Maisfeld-Mörder tötete 1989 in Erlach BE Doris (†10) – nun wird er verwahrt
«Er hat uns die Tochter genommen – das ist unverzeihlich»

Am Winzerfest 1989 in Erlach BE tötete Michael M. das Mädchen Doris (†10) im Maisfeld und schändete sie. Jetzt hat das Obergericht entschieden: Er kommt nicht mehr frei. Die Erleichterung bei Doris' Papa ist gross.
Publiziert: 10.07.2021 um 01:31 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2021 um 11:20 Uhr
Vater Bruno W. erzählt vom schweren Verbrechen an seiner Tochter Doris W. (†10), die 1989 von Sexualstraftäter Michael M. in Erlach erschlagen und geschändet wurde.
Foto: Céline Trachsel
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Céline Trachsel

Doris war ein lebenslustiges Mädchen mit Locken. Sie wurde nur zehn Jahre alt. Am Winzerfest in Erlach BE entführte im Jahr 1989 ein Häftling aus dem Nachbardorf Le Landeron NE das Mädchen während seiner vier Stunden Hafturlaub. Er nahm sie auf dem Gepäckträger seines Velos mit, lockte sie für ein Spiel ins Maisfeld – und erschlug sie mit einem Stein, würgte sie zudem mit ihrem eigenen Pulli. Danach schändete er das leblose Kind.

Heute wäre Doris 42 Jahre alt. Während eines ausführlichen Interviews vor einem Jahr sagte ihr Vater Bruno W.* (72) zu Blick: «Ab und zu überlege ich mir, was Doris aus ihrem Leben gemacht hätte – und ob sie mir und meiner Frau Grosskinder geschenkt hätte.» Die Gefühle kämen bis heute manchmal wieder hoch, wenn auch nicht mehr so heftig wie vor 30 Jahren.

Maisfeld-Mörder von Erlach wird verwahrt
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Gericht sah 1991 von einer Verwahrung ab

Vier Monate nach dem Sexualverbrechen wurde der Täter, der damals 22-jährige Käser Michael M.*, gefasst. Er hatte in der Anstalt St. Johann wegen einer Brandstiftung gesessen – und die Tat seinem Zellengenossen gestanden. Der Kindsmörder musste sich 1991 vor dem Geschworenengericht in Biel BE verantworten. Obwohl schon damals eine Verwahrung gefordert wurde, sprach das Gericht aufgrund des jungen Alters des Täters keine solche aus, sondern eine 16-jährige Zuchthausstrafe.

Vor einem Jahr holte das Regionalgericht Biel dies nach und entschied: Michael M. wird verwahrt. Doch das akzeptierte der heute 53-Jährige nicht und gelangte ans Obergericht. Die Freiheitsstrafe hatte Michael M. vollumfänglich abgesessen. Danach wurde er in eine stationäre Massnahme überführt. Er lebt in der Berner Justizvollzugsanstalt Thorberg.

Das Obergericht bestätigte am Freitag das erstinstanzliche Urteil. Es bleibt bei der Verwahrung. Der Verteidiger von Michael M. hatte geltend gemacht, dass er in der Therapie Fortschritte erzielt habe und nicht rückfallgefährdet sei. Auch treffe es nicht zu, dass er pädophil sei. Das sei eine Fehldiagnose. Sein Verteidiger hatte die bedingte Entlassung verlangt.

Nach wie vor sehr hohe Rückfallgefahr für Gewalt- und Sexualdelikte

Die Staatsanwaltschaft hatte entgegnet, es führe kein Weg an der nachträglichen Verwahrung vorbei. So sah es auch das Obergericht und stützte sich dabei auf ein psychiatrisches Gutachten. Dieses kam zum Schluss, dass der Mann austherapiert sei. Nach wie vor bestehe eine sehr hohe Rückfallgefahr für Gewalt- und Sexualdelikte.

Bis vor wenigen Jahren habe der Mann anerkannt, dass er pädophil sei, stellte das Obergericht in der Beschlusseröffnung vom Freitag fest. Er habe in der Therapie mitgearbeitet und bescheidene Teilerfolge erzielt. Geändert habe das ungefähr 2014. Seither negiere er seine Pädophilie und seine schwere Persönlichkeitsstörung. In der Therapie habe er nicht mehr richtig mitgearbeitet.

Der 53-Jährige nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis. Ihm bleibt höchstens noch ein Weiterzug ans Bundesgericht.

Papa von Doris: «Wünsche keiner anderen Familie, so was durchmachen zu müssen»

Erleichtert über den Entscheid des Obergerichts ist Doris' Vater Bruno W. Er sagt zu Blick: «Ich bin froh darüber. Aber alles andere wäre auch unerklärlich gewesen! Er hat uns unsere Tochter genommen – und das ist unverzeihlich.» Man wisse nie, ob er nochmals zugeschlagen hätte, wenn man ihn freigelassen hätte. «Das gab es in anderen Fällen ja auch schon. Und ich wünsche keiner anderen Familie, so was durchmachen zu müssen.»

Doris' Eltern hatten weder den letztjährigen Prozess am Regionalgericht in Biel noch den aktuellen am Obergericht in Bern besucht: Denn sie mögen sich nicht mit dem Täter befassen. Sie erfahren aus der Presse von den Urteilen – das reicht ihnen.

Getroffen hat Bruno W. den Täter nur ein Mal in seinem Leben: am Prozess im Jahr 1991 in Biel. «Es war komisch, ihn zu sehen. Ein kurioser Typ, der wirre Aussagen machte und jämmerlich wirkte. Und wie ich erfahren habe, hat sich das bis heute nicht geändert.»

* Namen bekannt

Der Fall Doris W. (†10)

Die Bernerin Doris W.* (†10) hatte am 24. September 1989 mit ihrer kleinen Schwester (damals 7) das Winzerfest in Erlach BE besucht. Ihre Eltern hatten einen Wohnwagen auf dem Campingplatz «Westside» in Erlach stationiert. Doch Doris W. kehrte vom Fest nie zurück.

Über 600 Einsatzkräfte suchten wochenlang nach der 4.-Klässlerin. Hubschrauber überflogen die Felder, der See wurde abgesucht, das Stauwehr in Hagneck untersucht, Wälder durchkämmt, Scheunentore geöffnet. Auch «Aktenzeichen XY» berichtete über den Fall. Man ging von einem Verbrechen aus.

Drei Wochen später entdeckte ein Mähdrescher-Fahrer die halbnackte Leiche des Kindes im Maisfeld. Nur zweihundert Meter neben dem Wohnwagen der Eltern! Doris W. wurde mit ihrem eigenen Pulli gewürgt, mit einem Stein erschlagen und ihre Leiche geschändet.

Der Täter wurde vier Monate später von der Polizei überführt. Er hatte den Mord an Doris W. während eines vierstündigen Hafturlaubes begangen. Der damals 22-Jährige hatte in der unweit gelegenen Strafanstalt St. Johannsen eingesessen – wegen einer Brandstiftung. Er war zudem vorbestraft, weil er eine 19-Jährige vergewaltigen wollte und weil er sich kleinen Mädchen unzüchtig angenähert hatte.

Die Bernerin Doris W.* (†10) hatte am 24. September 1989 mit ihrer kleinen Schwester (damals 7) das Winzerfest in Erlach BE besucht. Ihre Eltern hatten einen Wohnwagen auf dem Campingplatz «Westside» in Erlach stationiert. Doch Doris W. kehrte vom Fest nie zurück.

Über 600 Einsatzkräfte suchten wochenlang nach der 4.-Klässlerin. Hubschrauber überflogen die Felder, der See wurde abgesucht, das Stauwehr in Hagneck untersucht, Wälder durchkämmt, Scheunentore geöffnet. Auch «Aktenzeichen XY» berichtete über den Fall. Man ging von einem Verbrechen aus.

Drei Wochen später entdeckte ein Mähdrescher-Fahrer die halbnackte Leiche des Kindes im Maisfeld. Nur zweihundert Meter neben dem Wohnwagen der Eltern! Doris W. wurde mit ihrem eigenen Pulli gewürgt, mit einem Stein erschlagen und ihre Leiche geschändet.

Der Täter wurde vier Monate später von der Polizei überführt. Er hatte den Mord an Doris W. während eines vierstündigen Hafturlaubes begangen. Der damals 22-Jährige hatte in der unweit gelegenen Strafanstalt St. Johannsen eingesessen – wegen einer Brandstiftung. Er war zudem vorbestraft, weil er eine 19-Jährige vergewaltigen wollte und weil er sich kleinen Mädchen unzüchtig angenähert hatte.

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