Haustiere der Dichter und Denker
Hunde-Prosa und dichten für die Katz

Es kreucht und fleucht allenthalben: Tiere sind treue Begleiter von Kulturschaffenden. Dichtern und Denkern haben es vor allem zwei Arten angetan, die ihr Schaffen nachhaltig prägen.
Publiziert: 17.10.2020 um 14:11 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2020 um 15:40 Uhr
Er hatte einen Vogel: Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) mit seinem Kakadu Lulu.
Foto: HO via Homepage Dürrenmatt eine Liebesgeschichte
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Daniel Arnet

Sie schleichen durch Romane, brüllen aus Lautsprechern, suhlen sich in Gemälden oder galoppieren über Kinoleinwände: Tiere sind in der Kultur allgegenwärtig – von der Pythonschlange Kaa aus Rudyard Kiplings «Dschungelbuch» (1894) über «Eye of the Tiger» (1982) der US-Rocker Survivor und «Das Suppenschwein» (1987) des deutschen Malers Michael Sowa bis hin zu den Pferden im Western «True Gritt» (2010) der Coen-Brüder.

Sprechende Tiere wie im «Dschungelbuch» sind schon seit dem antiken Griechenland aus Äsops Fabeln bekannt; in Teichen und Suppentellern schwimmende Schweine rühren demgegenüber von jüngeren Tagen her. «Schweine machen sich in Landschaften, also auch in inszenierten, immer gut», erklärte Sowa (75) seine Objektwahl unlängst in einem Interview. In Berlin lebend ist der Künstler aber nicht gleich selber Bauer und Schweinezüchter.

Dalís Ozelot und Dürrenmatts Kakadu

Ist das Tier hier bloss ausgedachte Staffage, haben reale Tiere andernorts keinen Einfluss auf die künstlerische Produktion. So hatte der US-Schauspieler George Clooney (59) während 18 Jahren bis 2006 das Hängebauchschwein Max, ohne dass es je eine Rolle an seiner Seite spielen durfte. Auch Salvador Dalís (1904–1989) Ozelot hielt der Künstler nicht in Öl fest, und Friedrich Dürrenmatts (1921–1990) Kakadu gereichte es nicht zur Romanfigur.

Es gibt sie aber, diese unmittelbare Wechselwirkung zwischen Tierhaltung und Festhalten des Tiers im kulturellen Schaffen, vor allem bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern. So hat sich Juli Zeh (46) – Besitzerin der Hunde Othello und Olga sowie der Katze Tiger – schon mehrfach essayistisch zu Tierrechten geäussert, Daniel Kehlmann (45) veröffentlichte nach dem Tod seines Nuschki das «Requiem auf einen Hund» (2009).

Und Robert Gernhardt (1937–2006) reimte auf Bilder, die seine erste Frau von den gemeinsamen Stubentigern malte: «Stumm liegt die Katze auf dem Tisch und denkt an einen Räucherfisch …» In den 1970er-Jahren resultierten aus dieser Zusammenarbeit mehrere preisgekrönte Kinderbücher. In den Achtzigern drängte es Gernhardt dazu, seine Katzenerkenntnisse auch Erwachsenen mitzuteilen: «Von einer Katze lernen / heisst siegen lernen. / Wobei siegen locker durchkommen meint, / also praktisch liegen lernen.»

Tierische Musen der Dichter und Denker sind überwiegend zwei Arten: Hund und Katze. Wobei es zumeist heissen müsste: Hund oder Katze. Zur Hunde-Fraktion gehören und gehörten etwa die Schweizerin Zora del Buono (57, «Die Marschallin») mit ihrer neapolitanischen Strassenmischung Mica, der deutsche Dichter Clemens Meyer (43, «Zwei Himmelhunde») mit seinem Dobermann-Rottweiler Piet, der englische Thrillerautor John le Carré (88) mit seinem Windhund und der US-Bestsellerschreiber Tom Wolfe (1930–2018) mit seinem Jack Russell Strawberry.

Rund 50 Katzen im Hemingway-Haus

In Wolfes grösstem Erfolgsroman «Fegefeuer der Eitelkeiten» (1987) spielt ein Hund eine zentrale Rolle: «Draussen im Regen zog Sherman inzwischen ziemlich kräftig an der Leine, aber das Tier bewegte sich nicht. Er stemmte sich nach der einen Seite und der Hund nach der anderen, während sich die Leine zwischen ihnen straffte. Ein Tauziehen zwischen einem Mann und einem Hund.» Da scheint einer aus Erfahrung zu schreiben.

Zur Katzen-Fraktion zählen und zählten die bekennenden Hundehasser Kurt Tucholsky (1890–1935), Friedrich Nietzsche (1844–1900) und Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) – Letzterer ortete in seinem «Faust» den Teufel als des «Pudels Kern» – sowie die gelebten Katzenfreunde Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), Charles Baudelaire (1821–1867), Louis Begley (86) und Ernest Hemingway (1899–1961).

40 bis 50 Katzen bewohnen heute Hemingways Haus in Key West, Florida (USA), in dem der Literaturnobelpreisträger von 1931 bis 1939 lebte. Damals bekam er von einem Schiffskapitän die weisse Katze Snowwhite zum Geschenk. Das Besondere an ihr: Sie hatte statt fünf sechs Vorderzehen, was sie unter Seefahrern zur Glücksbringerin machte, weil solche Katzen angeblich besonders seetauglich sind. Die meisten Nachkommen von Snowwhite, die jetzt durchs Haus streunen, weisen noch diese Anomalie auf.

«Mit einer Katze ist ein Schriftsteller weniger allein, doch allein genug, um zu arbeiten», sagte einst die Krimi-Bestsellerautorin Patricia Highsmith (1921–1995). Denn Schreiben ist ein einsamer Job. Und da Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Gegensatz etwa zu Musikerinnen oder Schauspielern meist zu Hause arbeiten, sind sie auch besonders prädestiniert für Haustiere wie Hund oder Katze.

Ethisch wie der Hund oder ästhetisch wie die Katz

Hund oder Katze: Was sagt die Präferenz über einen Tierhalter aus? Und inwiefern wirkt sich das Haustier auf das Werk aus? «Ich glaube, es ist etwas Mystisches, etwas Metaphysisches, dass die Natur gerade diese beiden Hausgenossen dem Menschengeschlecht beigestellt hat», schreibt der deutsche Philosoph Theodor Lessing (1872–1933) im Essay «Hund und Katze» aus seinem Buch «Meine Tiere» (1926). In diesen zwei Tieren tut sich für Lessing der Gegensatz in der menschlichen Psyche kund.

Deshalb teilt Lessing alle seine Bekannten in Katzenmenschen und Hundemenschen ein. «Und auch alle Dichter, Künstler, Denker teile ich so ein, je nachdem, ob sie mehr moralisch, logisch, ethisch, altruistisch sind oder aber mehr ästhetisch, religiös und eigenbezüglich», schreibt er. «Ich habe auch bemerkt, dass hilfsbereite, tüchtige, mitleidige Menschen alle den Hund vorziehen, dagegen die selbstgenügsamen, ungeselligen Eigenbrötler und Schöngeister lieben die Katze.»

Hat sich Robert Gernhardt vom ungeselligen Eigenbrötler zum hilfsbereiten Menschen gewandelt? Jedenfalls macht 1995 eine Zufallsbegegnung an der toskanischen Mittelmeerküste aus dem Katzenkameraden einen Hundehalter. Dezember ists, nass und kalt – da taucht vor seinem Auto am Strand ein mittelgrosser, dunkler Hund auf, bis auf die Knochen abgemagert, aber erwartungsfroh wedelnd.

Gernhardt bringt die Hündin zum Tierarzt. Und es kommt, wie es kommen muss: Kein Jahr später ist er Besitzer einer schwarz glänzenden, fast reinrassigen Pointer-Dame, die er Bella ruft. «Scheiss der Hund drauf», sagt sich Gernhardt. «Eigentlich hat die unerzogene Bella all jene Qualitäten, die ich als Katzenfreund so an meinem Purzelchen schätze: Freiheitsliebe, Unangepasstheit, Eigensinn …» Nur dass man die Katze nicht vier Mal am Tag Gassi führen müsse.

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