Handwerker im Parlament untervertreten
In Bundesbern hauen fast keine Büezer auf den Putz

Gehämmert, gestrichen oder gemauert wird privat in der Schweiz zwar viel. Doch vertreten sind Handwerker in der Bundespolitik fast nicht. Jetzt schlägt SVP-Malermeisterin Sandra Sollberger Alarm.
Publiziert: 04.07.2019 um 11:44 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2019 um 22:59 Uhr
Der St. Galler Metzger Mike Egger ist der jüngste SVP-Nationalrat.
Foto: zVg
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Cinzia Venafro

In der Schweiz fehlen 42'778 Handwerker – Betriebe suchen händeringend nach Schreinern, Elektroinstallateuren oder Sanitärmonteuren.

Doch auch dort, wo neue Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt geschaffen werden, sucht man lange, bis man auf einen Handwerker trifft: Im National- und Ständerat sind Praktiker eine Seltenheit.

Eine Malermeisterin, ein Kaminfeger und ein Bierbrauer

«Das Problem sind die Parteien. Die schicken nur noch Akademiker nach Bern», ärgert sich alt SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi (72). Der Zürcher ist «hundsgewöhnlicher Schreiner», wie er betont, und galt von 1991 bis 2015 als letzter Fels der Büezer-Bastion unter der Bundeshauskuppel.

«Früher hatte es bei den Linken wenigstens noch ein paar Gewerkschafter, mit denen konnte man gut in Kommissionen zusammenarbeiten. Heute macht sich kein Politiker die Hände schmutzig – auch die Gewerkschafter sind Studierte», moniert Bortoluzzi.

Derzeit finden sich gerade einmal vier Parlamentarier, die als Handwerker tätig sind: Die Baselbieter SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger (45) ist Malermeisterin, ihr Zürcher Parteikollege Bruno Walliser (53) arbeitet als Kaminfegermeister, und der Schwyzer CVP-Nationalrat Alois Gmür (64) verdient sein Geld als Braumeister und der jüngste Nationalrat Mike Egger (26) – Nachfolger von SVP-Mann Toni Brunner (44) – ist Metzger.

«Das ist himmeltraurig!»

Sollberger verwundert das nicht: «Das Ansehen der Berufe hat extrem gelitten, nur wenige haben noch Respekt gegenüber uns Handwerkern», sagt die Politikerin, die einen eigenen Malerbetrieb führt. «Ich empfehle jedem, einmal in einem Malergwändli Zug zu fahren. Da erlebt man Blicke, die einem klar das Gefühl geben, weniger wert zu sein. Es ist himmeltraurig!»

Doch auch der immer grössere Zeitaufwand für ein politisches Amt schrecke ab. «Die Politik wird in Schrift und Sprache auch immer komplizierter und akademischer. Da versteht der normale Bürger und Handwerker nur noch Bahnhof. Das ist keine gute Entwicklung.»

Zudem mahlten die Mühlen in Bundesbern zu langsam. «Handwerker sehen am Abend gerne, was sie geleistet haben. In der Politik erfährt man genau das Gegenteil. Da dauert es Jahre, bis ein Resultat spürbar ist.»

Baumeister gehen zu den Bauern in die Nachhilfe

Auch keine Baumeister gibts mehr in Bundesbern. Der letzte seiner Art war SVP-Mann This Jenny (†62).

Um das zu ändern, nehmen die Baumeister jetzt Nachhilfeunterricht bei den Bauern. Denn keine andere Berufsgattung tritt derart stark in Bern auf. So lud der Baumeisterverband Bauernpräsident Markus Ritter (52) zum Tag der Bauwirtschaft ein. «In Bern dürfen Sie keine Angst haben. Es frisst nie der Grosse den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen», sagte er den Baumeistern und motivierte sie, im Herbst zu kandidieren.

Doch trotz Bemühungen: Der Verband hat mit dem Zürcher Josef Wiederkehr (48, CVP) und dem St. Galler Christoph Bärlocher (40, CVP) gerade mal zwei Kandidaten aufstellen können.

Radiogebühren trotz Radioverbot

Was es heisse, wenn ein Parlament ohne Baumeister oder Handwerker Gesetze mache, zeige sich beim neuen Radio- und TV-Gesetz, sagt Baumeisterverband-Sprecher Matthias Engel. «Ein krasses Beispiel einer missratenen Gesetzesrevision. Wer den Baustellenalltag kennt, weiss, wie absurd die Idee ist, dass Baufirmen seit dem 1. Januar eine umsatzabhängige Steuer für den Konsum von TV- und Radioprogrammen zahlen müssen», führt er aus. Denn Radiohören oder Ähnliches sei auf Baustellen streng verboten.

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