Fix zur Gesellschaft
Ich komme aufs Pflanzenschafott

Unsere Autorin hat einen schwarzen Daumen. Die Nachbarin bittet sie dennoch regelmässig, auf ihr Grünzeug aufzupassen. Das geht dann halt auch meistens schief.
Publiziert: 31.10.2020 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2021 um 14:34 Uhr
Alexandra Fitz

Sie fragte mich schon wieder. Und ich konnte nichts sagen, hatte ich ihre Schlüssel doch schon in den Händen. Ihr Vertrauen in mich und meine Pflanzengabe überraschte mich. Ich habe keinen grünen Daumen. Ich kaufe mir Schnittblumen, weil die naturgemäss verwelken und das nicht auf meine Unfähigkeit zurückzuführen ist. Die Zimmerpflanzen in unserer Wohnung sind meist Kakteen oder Sukkulenten, benötigen also wenig Aufmerksamkeit und gehören sowieso nicht in meinen Aufgabenbereich. Meiner ist der Balkon – und auch da muss man mich immer ans Giessen erinnern.

Diesen Sommer war ich schon mal Giessmeisterin bei den Nachbarn. Der Blauregen ging mir ein. Wobei, der Strauch hat keine einzige Blüte. Dem ging es noch nie gut. Aber ich googelte, verschickte Fotos an Gärtner. «Das könne von heute auf morgen passieren», hiess es, oder «Im Topf sind die eh heikel». Es war halt einfach so furchtbar heiss, und ich war auch nicht immer zu Hause, und ich kann doch nicht wegen Nachbarspflanzen daheim bleiben.

Ich schrieb ein Brieflein, entschuldigte mich mehrmals und bekam im Gegenzug ein paar gute Flaschen Wein. Das sei ihnen auch passiert, ich solle mich nicht sorgen. Ich hatte aber ein paar Tage Stress: Die verdorrten Blätter, die kahle Pflanze, mein Versagen – das alles machte mir Bauchweh. Ich war bloss froh, dass sie zurück waren und ich ihnen den Schlüssel wieder abgeben konnte.

Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier
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Und dann diese Herbstferien. Zwei Wochen. Ich ging schon rüber, aber nicht jeden Tag. Es war ja nicht mehr so heiss. Einmal ging ich rüber. Draussen war alles okay, es blühte gar in den Balkonkistchen. Aber zwei, sagen wir drei Zimmerpflanzen sahen fürchterlich aus. Die langen Ranken (sie schlängelten sich auf dem Fenstersims, einige reichten bis zum Boden) waren total verdorrt. Ich versuchte das vertrocknete Gestrüpp rauszulösen, aber es löste sich fast alles aus der Erde. So blieb kaum mehr was von der Pflanze übrig. Ich sass auf dem Boden mit den Ranken in den Händen, bereit für den Kompost.

Ein Fall für Peter Hasler. Hasler gehört ein Pflanzencenter in Dietikon und eine riesige Zimmerpflanzen-Auswahl. Er hatte dieses grün-lila Zebrakraut, und ich kaufte der Nachbarin noch ein zwei andere Pflänzlein. Ihr Fenstersims sieht hübscher aus als je zuvor. Das findet sie auch. Ich bin als Dank zum Essen eingeladen. Ich gebe ihr den Schlüssel ab – und nehme ihn nie wieder.

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