RSI-Direktor Maurizio Canetta sieht dank No Billag 1600 Stellen in Gefahr
«Es gibt keinen Plan B fürs Tessin»

Im BLICK-Interview warnt der Direktor von RSI, Maurizio Canetta (61), eindringlich vor dem Aus des öffentlichen Rundfunks.
Publiziert: 03.12.2017 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:25 Uhr
Myrte Müller

BLICK: Am 4. März 2018 wird über die No-Billag-Initiative abgestimmt. Schlafen Sie noch ruhig?
Maurizio
Canetta: Ja, ich kann immer gut schlafen, sogar mit Zahnschmerzen. Vielleicht ist es der Schlaf des Gerechten (lacht). Natürlich bin ich in grosser Sorge. Schliesslich geht es um unsere Existenz.

Was passiert, wenn «No Billag» vom Stimmvolk angenommen wird?
Wir müssten dichtmachen. Über 1100 Mitarbeiter plus 500, die uns zuarbeiten, würden ab Januar 2019 auf der Strasse stehen. Es gibt keine Finanzierungen mehr fürs Orchester, keine für die Aus- und Weiterbildung, für die Förderung von Kino- und Dokumentarfilmen.

Haben Sie keinen Plan B?
Es gibt keinen Plan B. Die Initiative spricht Klartext. Die Frequenzen werden versteigert, eine ōffentliche Finanzierung ist nicht mehr erlaubt. Das heisst: Basta, Ende.

Für RSI-Direktor Maurizio Canetta ist klar: Wird die Initiative angenommen, heisst es: Basta, Ende!
Foto: © Ti-Press / Ti-Press
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Was bedeutet dies für die Medienlandschaft in der italienischen Schweiz?
Es zählt nur noch der kommerzielle Gewinn. Wer die Frequenzen erwirbt, will Geld sehen. The winner takes it all, wie es im Abba-Hit heisst. Es gibt kein Mandat mehr. Die Regionalität geht verloren. Kein Platz mehr fūr regionalen Sport, für regionale Kultur. Dafür 53 Sender aus Italien, die im Tessin empfangen werden können. «No Billag» zerstört ein fundamentales Prinzip der Schweiz, den Föderalismus, der Minderheiten stützt und für Gleichgewicht sorgt.

RSI wird immer wieder als selbstzufriedener Koloss dargestellt, der zu viele Menschen beschäftigt, zu hohe Gehälter zahlt und zu viel von den Rundfunk-Gebühren erhält. Könnte der Sender nicht abspecken?
Wir werden mit den privaten Radio- und TV-Anbietern verglichen. Aber man sollte Āpfel mit Āpfeln vergleichen. RSI muss sich mit der grossen italienischen Konkurrenz messen, wie RAI oder Mediaset. Dagegen sind wir Zwerge. Wir erreichen nicht nur die 350'000 Menschen in der Südschweiz, sondern mindestens ebenso viele italienischsprachige Leute jenseits des Gotthards. Unsere Arbeit wird sehr anerkannt. Aber Qualitätsjournalismus kostet eben.

Noch drei Monate bis zur Abstimmung. Was ist zu tun?
Abliefern, weiterhin ein gutes, beliebtes und glaubwūrdiges Programm bieten und die Zuschauer weiterhin auch direkt und persönlich erreichen. Heute gibt es viel umsonst. Die Auswahl ist gross. Viele fragen sich: Warum muss ich für etwas bezahlen, das mich nicht interessiert? Deshalb liegt es an uns, gut zu argumentieren und unsere Zuschauer zu überzeugen.

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