Berset gibt Corona-Tarif durch
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Weil die Zahlen nicht sinken:Berset gibt Corona-Tarif durch

Weil die Zahl der Infektionen noch immer viel zu hoch ist
Berset gibt Trödel-Kantonen den Tarif durch

Die Neuansteckungen mit dem Coronavirus stagnieren auf hohem Niveau. Mit Blick auf die bevorstehenden Feiertage will Gesundheitsminister Alain Berset eine Homeoffice-Pflicht. Und er macht Druck auf die Kantone.
Publiziert: 03.12.2020 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2020 um 11:43 Uhr
Ruedi Studer

SP-Bundesrat Alain Berset (48) will mit verschärften Massnahmen für die Festtage vorsorgen. So plant er nicht nur Kapazitätsbegrenzungen auf den Skipisten und eingeschränkte Weihnachtsfeiern. Nein, Berset will noch weiter gehen und aus der Homeoffice-Empfehlung des Bundes eine Pflicht machen.

Die Arbeitgeber sollen bis zum 20. Januar dafür sorgen, dass ihre Angestellten «ihre Arbeitsverpflichtungen so weit wie möglich von zu Hause aus erfüllen», heisst es im neusten Entwurf zur Corona-Verordnung, der BLICK vorliegt. Dafür müssten sie «die geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen» treffen.

Es ist der zweite Versuch

Berset bringt damit den exakt gleichen Wortlaut auf den Tisch wie im Oktober, als er die Pflicht schon einmal verankern wollte. In den damaligen Erläuterungen machte er klar: «Homeoffice ist damit nicht mehr nur eine Empfehlung des BAG, sondern es besteht nunmehr eine Pflicht zum Homeoffice, soweit dies betrieblich möglich ist.»

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen sinkt nicht mehr. Gesundheitsminister Alain Berset ist besorgt.
Foto: Keystone
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Damals wurde er von seinen bürgerlichen Regierungskollegen noch ausgebremst. Nun versucht er es erneut. Denn die aktuelle Entwicklung der Corona-Fallzahlen ist alles andere als zufriedenstellend. Mit Blick auf die Weihnachts- und Neujahrsferien müssten die Zahlen stärker sinken, heisst es beim Bund.

Berset klopft auch den Kantonen auf die Finger

Vor diesem Hintergrund klopft Berset auch jenen Kantonen auf die Finger, die mit laschen Massnahmen glänzen. In Bundesbern ist es ein offenes Geheimnis, dass Kantone wie Zürich, St. Gallen oder Aargau Berset ein Dorn im Auge sind, weil sie sich in der Krise kaum bewegen. Insbesondere das Verhältnis zwischen dem SP-Bundesrat und Zürich ist angespannt – dies umso mehr, weil sich mit Justizdirektorin Jacqueline Fehr (57) und Sicherheitsdirektor Mario Fehr (62) ausgerechnet zwei Genossen immer wieder querstellen.

Bisher hat Berset es dem Gutdünken der Kantone überlassen, strengere kantonale Massnahmen – zum Beispiel Beizenschliessungen oder frühere Sperrstunden – zu ergreifen. In der aktuellen Verordnung steht die Formulierung «kann».

Aus «kann» wird «muss»

Doch jetzt macht Berset widerspenstigen Kantonen Feuer unter dem Hintern. «Der Kanton trifft zusätzliche Massnahmen, wenn ...» , lautet die neue Formulierung im Entwurf der Verordnung, die quasi einer Pflicht gleichkommt.

Demnach müssen die Kantone zusätzliche Massnahmen ergreifen, wenn sich die epidemiologische Lage im Kanton verschlechtert, wobei etwa der Inzidenzwert, die Anzahl Neuinfektionen, die Positivitätsrate bei den Tests oder die Auslastung der Spitäler als Indikatoren herangezogen werden sollen. Und auch wenn das Contact Tracing nicht mehr gewährleistet ist, wie das in den letzten Wochen teilweise der Fall war, müssen die Kantone handeln und etwa einen Teil-Lockdown verordnen – was verschiedene Kantone bereits getan haben.

«Berset setzt Kantone unter Druck»

Für einen in das Dossier involvierten Regierungsrat ist klar: «Berset setzt damit jene Kantone stärker unter Druck, in denen die Entwicklung in die falsche Richtung geht.» Es reicht, auf den Reproduktionswert zu schauen, um zu wissen, auf welche Kantone Berset zielt. In der Pflicht wären Solothurn, Thurgau, Schwyz und Aargau – in diesen liegt der R-Wert leicht über 1 – was bedeutet, dass die Neuinfektionen ansteigen. Das zeigen die Zahlen eines ETH-Monitorings per 21. November.

In weiteren Kantonen liegt der R-Wert nahe bei 1 – etwa in St. Gallen, Graubünden (je 0,98) und Zürich (0,97). Der gesamtschweizerische R-Wert liegt bei 0,89 – das heisst, 100 Corona-Infizierte stecken im Schnitt 89 Personen an.

Kritik am Druckversuch

Allerdings kommt Bersets Druckversuch nicht überall gut an. Dem Vernehmen nach wird in der zusammenfassenden Stellungnahme der Kantone auch Kritik geübt. Die Kantone könnten die Situation vor Ort selber einschätzen, monieren die Kritiker. Bersets Vorgaben werden von diesen als «nicht notwendig» taxiert.

Notfalls hat dieser aber noch eine schärfere Waffe in der Hinterhand. In einem früheren Aussprachepapier hält sich der Bundesrat die Option offen, örtlich beschränkt «weitergehende Massnahmen in einem Kanton oder einer Region» zu ergreifen – sprich selber Teil-Lockdowns zu verordnen, wenn die Kantone nicht von sich aus handeln. Das allerdings wäre die Ultima Ratio: Berset dürfte sich aber davor hüten, das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen leichtfertig zu beschädigen.


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