«Die Verbindung der FDP mit der SVP macht mir Sorgen»
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SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer:«Die Verbindung der FDP mit der SVP macht mir Sorgen»

SP-Co-Chefin Mattea Meyer attackiert die Bürgerlichen
«Die Verluste sind schmerzhaft»

Bei der SP reiht sich Wahlniederlage an Wahlniederlage. Für Co-Chefin Mattea Meyer (34) ist das noch kein Grund zur Sorge. Ärger bereiten ihr aber FDP und Mitte, die mit der SVP zusammenarbeiten, obwohl diese «unsere demokratischen Werte mit Füssen tritt».
Publiziert: 29.03.2022 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2022 um 06:47 Uhr
Daniel Ballmer und Ruedi Studer

Die SP ist im Kriechgang. Sechs Sitze hat sie alleine am Sonntag bei den Grossratswahlen in Bern verloren. Seit den nationalen Wahlen 2019 gingen der SP in den Kantonen insgesamt 45 Mandate flöten – so viele wie keiner anderen Partei. Blick trifft SP-Co-Chefin Mattea Meyer (34) am Tag nach der neusten Schlappe im Bundeshaus zum Interview. Bei einem Glas Mineralwasser erklärt sie, warum sie trotz allem optimistisch auf die Nationalratswahlen 2023 blickt.

Blick: Die SP reiht Wahlniederlage an Wahlniederlage. Macht die Parteiführung da noch Spass?
Mattea Meyer: Ja. Wir können immer wieder eine bessere Politik erkämpfen. Die Weiterführung der Corona-Wirtschaftshilfen ist zum Beispiel zustande gekommen, weil wir uns dafür starkgemacht haben. Ich schaue nach vorne – und das stimmt mich optimistisch.

Was stimmt Sie denn bei solchen Wahlergebnissen noch optimistisch?
Wir haben im Alleingang die Abschaffung der Stempelabgabe verhindert. Wir haben jetzt breit abgestützt die Kita-Initiative lanciert, damit alle sich gute ausserfamiliäre Kinderbetreuung leisten können. Und mit der Klimafonds-Initiative zeigen wir, wie wir unser Land unabhängig machen von Erdgas und Erdöl. Die SP hat konkrete Antworten auf die grossen Probleme wie die Klimakrise oder fehlende Gleichstellung.

«Die derzeitigen Verluste sind schmerzhaft: Wir wollen Wahlen gewinnen, um etwas verändern zu können», sagt Meyer.
Foto: Philippe Rossier
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Die Wähler aber scheinen das anders zu sehen.
Die derzeitigen Verluste sind schmerzhaft. Wir wollen Wahlen gewinnen, um etwas verändern zu können. Wir hatten 2019 die grüne Welle, und das vollzieht sich jetzt auch in den kantonalen Wahlen. Wir waren in vielen Kantonen sehr viel stärker als die Grünen oder die GLP, und nun gleicht sich das etwas an. Über längere Sicht stabilisieren wir uns, aber auf zu tiefem Niveau. Klar ist: Damit begnügen wir uns nicht!

Wenn es so weitergeht, muss die SP einen ihrer zwei Bundesratssitze an die Grünen abtreten!
Wir haben heute eine Bundesratsmehrheit von zwei SVP- und zwei FDP-Vertretern, obwohl sie im Parlament keine Mehrheit haben. Das widerspiegelt nicht mehr das, was die Bevölkerung möchte. Die SP ist die zweitstärkste Partei und hat damit zwei Bundesratssitze. Ich bin überzeugt, dass sich daran auch nach den nationalen Wahlen 2023 nichts ändert. Damit erübrigt sich die Frage.

Eigentlich nicht. Was, wenn die Grünen noch stärker werden?
Nochmals: Wir sind die zweitstärkste Partei, vor der FDP. Unsere beiden Bundesräte machen einen guten Job, den ein Grossteil der Bevölkerung unterstützt. Stellen Sie sich vor, Ignazio Cassis hätte in der Corona-Krise das Gesundheitsdepartement geführt. Nehmen wir seinen Auftritt zu Beginn des Ukraine-Krieges: Er hat kurz gesagt, es sei ein trauriger Tag – adieu miteinander. Das ist für mich kein sehr glaubwürdiges Auftreten in einer solchen Krisensituation.

Nun stellt er sich aber klar an die Seite der Ukraine.
Als Bundespräsident hat er sich viel zu spät für zwingende Sanktionen eingesetzt. Und nun hinken wir bei der Umsetzung noch hinterher. Es kann doch nicht sein, dass eine Meldepflicht reicht. Wenn ein Sozialhilfebezüger im Verdacht steht, missbräuchlich Gelder zu beziehen, schickt man Detektive los. Wenn es aber um sanktionierte Russen geht, soll eine Meldepflicht reichen? Das Wirtschaftsdepartement kommt nicht mal auf die Idee, die Kantone klar zu instruieren.

Die SP wiederum fällt vor allem mit Friedensdemos auf. Reicht das? Oder müsste die Schweiz auch Waffen an die Ukraine liefern?
Es ist wichtig, dass die friedenspolitische Bewegung wieder erstarkt. Und seit Kriegsbeginn engagiert sich die SP dafür, dass wir dort ansetzen, wo es relevant ist: nämlich bei den Oligarchen-Milliarden und dem Rohstoffhandel. Als militärisch neutrales Land können wir keine Waffen liefern. Das ist auch richtig so. Wir sollten aber Helme oder Schutzwesten liefern für die Zivilbevölkerung, für Sanitätspersonal oder Feuerwehr.

Einzelne deutsche Bundesländer überlegen sich ein Verbot des «Z»-Logos. Muss die Schweiz da nachziehen?
So wie man Nazi-Symbole verbieten müsste, sollte man sich das auch beim «Z» überlegen. Ich finde es völlig unverständlich, wenn sich jemand mit dem «Z» mit Putin solidarisiert. Das viel grössere Problem ist aber, wenn die grösste Partei des Landes auf Verständnis mit Putin setzt und sein Vorgehen legitimiert und indirekt unterstützt. Das ist gefährlich.

Inwiefern?
Am Tag des Kriegsbeginns schreibt das SVP-Blatt «Weltwoche», dass Putin den Westen hoffentlich zur Vernunft bringe. Und der Aufschrei bleibt aus. Das zeigt die Sympathien innerhalb der SVP für autokratische, starke Männer, welche die Rechte von Frauen und LGBT-Menschen ebenso mit Füssen treten wie das Recht der Menschen, in Frieden und Freiheit zu leben. Es macht mir daher Sorgen, dass FDP und Mitte mit dieser SVP Hand in Hand gehen.

Sie ärgern sich doch nur darüber, dass die bürgerliche Zusammenarbeit wieder besser funktioniert und Ihnen damit das Leben schwer macht.
Die SVP zeigt nicht nur Verständnis für Putins Angriffskrieg. Sie hat auch unseren Bundesrat als Corona-Diktator verunglimpft und fällt mit rassistischen Anfeindungen auf. FDP und Mitte ist das offenbar egal! Ich kann nicht verstehen, wenn FDP-Chef Thierry Burkart und Mitte-Präsident Gerhard Pfister hier nur mit den Schultern zucken und stattdessen der SVP lieber Exekutivsitze zuschanzen. Damit legitimieren sie die trumpeske Haltung der SVP und schauen weg, wenn sie unsere demokratischen Werte mit Füssen tritt.

Oder sie machen einfach erfolgreich bürgerliche Politik – wie bei der Reform der Altersvorsorge.
Indem man den Frauen die Renten kürzt und Steuergeschenke für Reiche und Grosskonzerne macht wie bei der Abschaffung der Verrechnungssteuer? Die Bürgerlichen machen Politik auf Kosten der Menschen in diesem Land. Jede vierte Frau hat im Alter nur die AHV, jede zweite Frau muss mit weniger als 3000 Franken im Monat auskommen. Gleichzeitig sitzt die Nationalbank auf über 100 Milliarden Franken Volksvermögen, das über die AHV gerecht an die Bevölkerung zurückgegeben werden könnte.

Die AHV muss saniert werden. Da müssen auch die Frauen ihren Beitrag leisten.
Als junge Frau ist mir klar, dass ich gleich lange wie beispielsweise SP-Co-Präsident Cédric Wermuth arbeiten werde.

Er arbeitet nur bis 64?
(Lacht.) Ich meine es sinnbildlich. Für die Männer und Frauen meiner Generation wird es selbstverständlich sein, dass für beide das gleiche Rentenalter gilt. Weil ich überzeugt bin, dass unsere Gleichstellungspolitik mit mehr Lohngleichheit oder mehr Kitas Erfolg haben wird.

Dann können Sie im Herbst getrost Ja stimmen.
Eben nicht, denn die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 trifft die falsche Generation. Es geht um die Generation unserer Mütter. Um Frauen, die jahrelang unbezahlte Arbeit geleistet oder zu Tieflöhnen gearbeitet haben und keine Kitas hatten. Ich bin nicht bereit, diese Frauen einmal mehr für die Versäumnisse der Politik zahlen zu lassen. Die vorgesehene Kompensation ist für die Generation unserer Mütter absolut ungenügend.

Später einmal ist Rentenalter 65 aber okay?
Gleiches Rentenalter wird für meine Generation okay sein, weil Frauen und Männer dank guter SP-Politik Beruf und Familie viel besser zusammenbringen können. Welches Rentenalter das sein wird, ist eine politische Frage: Geben wir das Geld für ein tieferes Rentenalter aus für alle oder für Steuergeschenke für ein paar wenige?

Mattea Meyer persönlich

Nach dem Rücktritt von Christian Levrat (51) übernahmen Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) den SP-Chefposten. Die beiden sind schon seit Juso-Zeiten ein eingespieltes Duo. 2015 wurde die Zürcherin in den Nationalrat gewählt und sitzt derzeit in der Sozial- und Gesundheitskommission. Politisch engagiert sie sich auch stark in Steuerfragen oder der Flüchtlingspolitik. Meyer studierte Geschichte, Geografie und Politikwissenschaften an der Universität Zürich und arbeitete während des Studiums als Anwaltsassistentin in einer Wirtschaftskanzlei. Mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern lebt sie in Winterthur ZH.

Nach dem Rücktritt von Christian Levrat (51) übernahmen Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) den SP-Chefposten. Die beiden sind schon seit Juso-Zeiten ein eingespieltes Duo. 2015 wurde die Zürcherin in den Nationalrat gewählt und sitzt derzeit in der Sozial- und Gesundheitskommission. Politisch engagiert sie sich auch stark in Steuerfragen oder der Flüchtlingspolitik. Meyer studierte Geschichte, Geografie und Politikwissenschaften an der Universität Zürich und arbeitete während des Studiums als Anwaltsassistentin in einer Wirtschaftskanzlei. Mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern lebt sie in Winterthur ZH.

Mehr

Zu einem anderen Thema: Anfang April fallen die letzten Corona-Massnahmen, dabei sind die Fallzahlen nach wie vor hoch. Ist das der richtige Weg?
Bei diesen hohen Fallzahlen fände ich es angebracht, wenn im ÖV die Maskenpflicht noch bleiben würde. Damit könnten vulnerable Menschen geschützt werden. Auch die Isolationspflicht würde ich noch aufrechterhalten.

Die Corona-Taskforce hat zur Vorbereitung auf den Herbst sogar ein Impfobligatorium ins Spiel gebracht.
Die Vorbereitung auf den Herbst ist für mich derzeit zentral. Hier sehe ich vor allem die Kantone in der Pflicht. Dazu zähle ich auch weiterhin Gratis-Tests, die helfen, das Virus einzudämmen. Von einer Impfpflicht aber halte ich nichts. Der Fokus muss weiterhin sein, wie mit Sensibilisierung verunsicherten Menschen die Skepsis vor einer Impfung genommen werden kann.

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