Die Taskforce will Ungeimpfte direkt ansprechen – doch das wird schwierig
Datenschutz bremst Impf-Offensive

Die Corona-Taskforce schlägt vor, ungeimpfte Personen direkt zu kontaktieren und so von einer Impfung zu überzeugen. Zuständig dafür wären die Kantone. Die winken ab.
Publiziert: 05.08.2021 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2021 um 08:02 Uhr
Daniel Ballmer und Ladina Triaca

Das Coronavirus hält sich hartnäckig. 1033 neue Ansteckungen hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Mittwoch gemeldet. Dazu 35 Spitaleinweisungen und zwei neue Todesfälle. In der Vorwoche waren es noch 771 Fälle.

Gleichzeitig harzt die Impfkampagne. Während im Juni teilweise täglich über 90'000 Personen pro Tag gepikst wurden, sind es jetzt nur noch rund 23'000. 55 Prozent der Bevölkerung sind bis jetzt einmal geimpft. In Europa ist die Schweiz damit ins Mittelmass abgerutscht.

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Vorbild Spanien und Grossbritannien

Das BAG geht davon aus, dass die Sommerferien die Impfkampagne ausgebremst haben. Danach aber soll wieder aufs Tempo gedrückt werden. Am Dienstag empfahl Taskforce-Präsident Martin Ackermann (50) vor der Medien, sich an Strategien im Ausland zu orientieren, um die Menschen zum Impfen zu bewegen. Denn kulturelle Unterschiede würden die Impflücke zwischen der Schweiz und dem Ausland nicht erklären.

In der Schweiz sind 55 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Damit ist das Land weltweit nur Mittelmass.
Foto: Keystone
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In Grossbritannien und Spanien werden die Leute direkt kontaktiert, um einen Impftermin zu vereinbaren. Der britische Gesundheitsdienst (NHS) erinnert die Bürgerinnen und Bürger per Brief, SMS oder Telefonanruf an die Impfung. Und in den USA hat Präsident Joe Biden (78) vor kurzem eine Tür-zu-Tür-Kampagne lanciert, bei der die Menschen im persönlichen Gespräch zwischen Tür und Angel von den Vorteilen einer Impfung überzeugt werden sollen.

Die Taskforce setzt grosse Hoffnungen in Kampagnen, die gezielt Ungeimpfte ansprechen. In Grossbritannien und Spanien sei der Anteil nicht vollständig geimpfter Menschen in den höheren Altersklassen sechsmal tiefer als in der Schweiz. Taskforce-Präsident Ackermann zeigte sich überzeugt: «Die Schweiz könnte die Epidemie in rund acht Wochen beenden, wenn sich alle impfen liessen.»

Skepsis bei Bund und Kantonen

Bei den zuständigen Behörden stossen die Ideen der Wissenschaftler allerdings auf wenig Anklang. Der Bund winkt von vornherein ab. Das BAG verfüge nicht über die nötigen Daten, da weder der Bund noch die Kantone ein Impfregister führten. Anders ist das in Grossbritannien: Dort sind die Bewohner beim nationalen Gesundheitsdienst registriert, was die Kontaktaufnahme erleichtert.

Auch Michael Jordi von der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) stellt nach einem Austausch mit dem BAG vom Mittwoch klar, dass «die Kontaktaufnahme mit Nichtgeimpften mittels irgendwelcher Listen unseres Wissens wohl kaum breit oder intensiv weiterverfolgt wird».

Abfuhr aus Bern

Das sieht man beim Solothurner Gesundheitsamt genauso. Der kantonale Fachstab Pandemie verfüge gar nicht über Listen ungeimpfter Personen, sagt eine Sprecherin.

Deutlich ist die Abfuhr aus dem Kanton Bern. «Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist die direkte Kontaktaufnahme nicht vertretbar», schreibt die Gesundheitsdirektion. Der Kanton habe überdies kaum die Möglichkeit, Entschlossene oder schon Geimpfte von Unentschlossenen zu unterscheiden

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Datenschutzrechtliche Bedenken

Bedenken äussert auch der Eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger (61). Immerhin sei die Information, dass jemand nicht geimpft ist, sensibel und aus datenschutzrechtlicher Sicht besonders schützenswert. So hätten diese Informationen für die Betroffenen je nach Verwendung «ein nicht zu unterschätzendes Risikopotenzial für Ausgrenzung und Stigmatisierung».

Die Idee einer persönlichen Ansprache stehe zudem in einem Spannungsverhältnis zum Corona-Zertifikat, meint Lobsiger. Denn das Zertifikat sei bewusst so konzipiert worden, dass niemand als «geimpft» oder «ungeimpft» erkannt wird.

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Kantone setzen auf Impfbusse

Nach einer Analyse von BAG und Kantonen vom Mittwochmorgen halten es diese für zielführender, bei der Impfkampagne noch stärker auf einzelne Personengruppen abzuzielen und niederschwellige Impfangebote bereitzustellen.

GDK-Generalsekretär Jordi erwähnt etwa Impfbusse, Walk-ins in Einkaufszentren oder verstärkte Präsenz in noch wenig durchimpften Gemeinden, an Fussballspielen oder Grossveranstaltungen. «Auch die Zusammenarbeit mit Organisationen der Migrationsgemeinschaften hat sich bewährt», betont er.

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