Dagmar Rösler (50), Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), zu Blick.

Es mache sie aber nicht glücklich, zu hören, dass ihnen eine Gefahr des Ausbrennens drohe. «Es zeigt, wie schwierig die Situation ist.» Ob die Aussagen der Coaches repräsentativ seien, könne sie nicht einschätzen.

«Es gibt begabtere und weniger begabtere Personen, die nun als Laien-Lehrpersonen arbeiten. Das hängt auch von der Persönlichkeit ab, nicht alle können mit Belastung und Druck gleich umgehen. Einige müssen nach einiger Zeit aufgeben, anderen gelingt es besser, dank der Unterstützung von erfahrenen Lehrpersonen.»

Doch egal, ob Einzelfälle oder nicht, Rösler sei es wichtig, zu betonen, dass es nicht darum gehe, die Laien schlecht zu machen. «Schulen sind natürlich froh, dass sie in dieser Notsituation einspringen. Ohne Ausbildung vor einer Klasse zu stehen, ist nicht einfach.»

Rösler ist besorgt

Die richtige Ausbildung sei zentral. «Ein Crashkurs kann sie niemals ersetzen. Nach einer Woche weiss man noch nicht, wie man Sachen vorbereiten oder sich in Situationen mit schwierigen Kindern und bei Elterngesprächen verhalten muss.»

Im August sagte Rösler: «Wenn ich erfahren würde, dass meine Tochter zu einer Lehrperson kommt ohne Ausbildung, dann weiss ich nicht, ob ich noch gut schlafen könnte.» Das sei immer noch so. «Ich beobachte die Entwicklung immer noch mit Sorge.»

Die aktuelle Notlösung soll keine Regel werden. «Sonst kann jeder kommen und gehen, wie es ihm passt. Das wäre verheerend für die Qualität an der Schule.»

Die Situation mit den Laien biete aber eine Chance, Leute zu finden, die den Beruf gerne machen und eine Begabung haben. «Denjenigen, die sich bewährt haben, muss man gute Chancen geben, in eine Ausbildung einzusteigen.»

Dafür soll die Ausbildung gestärkt werden. Wie das konkret aussehen soll, erläutert Silvia Steiner (64) am Donnerstag. Die Zürcher Bildungsdirektorin will eine neue Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule für die Notfall-Lehrpersonen vorstellen.

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