Kolumne von Patrizia Laeri
Tech-Rentner retten die Wirtschaft

Seniorinnen und Senioren erobern die digitale Welt. Doch von der Werbeindustrie werden die Silver Surfers gnadenlos vernachlässigt. Eine Fehlleistung.
Publiziert: 12.05.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2021 um 18:52 Uhr
Patrizia Laeri

Kürzlich waren die Grosseltern endlich mal wieder zu Besuch. Und sie haben sich verändert. Sie scheinen nun mehr an den digitalen Geräten zu kleben als unsere Kinder.

Viele ältere Menschen hat die Pandemie zwangsdigitalisiert. Einkaufen, sich informieren oder einfach Freunde und Familie sehen, das ging nur online. Und die neuen Tech-Rentnerinnen und -Rentner werden auch nicht wieder aus dem Internet verschwinden.

Wirtschaftswachstums-Elixier: Ältere Generation

2017 hat fast die Hälfte der über 65-Jährigen in Umfragen noch gesagt, dass sie zu Hause kein Breitband-Internet hätten. Das hat sich radikal geändert.

Wer vermehrt zu Hause bleibt, kauft natürlich online ein. Auch dem Online-Shopping-Giganten Amazon bescheren die Tech-Rentner ein Milliarden-Hoch. Vor allem die Silver Surfers haben den Online-Handel hierzulande drei Jahre in die Zukunft katapultiert, beobachten Experten. Das Einkaufen per Klick hat in der Schweiz in den ersten drei Monaten 2021 nochmals um 43 Prozent zugelegt.

Unterschätzte Tiktok-Senioren

Die globale Studie von Hootsuite zur digitalen Welt zeigt aber auch: Die sogenannten Silver Surfers dominieren auch das Wachstum auf sozialen Medien-Plattformen. Die über 50-Jährigen vermehren sich am schnellsten auf Facebook, aber auch auf Snapchat & Co. Seniorinnen stürmen gar Tiktok mit eigenen Videos, die Hashtags #over50 und #over60 boomen.

Natürlich hat sich auch das Flirten im Alter in die virtuelle Welt verschoben. Dating-Plattformen wie Silver Singles melden, dass sie überrannt werden. Der digitale Graben zwischen den Generationen schliesst sich.

Schönheit vor Alter

Doch die Wirtschaft nimmt die digital erstarkten Senioren zu wenig ernst. Während immer mehr ältere Menschen wie Denise Boomkens mit and.bloom auf Instagram Tausende von Followerinnen gewinnen, weil sie positiv mit dem Altern umgehen und dies auch so darstellen, verpasst die klassische Werbeindustrie diesen Trend.

Laut dem Global Web Index fühlen sich weltweit 87 Prozent der älteren Menschen von Werbung nicht angesprochen, in Europa sind es gar 95 Prozent. Dieser Fokus auf faltenfreie Konsumenten ist nicht nur diskriminierend, es ist wirtschaftlich auch eine groteske Fehlleistung.

Mehr digitale Start-upper

Das muss und wird sich ändern. Warum? Bereits haben die Silver Surfers auch das Interesse von Investorinnen und Start-ups geweckt. Seit der Pandemie werden vermehrt auch Investmentfonds ausgegeben, die in Start-ups investieren, die sich speziell an ältere Menschen richten.

Die über 65-Jährigen sind eine wichtige Wirtschaftskraft. Sie tätigen in den USA jetzt schon die Hälfte der Konsumausgaben. Ich wage deshalb auch vorauszusagen, dass wir in den nächsten Jahren auch mehr digitale Start-upper im Pensionsalter sehen werden. Es lebe die digitale Vielfalt. #aufbruch

Patrizia Laeri (43) ist Wirtschaftsjournalistin und Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ.

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