«Wir wollten aus dem Hamsterrad raus»
Ein neues Leben für Agnes Rother und Markus Ihne

Markus Ihne und Agnes Rother kommen aus Hamburg und wagen im Alpstein-Gebiet das Abenteuer ihres Lebens – ihren ersten Sommer auf der Alp. Am Seealpsee kümmern sie sich um 19 Kühe, flicken Zäune und putzen den Stall. Noch vor kurzem sah ihr Leben ganz anders aus.
Publiziert: 26.08.2022 um 00:19 Uhr
Jean-Claude Galli

Heute Freitag läuft die dritte Staffel von «SRF bi de Lüt – Z'Alp» an, die verschiedene Älplerinnen und Älpler begleitet (SRF 1, 20.05 Uhr). So bemerkenswert wie ungewöhnlich ist die Geschichte von Agnes Rother (47) und Markus Ihne (47) aus Hamburg. Sie verbringen ihren ersten Sommer auf der Alp am Seealpsee in der Alpstein-Region und betreuen 19 Kühe. Mit der Landwirtschaft hatten sie bisher nichts am Hut.

«Ich arbeitete 20 Jahre lang im Personalwesen, Markus 25 Jahre lang im Vertrieb», erzählt Rother. «Doch unsere Jobs haben uns zunehmend krank gemacht. Wir sahen keinen Sinn mehr darin und wollten aus dem Hamsterrad raus. Als Ende 2020 mein Vater mit 68 an Parkinson starb, hat uns dieser Verlust die Augen endgültig geöffnet. Er hatte sich immer gewünscht, später reisen zu gehen, kam aber nicht mehr dazu. Da sagten wir uns: Wir sind jetzt gesund und haben die Kraft, etwas Neues zu starten.»

«Wir hatten kaum Bezug zur Schweiz»

Im Internet publizierten sie ein Stellengesuch. «Wir hatten kaum Bezug zur Schweiz und wurden sozusagen gefunden. Ein freundlicher Bauer aus Appenzell hat uns kontaktiert, und es hat menschlich sofort gepasst.» Der Pächter unterhält auf der Seealp auch das Angebot «Kühe mieten». «Die temporären Besitzer kommen dann meistens am Wochenende vorbei, übernachten hier mit uns in der Hütte, und wir sind auch für ihre Bewirtung zuständig», erklärt Ihne. «Frühstück, Raclette und Fondue.» Und nicht ohne Stolz erzählt er, dass er das Caquelon schon voll im Griff habe. «Die SRF-Crew hat mich gelobt und gesagt, da müsse schon ein Deutscher kommen, um so ein tolles Fondue hinzukriegen.»

Agnes Rother und Markus Ihne aus Hamburg liessen ihr altes Leben hinter sich, um auf der Seealp im Appenzeller Alpstein neu anzufangen.
Foto: SRF
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«Berge sind stille Meister»

Tagwacht ist um 4.30 Uhr, ab 5 Uhr beginnt die Stallarbeit mit dem Melken. Lichterlöschen ist gegen 21.30 Uhr. Die Seealp besteht aus mehreren kleinen Häusern mit Steindächern, «fast wie bei den Hobbits in ‹Der Herr der Ringe›. Alles ist sehr niedrig gebaut, und wir müssen aufpassen, uns den Kopf nicht zu stossen», so Ihne, der 1.80 m gross ist. «Ich habe zu Agnes schon gesagt, dass ich am Ende des Sommers als ‹das letzte Einhorn› oder Buckliger von der Alp gehe.»

Das Paar, das seit acht Jahren «in wilder Ehe» zusammenlebt, ist trotz anstrengenden Tagen glücklich. «Wir sind beide hier oben 47 geworden und haben gefeiert. Mit Blick auf den schönsten See der Schweiz.» Die Kühe kennen sie mittlerweile alle mit Namen. «Nur in den ersten Wochen mussten wir uns am Euter und der Schwanzlänge orientieren.»

Ihr erster Alpsommer soll nicht der letzte sein. «Wir wollen zwei Jahre Erfahrungen sammeln, und ich habe schon einen Käsekurs an der Landwirtschaftsfachschule in Uri gemacht», sagt Ihne. Ziel ist es, später eine Alp oder Berghütte mit Gästebetrieb in der Region zu pachten. Den Whatsapp-Status hat er bereits angepasst, mit einem Goethe-Zitat: «Berge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler.»

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