Nachhaltig und gesund
Warum wir regional und saisonal essen sollten

Einverstanden, man wird zwar nicht sofort krank oder fällt tot um, wenn man es nicht tut. Aber es gibt doch gute Gründe, regional und saisonal zu essen.
Publiziert: 19.01.2018 um 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:17 Uhr
Werner Vontobel

Nahrung ist mehr als nur Kalorien, Fett, Eiweiss und Kohlenhydrate. Die Nahrungskette ist auch ein Informationskreislauf. Und die wichtigsten Informationen, die alle Zellen der Welt seit Milliarden Jahren verarbeiten, sind die Biorhythmen. Sie stecken auch in den (links- oder rechtsdrehenden) Molekülen, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Sie programmieren die chemischen Reaktionen in unseren Zellen. Unsere Nahrung dient nicht nur der Gewinnung von Energie, sie steuert auch unsere Hormone.

Fruktose zum Beispiel spielt bei den reproduktiven Funktionen eine wichtige Rolle und sie bereitet uns - in grösseren Mengen genossen – auf den Winterschlaft vor bzw. regt den Körper an, Fettreserven anzulegen. Da passt es, dass Fruktose vor allem in den reifen Früchten steckt, die – wenn man sich wie unsere Vorfahren saisonal ernährt - im Herbst auf dem Speiseplan stehen.

Zusammensetzung der Lebensmittel variiert

Auch bei den Fetten hinterlassen die Biorhythmen ihre Spuren. So ist etwa das Fett der Kuhmilch im Sommer ganz anders zusammengesetzt als im Winter. Milchfett setzt sich aus etwa 80 verschiedenen Sorten zusammen. Mit 32% ist die Palmitinsäure mit Abstand die wichtige, gefolgt von der Ölsäure mit 21,2%. Das gilt allerdings nur im Winterhalbjahr. Im Sommer ist das Verhältnis ziemlich genau umgekehrt: 30,7% Ölsäure, 22% Palmintinsäure. Auch bei fast allen anderen Fetten gibt es grosse Unterschiede.

Regionales Gemüse ist nicht nur nachhaltig und gesund, es schmeckt auch sehr gut!
Foto: Thinkstock Images

Warum ist das so? Anja Leitz hat diese Frage in ihrem neuen Buch «Fett - Das Handbuch für einen optimierten Stoffwechsel (...)» in etwa wie folgt beantwortet: Zellen aller Lebewesen bestehen weitgehend aus Fett und müssen dafür sorgen, dass sie einerseits stabil, andererseits aber auch durchlässig genug sind. Da Fette unterschiedliche Schmelzpunkte haben, brauchen die Zellen im Sommer (bzw. im warmen Klima) mehr gesättigte und im Winter mehr ungesättigte Fette. Deshalb ist etwa Wildlachs aus Alaska voll mehrfach ungesättigten, flüssigen Fettsäuren, während in der Olive die einfach ungesättigten und in der Kokosnuss die gesättigten Fettsäuren dominieren.

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Gewohnheit zahlt sich auch beim Essen aus

Zwar kann der menschliche Körper die meisten Fette, die er braucht in Leber und Hirn herstellen. Als Rohmaterial dienen ihm dabei fast ausschliesslich die langkettigen, gesättigten Fette. Diese Arbeit wird ihm allerdings deutlich erleichtert, wenn die Zusammensetzung der Nahrung in etwa seinen Bedürfnissen entspricht. Ergo lohnt es sich, regionale und saisonale und altmodische Nahrungsmittel (mit denen der Körper vertraut ist) zu bevorzugen. Pflanzenfette etwa aus Sonnenblumen oder Sojaöl gehören nicht dazu. Sie enthalten mehr Omega-6-Fette als der Körper brauchen kann.

Fette liefern nicht nur Energie, sie sind auch Informationsträger. Palmitinsäure z.B. aktiviert die Gene, die für die Bildung der Myelin-Schicht in den Nervenzellen des Hirns wichtig sind. Dafür braucht es aber auch Jod, Eisen, Kupfer, Zink und Selen. Bei den Tieren sind diese Abläufe nicht sehr viel anders. Um sich ausreichend mit diesen Stoffen zu versorgen, bevorzugen Kühe Gräser und Kräuter, die reich an diesen Nährstoffen sind. Ihre Darmflora ist – ähnlich wie beim Menschen – in der Lage, einen Mangel an Nährstoffen zu erkennen und dem Gehirn entsprechende Signale zu schicken. Schwangere Frauen entwickeln oft sehr spezifische Vorlieben, etwa für Erdbeeren.

«Wir sind ein Teil des Waldes»

Wie gesagt: Die Nahrungskette ist auch ein Informationskreislauf, in den wir eingebunden sind. Der Förster Peter Wohlleben hat in seinem Buch «Das geheime Leben der Bäume» auf eindrückliche Art den Informationskreislauf des Waldes beschrieben. Alles, was dort lebt, kommuniziert miteinander und ist denselben Rhythmen von Tag und Nacht, Sommer und Winter, Kälte und Wärme unterworfen. Alle Tiere und Pflanzen haben ihre innere Uhr, ihre Fotorezeptorzellen, welche die komplexen hormonellen Abläufe steuern.

Ein Spaziergang mit Bestsellerautor Peter Wohlleben

Wohlfühlen mit Wohlleben: Mit dem deutschen Baumversteher Peter Wohlleben vorbei an Föhre, Buche und Kastanie. Lesen Sie das Interview mit dem Autor.

Peter Wohlleben geht im Wald spazieren

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So wie die SBB nicht ohne Fahrplan funktioniert, brauchen alle Organismen einen Taktgeber. Nun sind wir Menschen nicht ganz so eng in unser Biotop eingebunden, wie etwa die Bäume des Waldes. Wir können auch mal schnell nach New York jetten, im Winter Bananen essen oder die Nacht zu Kunstlicht zum Tage machen. Aber die zunehmende Häufigkeit von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Krebs, Alzheimer, Glutenunverträglichkeit usw. zeigt, dass wir uns überschätzen. Wir sehen uns gern als starke Bäume und vergessen, dass wir ein Teil des Waldes sind.

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