Die Frage, was erlaubt ist und was nicht, beschäftigt die Menschen seit langer Zeit intensiv: strafrechtlich, moralisch und auch religiös. Doch die Antworten sind meist völlig nutzlos. Denn irgendeiner sieht es ja sowieso anders und hält sich nicht an die soziale Ordnung. Vermutlich ist diese ohnehin nichts anderes als die schlichte Summe individueller Schamgefühle: Unterlassen wird nicht, was tatsächlich falsch ist, sondern womit man sich blossstellen würde. Und das ist, wenn man sich so umsieht, herzlich wenig. Der öffentliche Raum wird zusehends privatisiert, indem er als eine Art Erweiterung der Wohnräume verstanden wird.
In der Folge ist es nur natürlich, im Tram Bier zu trinken – man befindet sich ja sozusagen mit Freunden auf dem Sofa. Überhaupt scheint das Leben von grossen Teilen des Volks mit einer einzigen grossen Party gleichgesetzt worden zu sein, die hinterher andere zu bezahlen und aufzuräumen haben. Anders sind Phänomene wie Verschuldung, Littering, Massenbesäufnis sowie die Unlust, Kunden auch als solche zu behandeln, schlecht zu erklären.
Die Konsumgesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie Dinge kauft, und zwar mehr, als sie braucht, und mehr, als sie sich leisten kann. Aber auch dadurch, dass sie grundsätzlich allem mit einer Konsumhaltung entgegentritt. Auch dem Arbeitgeber und dem Partner. Restlos alles muss cool und geil sein. Und am besten gratis.
Ihre Kollegen sind offenbar überzeugt, an einem einzigen Arbeitstag so viel geleistet zu haben wie andere an deren fünf – weswegen sie das wohlverdiente Wochenende so rasch wie möglich antreten wollen. Über die bodenlose Frechheit ihres Chefs, sie morgen früh schon wieder am Schreibtisch zu erwarten, sehen sie, wie es sich für urbane Freigeister gehört, grosszügig hinweg.
