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Fix zur Gesellschaft
Ich rede, also bin ich

Unsere Autorin teilt sich gerne mit oder kommentiert ihre Handlungen. Ihr Umfeld irritiert das manchmal.
Publiziert: 02.01.2021 um 16:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.02.2021 um 14:38 Uhr
Alexandra Fitz

Kennen Sie das? Sie müssen eigentlich schon lange dringend auf die Toilette, aber Sie sind einfach zu faul? Schlimm ist diese Situation morgens im Bett. Man will eigentlich noch schlafen, zumindest liegen bleiben, aber dieser verdammte Druck. Irgendwann gibt man auf und schlurft mit fast geschlossenen Augen ins Badezimmer.

Diese Frage mit dem faulen Toilettengang, also Sie wissen schon, was ich meine, stellte ich vergangene Woche meinen Redaktionsgspänli. Einer fragte zurück: «Musst du eigentlich jede Information teilen?» Ich antwortete: «Ja, wenn sie spannend ist, dann schon.» Er lachte, ich meine es ernst. Auf dem Weg zum Klo dachte ich über seine Frage und seinen gar nicht wirklich unterschwelligen Vorwurf nach. Ich bin offensichtlich ein Mitteiler. Nur ein paar Tage zuvor sagte mein Freund zu mir: «Sag mal, musst du eigentlich alles kommentieren?» Er fragte mich nicht wirklich, denn er kennt die Antwort längst. Ich bin offensichtlich ein Kommentierer.

Sätze wie «Ich geh aufs Klo» kommen bei mir häufig vor. Erstens sollen meine Mitmenschen wissen, wo ich bin. Analog zum berühmten Keller-Satz «Wenn ich in 10 Minuten nicht zurück bin, kommst du schauen, ob alles in Ordnung ist» könnte ja etwas passieren. Zweitens wollen sie mir vielleicht vorher noch etwas Wichtiges mitteilen, und drittens sage ich es vor allem zu mir selbst. Ich rede gerne mit mir, sage laut, was ich gerade tue oder tun werde.

Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier

Bei mir müsste man den berühmten Satz von René Descartes (1596–1650) «Ich denke, also bin ich» umwandeln in «Ich rede, also bin ich». Wenn ich Geschichten erzähle, dauern diese auch unheimlich lange. So lange, dass die Leute um mich herum sich meistens hinsetzen, wenn ich anfange. Aber es gibt auch drastischere Methoden in der Familie: Zum Geburtstag nahm ich meinem Göttibub eine eigene Geschichte auf. Mit der Toniebox, ein würfelförmiges Abspielgerät mit sehr einfacher Bedienung, können schon die Kleinsten Geschichten hören. Wenn sie die Figur auf den Würfel stellen, wird sie abgespielt, nehmen sie die Figur runter, hört sie auf.

Mein Göttibub hat noch nie mehr gehört als «Hallo Gion, do isch d Gotti. I verzell dir jetzt a Gschichtli!». Dann nimmt er nämlich das Figürchen und schmeisst es auf den Boden.

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