Maisfeld-Mörder von Erlach wird verwahrt
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Das Urteil steht fest:Maisfeld-Mörder von Erlach wird verwahrt

Mörder von Maisfeld wird verwahrt – eine späte Genugtuung für den Vater von Doris W. (†10)
«Keine Familie sollte so etwas durchmachen müssen»

Vor 30 Jahren entführte und erschlug Triebtäter Michael M. (52) in Erlach BE die kleine Doris W. (†10). Jetzt wird der Täter verwahrt. Bruno W. (71), der Vater des Mädchens, spricht mit BLICK über den Mörder seiner Tochter und über den schmerzlichen Verlust.
Publiziert: 12.02.2020 um 20:45 Uhr
Vater Bruno W. erzählt vom schweren Verbrechen an seiner Tochter Doris W. (†10), die 1989 von Sexualstraftäter Michael M. in Erlach erschlagen und geschändet wurde.
Foto: Céline Trachsel
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Céline Trachsel

Bei Bruno W.* (71) kommt alles wieder hoch, und ab und zu vergiesst er auch einige Tränen: «Es tut immer wieder weh, wenn man daran denkt.»

Der Rentner ist der Vater der kleinen Doris W.* (†10), die 1989 in Erlach BE von Sexualstraftäter Michael M.* (52) entführt, erschlagen und geschändet worden ist. Zusammen mit seiner Frau verfolgt er im BLICK die Berichterstattung über den Prozess um den als rückfallgefährdet eingestuften Täter. Der Mörder ihrer Tochter wird jetzt endlich verwahrt.

«Ich bin sehr zufrieden, dass er verwahrt wird», sagt W. und fügt an: «Es ist eine Genugtuung. Sonst hätte er vielleicht wieder zugeschlagen. Es ist wichtig, dass nichts anderes mehr passiert. Denn keine andere Familie soll durchmachen müssen, was wir durchgemacht haben.» Er hadert damit, dass der Täter jahrzehntelang ohne nennenswerte Fortschritte therapiert wurde: «Das kostet einen Haufen Geld, und gebracht hat es am Schluss nichts.»

«Das entschuldigt nicht den Mord an unserem kleinen Mädchen»

Die Gefühle gegenüber dem Täter kann Bruno W. kaum in Worte fassen. «Wut trifft es vielleicht am besten. Das hat sich in all den Jahren nicht verändert. Klar hat er diese Veranlagung, für die er nichts kann, zudem hatte er eine schwierige Kindheit – aber das entschuldigt den Mord an unserem kleinen Mädchen noch lange nicht.»

Getroffen hat Bruno W. den Täter nur ein Mal in seinem Leben: am Prozess im Jahr 1991 in Biel BE. «Es war komisch, ihn zu sehen. Ein kurioser Typ, der wirre Aussagen machte und jämmerlich wirkte. Und wie ich erfahren habe, hat sich das bis heute nicht verändert.»

Den jetzigen Prozess in Biel mochten die Eltern von Doris W. aber nicht besuchen. «Das war für uns nie ein Thema. Wir erfahren aus der Presse davon, das reicht.» Mit dem Täter habe sich Bruno W. ohnehin nie gross beschäftigt. «Ganz bewusst nicht, denn er war es mir nicht wert.»

«Es waren ausgefüllte zehn Jahre»

Lieber denkt er an seine Tochter, die heute 40 Jahre alt wäre. «Sie war so ein fröhliches, unternehmungslustiges und offenes Mädchen.» Sie hätten viel gemeinsam unternommen, seien in den Bergen Ski gefahren und haben viele Campingferien gemacht. «Die zehn Jahre, die Doris hatte, waren sehr schöne, ausgefüllte, erlebnisreiche Jahre.»

Ab und zu überlege sich Bruno W., was Doris aus ihrem Leben gemacht hätte – und ob sie ihnen Grosskinder geschenkt hätte. Enkel hat das Ehepaar W. heute dennoch, es sind die Kinder von Doris' kleiner Schwester. «Sie sind heute im gleichen Alter wie Doris damals. Wir hüten sie regelmässig, geniessen die Zeit mit ihnen. Das hat uns ganz klar geholfen, über die Erlebnisse hinwegzukommen.»

«Die riesige Anteilnahme hat uns Trost gespendet»

An die Zeit vor 30 Jahren kann sich Bruno W. noch sehr klar erinnern. «In den drei Wochen, in denen Doris vermisst war, haben wir die Hoffnung nie aufgegeben, dass es doch noch irgendwie gut kommt. Wir haben ja alle möglichen Geschichten gehört von Leuten, die Doris noch irgendwo gesehen haben wollen.» Die traurige Nachricht vom Fund der Leiche im Maisfeld überbrachte ihm damals die Polizei. «Sie kamen zu mir ins Geschäft. Das war einerseits ein Schock, andererseits auch eine Erleichterung, weil wir so wenigstens ein Begräbnis machen konnten.»

Seiner Frau gehe es deutlich schlechter, wenn sie an die Tat denke. «Der Tathergang war ja unglaublich brutal. Und das Ganze passierte so nah von unserem Wohnwagen in Erlach. Für meine Frau ist es sehr schwierig, daran zu denken.» Bei der Trauerarbeit habe dem Ehepaar vor allem das Umfeld geholfen. «Die guten Gespräche mit Freunden und Familie waren Gold wert. Meine Arbeits- und Vereinskollegen und unsere Familien sind uns beigestanden, auch meine Frau und ich gaben uns gegenseitig Halt.» Nach der Tat erhielt das Ehepaar aus der ganzen Schweiz Briefe. «Die riesige Anteilnahme hat uns zusätzlich Trost gespendet.»

«Das Leben musste weitergehen»

Nach dem traurigen Verlust haben die Eltern von Doris sich vor allem auf die kleinere Schwester konzentriert. «Das Leben musste ja weitergehen, und wir wollten, dass es wenigstens der Kleinen so gut wie möglich geht.» Nach wenigen Wochen ging Bruno W. auch wieder zur Arbeit.

Dennoch: Bis heute beschäftigt die schreckliche Tat die ganze Familie. «Doris wird immer ein Teil von uns bleiben. Wenn wir zusammenkommen, sprechen wir manchmal darüber. Sogar die Grosskinder beschäftigen sich damit», sagt der Vater. Immerhin: «Wenn die Gefühle hochkommen, sind sie längst nicht mehr so heftig wie damals.» Wenn Bruno W. zum Wohnwagen in Erlach geht, der nach wie vor dort stationiert ist, fährt er am Tatort vorbei. «Aber ich denke nicht mehr jedes Mal daran. Wir haben wieder ins Leben zurückgefunden.»

* Namen bekannt

Der Fall Doris W. (†10)

Die Bernerin Doris W.* (†10) hatte am 24. September 1989 mit ihrer kleinen Schwester (damals 7) das Winzerfest in Erlach BE besucht. Ihre Eltern hatten einen Wohnwagen auf dem Campingplatz «Westside» in Erlach stationiert. Doch Doris W. kehrte vom Fest nie zurück.

Über 600 Einsatzkräfte suchten wochenlang nach der 4.-Klässlerin. Hubschrauber überflogen die Felder, der See wurde abgesucht, das Stauwehr in Hagneck untersucht, Wälder durchkämmt, Scheunentore geöffnet. Auch «Aktenzeichen XY» berichtete über den Fall. Man ging von einem Verbrechen aus.

Drei Wochen später entdeckte ein Mähdrescher-Fahrer die halbnackte Leiche des Kindes im Maisfeld. Nur zweihundert Meter neben dem Wohnwagen der Eltern! Doris W. wurde mit ihrem eigenen Pulli gewürgt, mit einem Stein erschlagen und ihre Leiche geschändet.

Der Täter wurde vier Monate später von der Polizei überführt. Er hatte den Mord an Doris W. während eines vierstündigen Hafturlaubes begangen. Der damals 22-Jährige hatte in der unweit gelegenen Strafanstalt St. Johannsen eingesessen – wegen einer Brandstiftung. Er war zudem vorbestraft, weil er eine 19-Jährige vergewaltigen wollte und weil er sich kleinen Mädchen unzüchtig angenähert hatte.

Die Bernerin Doris W.* (†10) hatte am 24. September 1989 mit ihrer kleinen Schwester (damals 7) das Winzerfest in Erlach BE besucht. Ihre Eltern hatten einen Wohnwagen auf dem Campingplatz «Westside» in Erlach stationiert. Doch Doris W. kehrte vom Fest nie zurück.

Über 600 Einsatzkräfte suchten wochenlang nach der 4.-Klässlerin. Hubschrauber überflogen die Felder, der See wurde abgesucht, das Stauwehr in Hagneck untersucht, Wälder durchkämmt, Scheunentore geöffnet. Auch «Aktenzeichen XY» berichtete über den Fall. Man ging von einem Verbrechen aus.

Drei Wochen später entdeckte ein Mähdrescher-Fahrer die halbnackte Leiche des Kindes im Maisfeld. Nur zweihundert Meter neben dem Wohnwagen der Eltern! Doris W. wurde mit ihrem eigenen Pulli gewürgt, mit einem Stein erschlagen und ihre Leiche geschändet.

Der Täter wurde vier Monate später von der Polizei überführt. Er hatte den Mord an Doris W. während eines vierstündigen Hafturlaubes begangen. Der damals 22-Jährige hatte in der unweit gelegenen Strafanstalt St. Johannsen eingesessen – wegen einer Brandstiftung. Er war zudem vorbestraft, weil er eine 19-Jährige vergewaltigen wollte und weil er sich kleinen Mädchen unzüchtig angenähert hatte.

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