Verband prüft Klage bei Wettbewerbshütern, weil der Staatsbetrieb Firma um Firma kauft
Dicke Post für die Post!

Die Post kauft Firma um Firma, um neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Private hätten das Nachsehen, klagen Konkurrenten. Zudem missbrauche der Staatsbetrieb seine Marktmacht, so ein Vorwurf. Und der Kauf von Livesystems wirft noch weitere Fragen auf.
Publiziert: 19.01.2022 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2022 um 07:07 Uhr
Pascal Tischhauser

Wer im Internet Ölivenöl nachbestellen oder wieder einmal Handdesinfektionsmittel ordern will, kennt das Problem: Wie lautet das Passwort des Online-Kundenkontos schon wieder? Auf gut Glück werden dann sämtliche Konstellationen durchprobiert, an die man sich noch erinnert. Dem Passwort-Wirrwarr will die Post mit der Schaffung einer elektronischen Identität ein Ende setzen. Dazu hat sie die SwissSign Group übernommen.

Mit dem Transport von Briefen und Paketen hat das wenig zu tun. Doch die SwissSign Group ist kein Einzelfall. Die Post kauft reihenweise Firmen, die nichts mit ihrem gesetzlichen Auftrag zu tun haben. Mit Livesystems etwa hat der gelbe Riese jene Firma gekauft, die für die Bildschirme in den Postautos verantwortlich ist. Auch im Gesundheitsbereich und im Umgang mit Behörden will sie Dienstleistungen erbringen. Und selbst bei der Buchhaltung für KMU hilft die Post.

Nur: Es bestehen grosse Zweifel, dass das Vordringen in neue Geschäftsfelder dem Staatsbetrieb überhaupt erlaubt ist. So muss sich die Post von immer mehr Seiten mit Beschwerden herumschlagen. Wie CH Media berichtete, hat etwa der Software-Hersteller Abacus bei der Aufsichtsbehörde Postcom Beschwerde eingereicht, weil sich die Post die Abacus-Konkurrentin Klara Business einverleibt hat, die Software-Anwendungen für KMU anbietet. Abacus stützt sich auf ein Gutachten, laut dem der Post für den Klara-Kauf die Rechtsgrundlage fehlt.

Unter Chef Roberto Cirillo dringt der Staatsbetrieb in neue Geschäftsfelder ein.
Foto: Keystone
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Die Post ist nicht alleine

Nicht nur die Post stösst mit viel Geld in neue Bereiche vor. Auch Energieunternehmen wie die Berner BKW und die Zentralschweizer CKW stehen wegen ihrer Shoppingtouren in der Kritik.

Während die BKW mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus postet und auch Bahntechnik- und IT-Firmen kauft, begnügt sich die CKW derweil noch mit Elektrofirmen, wie die «Aargauer Zeitung» berichtete. Doch ob es dabei bleibt? Auch die BKW hatte sich anfangs auf Firmen aus dem Gebäudetechnik-Sektor fokussiert – und sich laut Medienberichten über 100 Stück einverleibt.

Die Kritik der privaten Konkurrenz ist dabei immer ähnlich: Staatlich dominierte Firmen, die über einen Monopol-Bereich verfügen, kaufen zuhauf Unternehmen auf. Meist wird den Staatsbetrieben vorgeworfen, die Mittel dazu stammten nicht aus den Geschäftsbereichen, in denen man im Wettbewerb steht. Sondern die Zukäufe seien quersubventioniert aus den Monopolbereichen. Privatfirmen ohne Monopol seien am kürzeren Hebel.

Die staatlich beherrschten Betriebe bestreiten dies.

Nicht nur die Post stösst mit viel Geld in neue Bereiche vor. Auch Energieunternehmen wie die Berner BKW und die Zentralschweizer CKW stehen wegen ihrer Shoppingtouren in der Kritik.

Während die BKW mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus postet und auch Bahntechnik- und IT-Firmen kauft, begnügt sich die CKW derweil noch mit Elektrofirmen, wie die «Aargauer Zeitung» berichtete. Doch ob es dabei bleibt? Auch die BKW hatte sich anfangs auf Firmen aus dem Gebäudetechnik-Sektor fokussiert – und sich laut Medienberichten über 100 Stück einverleibt.

Die Kritik der privaten Konkurrenz ist dabei immer ähnlich: Staatlich dominierte Firmen, die über einen Monopol-Bereich verfügen, kaufen zuhauf Unternehmen auf. Meist wird den Staatsbetrieben vorgeworfen, die Mittel dazu stammten nicht aus den Geschäftsbereichen, in denen man im Wettbewerb steht. Sondern die Zukäufe seien quersubventioniert aus den Monopolbereichen. Privatfirmen ohne Monopol seien am kürzeren Hebel.

Die staatlich beherrschten Betriebe bestreiten dies.

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Und wie die Tamedia-Zeitungen berichteten, hat auch die Aussenwerbefirma Clear Channel zusammen mit dem Verband Aussenwerbung Schweiz eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Hier geht es um den Kauf der Werbevermarkterin Livesystems. Auch hier besteht der Verdacht, dass die Post mehr macht, als ihr das Recht zugesteht.

Vorwurf: «Machtmissbrauch»

Damit nicht genug, wie Clear-Channel-Chef Christoph Marty (53) gegenüber Blick ankündigt: «Derzeit bereitet der Verband Aussenwerbung Schweiz eine Klage bei der Wettbewerbskommission (Weko) gegen die Post vor.» Verbands-Vize Marty begründet dies damit, dass man Anzeichen sehe dafür, «dass der Staatskonzern seine Marktmacht dazu missbrauchen könnte, bei der häufig von der öffentlichen Hand vermieteten Werbefläche unrechtmässige Vorteile zu erlangen». Besonders brisant: Die Werbeflächen, die Staatsbetriebe, Städte und Gemeinden vermieten, machen betragsmässig etwa die Hälfte der gesamten Aussenwerbefläche aus.

Damit bricht die Kritik immer noch nicht ab: Die Post hatte im Jahr 2020 ihre digitalen und analogen Werbeflächen in Postautos und Poststellen ausgeschrieben. Für den Grossteil dieser Ausschreibung – alle digitalen Flächen – hat Livesystems den Zuschlag erhalten. Und dies zu einem extrem hohen Mietpreis. Demnach habe Livesystems fürs Senden auf den Bildschirmen in den Postautos sage und schreibe 168 Prozent mehr geboten als der Nächstbietende.

Post überzahlt sich selbst

Langjährige Mitkonkurrenten machen klar: Selbst wenn der gesamte digitale Werbeplatz optimal weiterverkauft werden könnte, seien so hohe Kosten nicht wieder reinzuholen. Und just diese Firma kauft die Post dann im Sommer 2021. Nun bezahlt sich die Post ihren teuren Werbeplatz also quasi selbst. Das habe mehr als bloss einen negativen Beigeschmack.

Die Post sagt auf Anfrage dazu nur: «Wir kommentieren solche Spekulationen und Mutmassungen Dritter nicht. Wichtig ist, dass Ausschreibungen immer auf Basis von transparenten und für alle gültigen Kriterien erfolgen», so eine Sprecherin. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei meist nur eines von vielen Kriterien, die ein Anbieter erfüllen müsse.

Gegenwind aus dem Parlament

Auch Abacus prüft eine Klage bei der Weko. Und auch im Parlament mehren sich die politischen Vorstösse zum Geschäftsgebaren der Post. Der Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (59) bemängelt, dass die Post einerseits über fehlende Geldmittel klage und beim Service public stetig abbaue, andererseits für viel Geld Firmen zukaufe. Er will vom Bundesrat wissen, was dieser unternimmt, damit sich die Post künftig auf ihren verfassungsmässigen Auftrag konzentriert und auf riskante Akquisitionen ausserhalb ihres Kernauftrags verzichtet.

«Es ist generell störend, wenn ein Unternehmen, das mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand ist, mit dem Geld, das ursprünglich vom Steuerzahler kam, Firmen aufkauft», so Jauslin. Einem Unternehmen mit einer so grossen Marktmacht «können KMU finanziell nichts entgegensetzen». Hier werde mit ungleich langen Spiessen gekämpft. «Der Bundesrat muss diesem Tun Schranken setzen», fordert er und warnt, dass ansonsten das Parlament «am Zug ist, solche Marktverzerrungen zu stoppen.»

Rekord bei Paketen

2021 war für die Post ein Rekord-Jahr. Zum ersten Mal hat das Unternehmen über 200 Millionen Pakete ausgeliefert. Das sind über eine halbe Million pro Tag – und fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der verschickten Briefe sinkt derweil von Jahr zu Jahr. Vergangenes Jahr waren es aber immer noch über 1,8 Milliarden. Die Hälfte der Päckli stellen inzwischen die Pöstlerinnen und Pöstler zu. Um den Päckli-Berg bewältigen zu können, sind in der Logistik laut der Post letztes Jahr rund 800 Vollzeitstellen geschaffen worden. Weil man damit rechnet, dass die Zahl der verschickten Päckli weiter steigt, will der gelbe Riese bis 2030 die Kapazitäten für die Paketzustellung verdoppeln. 1500 zusätzliche Stellen wolle man dafür schaffen. Und 1,5 Milliarden Franken in die Hand nehmen.

2021 war für die Post ein Rekord-Jahr. Zum ersten Mal hat das Unternehmen über 200 Millionen Pakete ausgeliefert. Das sind über eine halbe Million pro Tag – und fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der verschickten Briefe sinkt derweil von Jahr zu Jahr. Vergangenes Jahr waren es aber immer noch über 1,8 Milliarden. Die Hälfte der Päckli stellen inzwischen die Pöstlerinnen und Pöstler zu. Um den Päckli-Berg bewältigen zu können, sind in der Logistik laut der Post letztes Jahr rund 800 Vollzeitstellen geschaffen worden. Weil man damit rechnet, dass die Zahl der verschickten Päckli weiter steigt, will der gelbe Riese bis 2030 die Kapazitäten für die Paketzustellung verdoppeln. 1500 zusätzliche Stellen wolle man dafür schaffen. Und 1,5 Milliarden Franken in die Hand nehmen.

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