EU-Politiker über Verhandlungsabbruch
«Nichts ist besser geworden, nur teurer»

Andreas Schwab ist Leiter der Schweiz-Delegation im EU-Parlament. Der CDU-Politiker sagt: Künftig werde Brüssel bei den Bilateralen genauer hinschauen.
Publiziert: 30.05.2021 um 01:15 Uhr
Interview: Camilla Alabor

SonntagsBlick: Der Bundesrat bricht die Verhandlungen über das Rahmenabkommen ab. Wie ist dieser Entscheid in Brüssel angekommen?
Andreas Schwab: Die Vorgehensweise des Bundesrats wurde nicht positiv aufgenommen. Selbst wenn man nach Jahren des politischen Dialogs auf Schweizer Seite zum Ergebnis kommt: «Es geht doch nicht!», wäre es angemessen gewesen, das in einem freundschaftlichen Gespräch zu erklären. Die EU verhandelt mit der Schweiz ja nicht aus Langeweile.

Der Bundesrat hat Brüssel also vor den Kopf gestossen.
Die Schweizer Regierung würde sich diese Art des Umgangs mit keinem anderen Land der Welt erlauben. Nach x Verhandlungsrunden ohne Angaben von Gründen den Stecker zu ziehen, käme ihr bei China oder Russland nicht in den Sinn. Für die Europäer, die sich um eine Kompromissfindung mit der Schweiz bemüht haben, ist das keine schöne Erfahrung.

In der Schweiz ist die Wahrnehmung diametral anders: Bei der Unionsbürgerrichtlinie zeigte die Europäische Union keinerlei Kompromissbereitschaft.
Ich will die EU nicht pauschal verteidigen. Bei der Unionsbürgerrichtlinie waren am Ende noch sieben Punkte offen. Aber die Schweizer Regierung hat im Detail nie Vorschläge gemacht, wie man diese Punkte klären könnte. Dabei bin ich mir sicher, dass man eine Lösung hätte finden können.

EU-Parlamentarier Andreas Schwab kritisiert den abrupten Abbruch der Gespräche über das Rahmenabkommen. Damit sei das Verständnis für die Schweiz in Brüssel nicht gerade gestiegen, lässt er durchblicken.
Foto: picture alliance / picture alliance
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Wie denn?
Zum Beispiel, indem EU-Bürger, die in der Schweiz jahrelang gearbeitet haben, das Recht auf Daueraufenthalt ein paar Jahre später erhalten hätten als in EU-Ländern. Diese Art der Verhandlung hat erst gar nicht stattgefunden. Vom Verhandlungstisch aufzustehen, ist aus meiner Sicht unanständig. Umso mehr, als man das bestehende Personenfreizügigkeitsabkommen in der Schweiz gar nicht richtig anwendet.

Wie meinen Sie das?
Die Schweiz hat die Personenfreizügigkeit bis heute nicht auf alle 27 EU-Staaten ausgeweitet. Stattdessen gelten für Bürger aus den «alten» EU-Ländern andere Regeln als für jene aus den «neuen» EU-Ländern. Das geht natürlich nicht.

Wie gehts jetzt weiter?
Anders als der Bundesrat es darstellt, geht der bilaterale Weg so zu Ende. Wir sind mit einem bilateralen Rückweg konfrontiert.

Das müssen Sie erklären.
Es werden sich keine neuen Verträge ergeben, was bedauerlich ist. Vor allem aber sind bei den bestehenden Abkommen zusätzliche Kontrollen nötig, die ausser zusätzlichen Kosten nichts bringen. Mit dem Entscheid des Bundesrats ist nichts besser geworden, nur teurer.

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Der EU steht es ja frei, die Verträge zur gegenseitigen Anerkennung von Produkten aufzudatieren.
Nein – und das ist der Fehler, den in der Schweiz alle machen. Nehmen wir ein Unternehmen in Como. Italien leistet Zahlungen an das EU-Budget, trägt die Kosten für die Rettung von Flüchtlingen und so weiter. Dieses italienische Unternehmen muss nun mit einem Unternehmen in Lugano konkurrenzieren, dessen Bürger keinerlei solche Verpflichtungen haben. Die Schweiz kann am Binnenmarkt teilnehmen, aber nicht zu besseren Bedingungen als die EU-Staaten selbst.

Brüssel bleibt also hart?
Die EU-Kommission wird künftig sicher noch genauer darauf achten, ob Bern die geltenden Verträge umsetzt. Das ist, wie gesagt, heute nicht immer der Fall.

Dann droht im Extremfall die Kündigung von Verträgen?
Wir wollen die guten Beziehungen mit der Schweiz weiterführen. Die Schweiz hat tolle Wissenschaftler, Unternehmen, Diplomaten. Aber wir können seitens der EU nicht europäische Rechtsprinzipien über den Haufen werfen und die Schweizer besser behandeln als die Europäer. Das wäre unfair.

Würde es helfen, wenn die Schweiz die Kohäsionsmilliarde freigibt?
Nein. Die Kohäsionsmilliarde ist ein kleiner Beitrag, Norwegen bezahlt fünfmal so viel wie die Schweiz. Dass Bern diesen vereinbarten Beitrag seit 2013 nicht überwiesen hat, ist ein Unding. Aber auf diesen Beitrag könnte die EU im Notfall auch verzichten. Es geht hier nicht ums Geld, sondern um das Prinzip der Gerechtigkeit: Gerechtigkeit zwischen allen Bürgern und allen Ländern.

Persönlich

Andreas Schwab (48) ist Leiter der Schweiz-Delegation im EU-Parlament. Der CDU-Abgeordnete kommt aus Südbaden und sitzt seit 2004 im Brüsseler Europaparlament. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Andreas Schwab (48) ist Leiter der Schweiz-Delegation im EU-Parlament. Der CDU-Abgeordnete kommt aus Südbaden und sitzt seit 2004 im Brüsseler Europaparlament. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

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