125 Jahre Zionistenkongress
«In Basel habe ich den Judenstaat gegründet»

Im Basler Stadtcasino wird gefeiert: Vor 125 Jahren lud Theodor Herzl Juden aus aller Welt zum ersten Zionistenkongress. Der Anlass gilt als geistige Geburtsstunde Israels.
Publiziert: 28.08.2022 um 13:43 Uhr
Peter Aeschlimann

Wer heute die Knesset besucht, das israelische Parlament, dem fällt das Bild eines bärtigen Mannes auf, das an der Wand über den Rednerpulten hängt. Es zeigt den Schriftsteller und Publizisten Theodor Herzl (1860–1904). Jenen Mann also, von dem der berühmte Satz stammt: «In Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in 50 wird es jeder einsehen.»

In sein Tagebuch schrieb Herzl diese Zeilen am Abend nach dem ersten Zionistenkongress, der vor genau 125 Jahren im Basler Stadtcasino stattgefunden hat. Für die Feierlichkeiten am historischen Schauplatz, der für Israelis und viele Jüdinnen und Juden weltweit heute eine ähnliche Bedeutung hat wie für manchen Schweizer das Rütli, sind über 1000 Gäste angekündigt, darunter Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog (61) und Bundesrat Guy Parmelin (62).

Herzl glaubte am Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr daran, dass der in Europa und weiten Teilen der Welt grassierende Hass auf die Juden bald verschwinden würde. In Paris wurde der gebürtige Ungar Zeuge antisemitischer Ungeheuerlichkeiten, als dem jüdisch-französischen Hauptmann Alfred Dreyfus der Prozess wegen Landesverrats gemacht wurde. Eine Intrige, die Frankreich in eine Krise stürzte und die Gleichberechtigung der Juden Frankreichs gefährdete. Herzl teilte die Ansichten des Arztes und Journalisten Leon Pinsker, der in seinem Buch «Autoemanzipation» konstatierte: «Die Judophobie ist eine Psychose. Und als eine seit 2000 Jahren vererbte Krankheit ist sie unheilbar.»

Der erste Zionistenkongress fand vom 29. bis 31. August 1897 im Stadtcasino Basel statt. Eingeladen hatte der Schriftsteller und Publizist Theodor Herzl.
Foto: Universal Images Group via Getty Images
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Zürich fiel aus dem Rennen

Seine Gedanken hielt Herzl in der Schrift «Der Judenstaat» fest, die zum Bestseller wurde. Bei einem Zusammentreffen mit seinen neuen Anhängern sollte kurz darauf darüber diskutiert werden, wie eine «moderne Lösung der Judenfrage» aussehen könnte. Herzl war überzeugt, dass sich die Situation der Juden nur dann verbessern würde, wenn eine sichere Heimstätte gefunden werden konnte. Die ursprüngliche Idee, den Zionistenkongress in München über die Bühne gehen zu lassen, scheiterte. Die dortigen Rabbiner lehnten das Ansinnen ab. Man verstand sich als deutsche Patrioten mosaischen Glaubens und fürchtete eine Gefährdung der Assimilation.

Zürich fiel aus dem Rennen, weil dort der damalige russische Geheimdienst «Ochrana» aktiv war und Herzl die Delegierten aus dem Zarenreich nicht gefährden wollte. Also fiel der Entscheid auf Basel. Die Stadt war geradezu ideal: nicht zu gross, aber auch nicht zu klein und für alle Teilnehmer bestens mit der Eisenbahn erreichbar. Dazu gab es dort koschere Restaurants – wenn auch nicht gerade die besten. In seinem Tagebuch schrieb Herzl: «Man isst hier recht schlecht.»

So klein die zionistische Bewegung damals auch war, von Basels Behörden und dem örtlichen Rabbiner Arthur Cohn wurde sie gerne empfangen. Die Regierung schlug für den Kongress zunächst das heutige Volkshaus und dann die Bayrische Bierhalle vor. Herzl, der viel Wert auf einen Ort mit würdiger Ausstrahlung legte, lehnte ab. Er wollte nicht, dass die Leute den Zionismus als eine «Bieridee» diskreditierten. Schliesslich einigte man sich auf das Stadtcasino. Dieses besass die Aura eines Parlaments und war ganz nach Herzls Geschmack.

Am ersten Zionistenkongress wurde im sogenannten Baseler Programm die Idee formuliert, eine sichere Heimstätte für Juden in Palästina zu schaffen, kurz: den Staat Israel zu gründen. Auf den ersten Kongress folgten viele weitere, neun davon wurden ebenfalls in Basel ausgetragen, ehe David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 im Saal des Kunstmuseums von Tel Aviv die israelische Unabhängigkeitserklärung verlas. In jener Stadt also, deren Name von einem Roman Herzls inspiriert ist (das Buch «Tel Aviv» erschien im Jahr 1902) und in der bis heute Strassen, Hotels und Cafés nach der Schweizer Stadt am Rheinknie benannt sind.

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