Kostet weniger als eine halbe Olma-Bratwurst!
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Umfrage zum Vaterschaftsurlaub:Rund drei Viertel stehen hinter der Papi-Zeit

Auch Bürgerliche werben für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub
«Kostet weniger als eine halbe Olma-Bratwurst»

Vertreter aller Parteien weibeln für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub – und argumentieren auch mit geringen Kosten. Am 27. September kommt die Vorlage an die Urne.
Publiziert: 06.08.2020 um 15:05 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2020 um 15:58 Uhr

Ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub ist ein Schritt in die richtige Richtung in der Gleichstellungspolitik. Das finden Vertreter aller grossen Parteien. Für die einen soll es danach erst einmal dabei bleiben, für die anderen bleibt das Fernziel eine Elternzeit.

Angesichts moderner Familienmodelle sei es höchste Zeit, dass die Schweiz einen gesetzlich geregelten Urlaub einführe, sagte Travail-Suisse-Präsident Adrian Wüthrich (40) am Donnerstag vor den Bundeshausmedien. Für den Präsidenten des Ja-Komitees eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs handelt es sich bei der Vorlage um einen Kompromiss.

Von SVP bis SP – alle sind im Komitee vertreten

Dieser ist breit abgestützt, wie die Zusammensetzung des Komitees «Vaterschaftsurlaub jetzt» zeigt. Vertreterinnen und Vertreter von links bis rechts wollen den Vaterschaftsurlaub. Er freue sich auf die Abstimmung, sagte Wüthrich. Unter anderem verschiedene Abstimmungsumfragen stimmten ihn zuversichtlich.

Adrian Wüthrich und Mathias Reynard weibeln für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub.
Foto: Keystone
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Der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard (32) kritisierte, die Schweiz sei das einzige Land in Europa, dass keinen Vaterschaftsurlaub und keine Elternzeit kenne. «Die Schweiz ist ein familienpolitisches Entwicklungsland», sagte auch die St. Galler Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (53, FDP).

«Die heutige Regelung ist aus der Zeit gefallen»

Den Vaterschaftsurlaub brauche es für eine faire Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern in Haus- und Erwerbsarbeit, sagte die Baselbieter Ständerätin Maya Graf (58, Grüne). «Die heutige Regelung ist aus der Zeit gefallen», monierte die Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy.

Das geänderte Erwerbsersatzgesetz, das am 27. September an die Urne kommt, ist ein vom Parlament verabschiedeter indirekter Gegenvorschlag zum Volksbegehren. Gemäss dem Parlamentsentscheid könnten Väter in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub nehmen.

Der Papi-Urlaub kostet den Arbeitnehmer und -geber nicht viel

Dieser würde wie der Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert. Dafür sollen 0,05 zusätzliche Lohnprozente je hälftig bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern erhoben werden. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf rund 229 Millionen Franken pro Jahr.

Wüthrich zieht diese in Zweifel. Die Schätzung sei «nicht stimmig». Sowohl die Zahl der Väter als auch der Ansatz fürs Taggeld seien zu hoch berechnet. Er rechnet mit Kosten unter 200 Millionen Franken pro Jahr.

Und selbst wenn die hohe Schätzung der Bundesverwaltung zutreffen würde, zahlten Arbeitnehmende und Arbeitgeber bei einem Lohn von 6500 Franken monatlich höchstens je 1,62 Franken pro Monat, sagte Wüthrich. «Das kostet weniger als eine halbe Olma-Bratwurst», so FDP-Frauenpräsident Vincenz-Stauffacher

SVP-Nationalrätin widersetzt sich der eigenen Partei

Mit der Genfer SVP-Nationalrätin und -Vizepräsidentin Céline Amaudruz gehört auch eine bekannte Politikerin der Partei zu den Befürworterinnen, welche zusammen mit den Jungfreisinnigen das Referendum gegen einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub ergriffen hatte.

«Mit dem Vaterschaftsurlaub investiert die Schweiz in die Zukunft», sagte sie. Die KMU hätten sich immer so organisiert, dass sie Personal zum Wohle der Allgemeinheit hätten freistellen können. Sie und weitere SVP-Vertreter würden bei dieser Vorlage ausnahmsweise zu Ja-Sagern, witzelte Amaudruz.

Die Gegner eines Vaterschaftsurlaubs sehen keinen Grund dafür, dass Väter nach der Geburt eines Kindes bezahlten Urlaub erhalten sollen. Kritisiert werden die «Gratis-Ferien», die alle mit Lohnabzügen finanzieren müssten.

Für Candinas ist Vaterschaft mehr als ein Wohnungsumzug

Der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas konterte: «Die ersten Wochen nach der Geburt sind einmalig und entscheidend für den Beziehungsaufbau zwischen Kind und Eltern», sagte er. Vaterschaft in der Schweiz dürfe nicht länger so behandelt werden wie ein Wohnungsumzug. Der Kompromissvorschlag sei pragmatisch und finanzierbar.

Bereits gibt es indes Pläne für Projekte, die eine längere Elternzeit verlangen, welche die Eltern zu einem Teil frei unter sich aufteilen könnten. Verschiedene Fraktionen hatten sich im Parlament für ein solches Modell ausgesprochen.

Kleine Uneinigkeiten im wild durchmischten Komitee gibt es aber trotzdem

Am Donnerstag wichen die Verantwortlichen der Frage weitgehend aus, was nach dem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub kommen könnte. Die Diskussion sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht opportun, sagte Wüthrich. Die im Parlament hängigen Vorstösse «haben nichts mit diesem Anliegen zu tun», sagte Graf.

Die bürgerlichen Vertreter sagten jedoch unisono, dass eine Diskussion über eine Elternzeit bei einem Ja zum Vaterschaftsurlaub erst mal nicht angezeigt sei. «Das ist dann genug», sagten Candinas und Vincenz-Stauffacher. (SDA)

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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