Bergler-Politiker kämpfen gegen Ski-Konzept
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Opposition von allen Seiten:Bergler-Politiker kämpfen gegen Ski-Konzept

SP-Spitze attackiert die Bürgerlichen wegen Offenhaltungsplänen
«Ihr werdet zum Totengräber der Skigebiete»

Um das Coronavirus im Zaum zu halten, will Gesundheitsminister Alain Berset den Wintersport beschränken. Damit schiesse Berset weit übers Ziel hinaus, finden die Bürgerlichen. Jetzt attackieren die SP-Chefs Mattea Meyer und Cédric Wermuth die Bürgerlichen scharf.
Publiziert: 03.12.2020 um 11:02 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2021 um 21:30 Uhr
Ruedi Studer

Um das Coronavirus im Zaum zu halten, will SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) den Wintersport beschränken. Die Idee kommt bei vielen Bürgerlichen schlecht an. In einem gemeinsamen Appell fordert eine überparteiliche bürgerliche Allianz den Bundesrat auf, Skigebiete und Bergregionen während der Festtage nicht mit einschneidenden Massnahmen zu belasten. Noch am Donnerstag soll der Nationalrat über eine entsprechende Erklärung an die Adresse des Bundesrats abstimmen.

Gegenwehr kommt nun von der neuen SP-Spitze. Die Co-Chefs Mattea Meyer (33) und Cédric Wermuth (34) richten sich in einem offenen Brief an die bürgerlichen Kollegen Petra Gössi (44, FDP), Gerhard Pfister (58, CVP) und Marco Chiesa (46, SVP).

«Heuchlerisch und absurd»

FDP, CVP und SVP würden die möglichen Einschränkungen für den Wintertourismus kritisieren. Gleichzeitig hätten ihre Vertreter einen Aufruf an den Bundesrat unterschrieben, er solle dafür sorgen, dass das World Economic Forum (WEF) weiterhin in der Schweiz stattfinde, so das SP-Duo in seinem Brief. Ihr Vorwurf: «Das ist so absurd wie heuchlerisch.»

Die Bürgerlichen wehren sich gegen Beschränkungen in den Skigebieten. Die SP-Spitze mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth liest den Kollegen nun die Leviten.
Foto: keystone-sda.ch
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In ihrem Schreiben listet sie auf, was alles falsch gelaufen sei. Bereits in der ersten Welle hätten die Bürgerlichen «massiven Druck auf Bundesrat und Kantone ausgeübt, damit die Massnahmen schnell wieder gelockert wurden und die Kantone schalten und walten konnten, wie sie wollten», monieren Meyer und Wermuth. «Die Folge ist, dass die Schweiz mit unkontrollierten Fallzahlen in die zweite Welle schlitterte und jeden Tag Menschen sterben.»

Die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat habe durchgesetzt, dass mit der Aufhebung der gesundheitspolizeilichen Massnahmen auch die Wirtschaftshilfen viel zu früh ausgesetzt worden seien. «Im Vordergrund stand: Die Finanzen retten!» schreibt das Duo. «Die Folgen sind Rechtsunsicherheit und prekäre Situationen für Zehntausende von Lohnabhängigen und KMU.» Und noch diese Woche hätten sich die Bürgerlichen geweigert, «die notwendigen Hilfsmassnahmen zu ergreifen, insbesondere um die Existenz der bedrohten KMU, Selbständigen und deren Arbeitsplätze zu sichern».

«Bürgerliches Schmierentheater»

Aktuell seien Infektionen und Todesraten in der Schweiz rekordhoch. «Und in dieser Situation inszeniert ihr euch und eure Parteien in einem Schmierentheater als Retter der Skigebiete», so Meyer/Wermuth. So wollten die Bürgerlichen verbieten, dass die von Bundesrat, Kantonen, Skigebieten und der Wissenschaft erarbeiteten Schutzmassnahmen ergriffen würden.

Derweil würden internationale Veranstalter und Touristen reihenweise Events in der Schweiz absagen. «Nicht etwa, weil es Schutzmassnahmen gibt, sondern weil die Ansteckungszahlen zu hoch sind», stellt die SP-Spitze fest. «Die Schweiz ist zum Corona-Hotspot geworden, gerade weil der Profit über die Gesundheit gestellt wurde.»

Kein vernünftiger Mensch könne bestreiten, dass die Skisaison dieses Jahr nur mit Schutzmassnahmen überhaupt stattfinden könne. «Mit euren Forderungen rettet ihr nicht die Skisaison, sondern riskiert, zum Totengräber der Skigebiete zu werden», so Meyer/Wermuth. «Die Schweiz ist nicht zuletzt wegen euch zum Corona-Hotspot geworden, es droht ein enormer Reputationsschaden.»

Mit einer Erklärung im Nationalrat regeln zu wollen, wie viele Menschen in einer Gondel sitzen dürfen, sei grotesk. «Nicht zuletzt, weil die Skigebiete gerade aufgrund eurer Laissez-Faire-Politik nun in dieser verzweifelten Lage sind», moniert die SP. «Eure Aktivitäten verunsichern die Bevölkerung zutiefst. Angesichts der aktuellen Krise ist euer Verhalten schlicht verantwortungslos.»

Der Brief schliesst mit dem Wunsch auf «gute Gesundheit und baldige Einsicht».

Bundesrat entscheidet am Freitag

Über das Corona-Feststagspaket wird der Bundesrat voraussichtlich am Freitag entscheiden. Dabei geht es nicht nur um Kapazitätsbegrenzungen in den Skigebieten, sondern auch um eine Homeoffice-Pflicht und strengere Handlungsvorgaben für die Kantone.

Mit seinen Vorschlägen will Berset einen Mittelweg gehen. Um einer gefürchteten Corona-Welle über die Festtage vorzubeugen, will die EU ihrerseits den Skibetrieb bis 10. Januar ganz aussetzen. Die Schweiz muss sich nun den Vorwurf der «Profiteurin» anhören. Das deutsche Bundesland Bayern etwa hat seinen Einwohnern empfohlen, auf Skiferien in der Schweiz zu verzichten. Und Präsident Emmanuel Macron (42) will seine Franzosen davon abhalten, über Weihnachten in Skigebiete im Ausland zu reisen.

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