«Es wird richtig hässlich»
Drosten wehrt sich gegen Verschwörungs-Vorwürfe

Ein Hamburger Physikprofessor behauptet, Christian Drosten wolle die Corona-Labor-Theorie gezielt vertuschen. Der Virologe wehrt sich gegen die Anschuldigungen.
Publiziert: 09.02.2022 um 10:35 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2022 um 10:42 Uhr
Auf chinesischen Tiermärkten werden Fische verkauft, aber auch exotischere Tiere wie Fledermäuse. Von diesen könnte das Virus auf Menschen übergesprungen sein.
Foto: Getty Images
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Waren es die Fledermäuse oder haben chinesische Forscher in Wuhan gepfuscht? Die Frage nach dem Ursprung des Coronavirus ist nicht abschliessend geklärt. Der deutsche Physiker Roland Wiesendanger (60) ist allerdings nicht nur davon überzeugt, dass ein Laborunfall für die Pandemie verantwortlich ist, sondern bezichtigt auch andere Wissenschaftler der Verschwörung.

Der Virologe Christian Drosten (49) und andere Fachpersonen halten einen natürlichen Ursprung – von der Fledermaus – für wahrscheinlicher. Für Wiesendanger Grund genug, um Drosten vorzuwerfen, die Öffentlichkeit gezielt in die Irre geführt zu haben.

«Diese haltlosen Anschuldigungen sind schon ungewöhnlich», sagt Christian Drosten jetzt im Interview mit der «Süddeutschen Zeitung». Viele Experten seien der Labor-Theorie nicht deshalb abgeneigt, weil sie unter Druck gesetzt würden, sondern «weil sie sich mit Virusevolution auskennen», hält Drosten fest. «Während die, die gar keine Berührung mit diesem Feld haben, versuchen, sich einen anderen Reim drauf zu machen. Aber diese Erklärungen sind einfach technisch unplausibel. Und manchmal wird es auch so richtig hässlich.»

Furin-Spaltestelle ist auffällig, aber kein Beweis

Doch warum glaubt der Physikprofessor überhaupt an ein Komplott? Wiesendanger argumentiert mit der sogenannten Furin-Spaltstelle des Virus. Diese sorgt nebst dem Spike-Protein dafür, dass Corona leicht in den menschlichen Körper gelangt. Wiesendanger behauptet, das ursprüngliche Fledermaus-Virus besitze keine natürliche Furin-Spaltstelle. Stattdessen sei sie vom Labor in Wuhan experimentell eingepflanzt worden.

Mehrere Wissenschaftler, darunter Drosten, hätten am 1. Februar 2020 an einer Telefonkonferenz mit US-Präsidentenberater Anthony Fauci über die Furin-Spaltstelle debattiert. Laut Wiesendanger sei es aber keine echte Diskussion gewesen, sondern vielmehr ein Gespräch darüber, ob man den Verdacht vor der Öffentlichkeit geheim halten soll oder nicht.

Drosten streitet das ab. Die Furin-Spaltstelle sei zwar auffällig, aber kein Beweis für einen nicht-natürlichen Ursprung. «Damals in der Telefonkonferenz haben wir besprochen, dass bei Influenza solche Furin-Spaltstellen ständig neu in der Natur entstehen. Als wir dann im vergangenen Jahr unsere eigenen Proben von Fledermäusen nachuntersucht haben, fanden wir gleich zwei Exemplare von Sars-verwandten Viren, bei denen nur eine Mutation nötig wäre, und dann hätten diese Viren auch so eine Furinspaltstelle ähnlich der von Sars-CoV-2.» Daraus schlussfolgert Drosten: «Wenn nur so geringe Änderungen im Genom notwendig sind, kann man sich durchaus darauf einstellen, dass so was in der Natur passiert.»

Gleiche Krankheitsökologie

Die Labor-These sei ebenfalls diskutiert und keinesfalls gewollt ausgeschlossen worden, sagt Drosten. «Die Personen, die das Gegenteil behaupten, haben dafür keinen einzigen Beleg vorgelegt. Es gibt auch keinen. Und was mich betrifft: Man kann in allen öffentlichen Äusserungen von mir sehen, dass ich immer offen war für beide Möglichkeiten.»

Er selber halte den Ansatz des natürlichen Ursprungs deshalb für wahrscheinlicher, weil bereits Sars-1-Virus, das zur gleichen Art gehöre wie Sars-CoV-2, von Fledermäusen über Schleichkatzen und Marderhunde auf den Menschen überging. «Wahrscheinlich erst in den Zwischenwirten veränderte sich das Virus so, dass es auch Menschen befallen konnte. Da gleiche Virusarten in der Regel die gleiche Krankheitsökologie haben, ist hier ein wissenschaftlicher Homologieschluss erlaubt, ich muss sogar sagen: geboten. Für die Hypothese vom Labor-Ursprung gibt es vergleichbar hochwertige wissenschaftliche Indizien nicht.»

In Wuhan passierten «gefährliche» Sachen

Zusammen mit anderen Teilnehmern der Telefonkonferenz hätten sie über zahlreiche weitere Auffälligkeiten diskutiert – unter anderem über eine kurze Sequenz von Genbausteinen, die per Gentechnik hätte eingebaut werden können. Allerdings stellte sich heraus, dass die gleiche Veränderung auch auftreten könne, wenn das Virus in der Natur zwischen Tieren übertragen wird.

Drosten ist zwar der Ansicht, dass in Wuhan durchaus Sachen gemacht wurden, «die man als gefährlich bezeichnen könnte». Allerdings glaubt er nicht, dass dabei das Sars-CoV-2-Virus herausgekommen wäre. Denn die Wissenschaftler hätten zwar potenzielle Vorgängerviren von Sars-CoV-2 gefunden, sie aber im Labor nicht züchten können.

An der besagten Telefonkonferenz hätten im Endeffekt Hinweise gefehlt, die «eindeutig auf eine Manipulation hinweisen und für die es keine andere Erklärung gäbe.» Das gemeinsame Fazit der Forscher sei gewesen: «Man könne weder ‹Ja› noch ‹Nein› sagen zur Labor-Hypothese.» Aus diesem Grund würde sich die WHO bis heute um die Klärung dieser Frage bemühen. (man)

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