Fix zur Gesellschaft
«Isch das dr Rhii?»

Unsere Autorin hat auf der Strasse wieder einmal Leute belauscht. Dieses Mal eine Outdoor-Familie mitten in Zürich.
Publiziert: 19.03.2022 um 14:52 Uhr
Alexandra Fitz

Sie laufen durch die Stadt, als ob sie auf dem Weg zum Kilimandscharo wären. Oder zumindest nach Melchsee-Frutt. Ihre Hosen haben abnehmbare Beine, ihre Jacken Daunen von politisch korrekten Gänsen und ihre Schuhe ein besseres Profil als die von Reinhold Messner. Leistete man sich früher einen Gürtel von Gucci oder eine Tasche von Louis Vuitton, kauft man sich heute Windjäckchen und Rucksäcke von Marken, die nach ausgestorbenen Elefanten oder nach dem südlichsten Teil Südamerikas benannt sind. Das Ergebnis sind Outdöörler. Ganz viele Outdöörler. Und weil unsere Winter nicht so hart sind und der Schweizer ja per se viel schaffet und Freizeit ein rares Gut ist, zieht er die Outfits halt auch einfach so an. Mitten in der Stadt. 365/24/7.

Aber eigentlich wollte ich Ihnen gar nicht vom Outdoor-Städter erzählen, ich kam grad nur darauf, als ich eben letzthin diese Kinder beobachtete. Sie wissen ja, beobachten und lauschen ist eine meiner Lieblingstätigkeiten. Sie liefen vor mir. Zwei Buben. Ich bin schlecht im Alterschätzen. Sie konnten auf jeden Fall beide schon gut laufen, waren aber deutlich zu jung zum Flaschendrehen. Die Knirpse waren in Begleitung ihrer Mutter. Und alle drei steckten in Zipperhosen und Softshelljacken – daher der Schlenker zu den Outdöörlern! Was mich neben den perfekten Sportkleidern sehr erfreute, die beiden Knirpse hatten je einen Stecken in der Hand. So einen, wie ihn die Hirten haben oder Kinder eben gerne am Wegrand aufsammeln, wenn sie von ihren Eltern zum Wandern gezwungen werden. Die Familie, ready für einen Wandertag auf der Melchsee-Frutt, schlenderte über eine Brücke mitten in der Stadt Zürich.

«Isch das dr Rhii?», fragte der ältere der beiden Söhne, blieb stehen und schaute auf das Wasser hinab.

Die Sihl bei Zürich.
Foto: Keystone

«Nei, d Sihl», antwortete seine Mutter.

Ich passierte und lächelte die Mutter an. Sie schmunzelte zurück. Kurz war ich konsterniert und dachte: «He, Junge, das musst du aber wissen.» Während ich aber gleich zum Schluss kam, dass dieser Fluss nun wirklich nicht der bedeutendste ist, hörte ich, wie sich der Junge abermals zur Mutter wandte und fragte:

«Warum heisst der Fluss Ziel?»

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