VR-Präsident Christian Levrat (51) präsentiert 457 Millionen Franken Gewinn und verspricht:
«Die Post ist heute sauber»

Post-Präsident Christian Levrat (51) äussert sich zum Wechsel von der Politik zum gelben Riesen. Er fühlt sich beim Staatsbetrieb wohl und dankt den Mitarbeitenden.
Publiziert: 11.03.2022 um 00:03 Uhr
«Die Post ist heute sauber», sagt der neue Postpräsident Christian Levrat im Interview mit Blick.
Foto: keystone-sda.ch
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Interview: Pascal Tischhauser

Blick: Herr Levrat, Sie waren SP-Chef, Ständerat und galten als einflussreicher Politiker. Jetzt haben wir Krieg vor der Türe. Flüchtlinge kommen zu uns, und Sie müssen heute über Ebit, Paketmengen und Digitalisierung reden. Was ist schiefgelaufen?

Christian Levrat: Nichts. Als Post-Präsident bin ich meiner Überzeugung treu geblieben, dass die Qualität unserer öffentlichen Infrastruktur zentral ist für den Wohlstand und den Zusammenhalt unseres Landes. Die Post ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und ein Teil der Stabilität der Schweiz, wir tun ganz konkret etwas für die Menschen in der Schweiz.

Aber Sie haben doch Ämter innegehabt, bei denen Sie die Weichen für die Schweiz stellten. Das ist vorbei. Wie gehen Sie mit dieser Veränderung um?

Das ist nicht so schwierig. Die Post ist ein faszinierendes Unternehmen, und ich bin dankbar, dabei zu sein. Ich habe ein Unternehmen angetroffen, in dem es unglaublich motivierte Leute gibt, die in den letzten zwei Jahren unter schwierigsten Umständen ihre Leistung gebracht haben. Das macht mich stolz. Bei der Post zu arbeiten, gehört zu den sinnvollsten Aufgaben, die ich mir vorstellen kann. Es ist die Fortführung meines Engagements für unser Land in einer anderen Form.

Aber wenn so etwas Ausserordentliches passiert wie der Angriff auf die Ukraine oder damals das Unglück in Fukushima, wäre man dann nicht wieder gerne dabei?

Mir geht es so wie wohl allen. Ich bin menschlich tief betroffen von den dramatischen Ereignissen in der Ukraine. Das war bis vor kurzem doch undenkbar. Gleichzeitig bin ich berührt von der Solidarität, die sich in der Schweiz zeigt. Doch gerade in dieser Situation ist es wichtig, auf Institutionen wie die Post vertrauen zu können. Und zwar nicht nur jetzt, sondern auch noch morgen. Und dafür müssen wir uns alle weiterentwickeln. Nur so kann die Schweiz auch künftig ukrainischen Flüchtlingen ein stabiles Umfeld bieten.

Das Ergebnis der Post war im vergangenen Jahr höchst erfreulich. Wie hat man fast eine halbe Milliarde Gewinn schreiben können?

Das ist eine unglaublich starke Leistung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Post. Ich bedanke mich bei allen. Hier zeigen sich die Früchte davon, dass wir uns auf unsere Stärken konzentrieren. Aber die Herausforderungen bleiben: Die Briefpost nimmt genauso weiter ab wie die Kundenfrequenzen am Postschalter.

Laut den Experten um alt Ständerätin Christine Egerszegi sollte die Post deshalb Leistungen abbauen.

Anders als die Experten vorgeschlagen haben, halten wir an der Zeitungszustellung und an der A-Post fest. Aber die Experten haben die richtigen Fragen gestellt und erkannt, wie wichtig die Digitalisierung ist. Und dass es zentral ist, dass wir heute darüber reden, welche Grundversorgung wir nach 2030 wollen.

Dann hat Postministerin Simonetta Sommaruga die Experten nur angestellt, um ein Schreckensszenario an die Wand zu malen, damit die Politik aufwacht?

Nein, denn eben: Die Experten sind die richtigen Fragen angegangen. Sie haben auch erkannt, wie wichtig der Zahlungsverkehr ist. Dieser trägt einen beträchtlichen Teil der Kosten des Post-Netzes. Der Zahlungsverkehr hilft mit, damit wir an den 800 eigenbetriebenen Post-Filialen festhalten können.

Sie wollen auch andere Firmen in die Filialen holen. Wie sind hier die Erfahrungen?

Noch ist es schwierig, etwas zu den Erfahrungen zu sagen, da der Bundesrat angeordnet hat, dass wir sämtliche Unternehmen einer Branche gleich behandeln sollen. So mussten wir Tausende Firmen anschreiben. Aber beispielsweise läuft im Jura ein Projekt mit dem Kanton sehr gut. Hier können sich Leute in der Postfiliale melden, die Schwierigkeiten im Umgang mit den Onlinediensten der Behörden haben. Unsere Mitarbeitenden unterstützen sie.

Sie haben sich als grosser Anhänger der Strategie «Post von morgen» geoutet. Was ist denn das Überzeugende daran?

Es gibt für uns nur zwei Alternativen: Einerseits das Schrumpfszenario – wir schauen zu, wie der Briefmarkt und die Kunden am Schalter abnehmen und die Postfinance in Schwierigkeiten gerät. Oder aber wir sagen uns, dass die Post auch in Zukunft relevante Dienstleistungen erbringen muss, weil die Wirtschaft diese braucht. Also stellen wir uns so auf, dass wir der Coiffeuse das Geschäftsleben erleichtern, damit sie mehr Zeit hat, um Haare zu schneiden. Wir wollen aber nur dort aktiv sein und zukaufen, wo es zu unserem Kerngeschäft gehört. Also beispielsweise in der Logistik und dem Transportieren oder Aufbewahren von digitalen Informationen.

Und wie passt da der Kauf des Werbevermarkters Livesystems hier rein? Erst zahlte die Firma viel zu viel Geld, um auf den Bildschirmen in der Post und in den Postautos werben zu können – und dann haben Sie die Firma geschluckt.

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Der Zuschlag für Livesystems für ihre Aufträge und der Kauf der Firma sind völlig getrennt abgelaufen, das hatte nichts miteinander zu tun. Wir verbreiten schon lange physische Werbung. Jetzt wollen die Kunden auch noch digital werben können. Also ist der Kauf für mich eine logische Weiterentwicklung.

Sie haben also keine Angst, dass Ihnen Livesystems auf die Füsse fällt?

Ich bin hier relaxt. Schaut man sich unsere Zukäufe an, sind diese direkt an unser heutiges Geschäft geknüpft und deshalb wichtige und richtige Schritte in die Zukunft.

Wagen wir noch einen Blick auf die Vergangenheit: Der Millionen-Bschiss bei Postauto kostete über 200 Millionen Franken. Wo steht seine Aufarbeitung?

Das ist eine total frustrierende Angelegenheit! Das Verfahren läuft seit zwei Jahren. Zwischendrin musste ja wieder bei null begonnen werden. Post-intern haben wir die Konsequenzen gezogen und sauber aufgearbeitet. Ich hoffe, dass die Angelegenheit bald auch juristisch zu einem Ende kommt.

Hand aufs Herz: Ist die Post heute ein sauberes Unternehmen?

Ja, die Post ist heute sauber. Ich bin überzeugt, dass wir so eine Situation bei der Post nie mehr erleben werden. Apropos sauber: Wo wir noch viel vor uns haben, ist bei der Nachhaltigkeit. Im Vergleich zu anderen Unternehmen sind wir zwar beispielhaft. Aber auch die Post hat hier noch viel zu tun.

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