Ein Jahr nach dem Mord an Jamal Khashoggi (†59) weiht seine Verlobte in Istanbul einen Gedenkstein ein
Zurück am Ort des Grauens

Vor genau einem Jahr wurde der saudische Regimekritiker Jamal Khashoggi (†59) bestialisch ermordet. Seine Freundin Hatice Cengiz kehrte nun an jenen Ort zurück, an dem sie vergeblich auf ihren Verlobten gewartet hatte.
Publiziert: 02.10.2019 um 19:53 Uhr
|
Aktualisiert: 03.10.2019 um 09:36 Uhr
Hatice Cengiz (M.) weihte einen Gedenkstein für ihren ermordeten Verlobten Jamal Khashoggi ein. Links von ihr: Amazon-Chef Jeff Bezos und Nobelpreisträgerin Tawakkol Karman.
Foto: AFP
1/28
Guido Felder

Hochemotionaler Moment vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul: Genau ein Jahr nachdem Jamal Khashoggi (†59) das Gebäude betreten hatte, begann am Mittwoch um 13.14 Uhr eine Gedenkfeier für den ermordeten saudischen Regimekritiker. Unter den Gästen befand sich auch Hatice Cengiz (37). Sie hatte ihren Verlobten vor einem Jahr zum Konsulat begleitet, wo er Papiere zur Hochzeitsvorbereitung abholen wollte. «Warte draussen, ich bin in zehn Minuten zurück», hatte Khashoggi noch gesagt.

Was darauf im Gebäude passierte, davon zeugen Audioaufnahmen: Khashoggi wurde von einem saudischen Killerkommando betäubt, erstickt und in Teile zersägt. Seine Leiche wurde nie gefunden. Die Uno-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard ist davon überzeugt, dass die Regierung Saudi-Arabiens hinter dem Mord steht.

An einem Buffet kennengelernt

Cengiz war nach dem Mord in eine tiefe Depression gefallen. In Istanbul, wo sie unter Begleitschutz stand, hielt sie es nicht mehr aus. Im April 2019 zog sie nach London, wo sie zurzeit Englisch lernt. Auf einen Bodyguard verzichtet sie. «Ich will ein normales Leben, wie ein Student, wie ein Mensch, nicht wie ein Zeuge», sagt sie.

Cengiz und Khashoggi hatten sich im Mai 2018 am Buffet einer Konferenz in Istanbul kennengelernt. Die Türkin mit einem Bachelor-Abschluss in Religionswissenschaften und einem Master in Nahoststudien hatte seine Auftritte und seine Kolumnen seit einiger Zeit begeistert verfolgt. Er war ihre erste Liebe, wie sie im Interview  sagte.

Aus Gesprächen entwickelte sich schnell Liebe. Bereits Anfang August bat er sie, seine Frau zu werden, was ihren Eltern – vor allem wegen des grossen Altersunterschieds von 23 Jahren – überhaupt nicht passte. Cengiz’ Vater stellte die Bedingung, dass sie nicht dauerhaft zu Khashoggi in die USA ziehen dürfe.

Jeden Morgen der Blick aufs Handy

Hatice Cengiz führt den Kampf weiter. Sie will die Mörder ihres Verlobten vor Gericht sehen. Sie will wissen, wo seine Leiche versteckt worden ist. Auf den Displays ihrer beiden Handys hat sie Bilder von Khashoggi gespeichert. Jeden Morgen schaut sie nach dem Aufwachen als Erstes, ob er angerufen hat – so wie sie es schon zu seinen Lebzeiten getan hatte.

Auf «spiegel.de» sagte Cengiz zu ihrer Motivation: «Wenn ich aufhöre, über Jamal zu sprechen, wird sein Tod von der Agenda verschwinden.»

Schreckenstat vor einem Jahr

Der Mord an Jamal Khashoggi geschah am 2. Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Der in den USA lebende Kritiker des Saudi-Regimes hatte einen Termin, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz zu beschaffen.

Die Mörder hatten sich schon vor der Tat über die Zerstückelung der Leiche unterhalten. «Sie fragten sich, ob der Körper und die Hüften auf diese Weise in eine Tasche passen würden.» Das sagte Anwältin Helena Kennedy, die zum Uno-Expertenteam gehörte, auf BBC. Laut Kennedy ist auf Aufnahmen zu hören, wie Khashoggi zunehmend in Angst gerät und schliesslich begreift, dass er getötet werden soll. 

Khashoggi wurde betäubt und mit einem Plastiksack erstickt. Laut Kennedy habe der Gerichtsmediziner, der Khashoggi zerteilte, gesagt: «Ich höre oft Musik, wenn ich Leichen zerteile. Manchmal mit einem Kaffee und einer Zigarette in der Hand.» Es sei das erste Mal, dass er Teile am Boden zertrenne. «Selbst ein Metzger hängt ein Tier auf, das er zerteilen will», habe der Gerichtsmediziner gesagt und gelacht. 

Der Mord an Jamal Khashoggi geschah am 2. Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Der in den USA lebende Kritiker des Saudi-Regimes hatte einen Termin, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz zu beschaffen.

Die Mörder hatten sich schon vor der Tat über die Zerstückelung der Leiche unterhalten. «Sie fragten sich, ob der Körper und die Hüften auf diese Weise in eine Tasche passen würden.» Das sagte Anwältin Helena Kennedy, die zum Uno-Expertenteam gehörte, auf BBC. Laut Kennedy ist auf Aufnahmen zu hören, wie Khashoggi zunehmend in Angst gerät und schliesslich begreift, dass er getötet werden soll. 

Khashoggi wurde betäubt und mit einem Plastiksack erstickt. Laut Kennedy habe der Gerichtsmediziner, der Khashoggi zerteilte, gesagt: «Ich höre oft Musik, wenn ich Leichen zerteile. Manchmal mit einem Kaffee und einer Zigarette in der Hand.» Es sei das erste Mal, dass er Teile am Boden zertrenne. «Selbst ein Metzger hängt ein Tier auf, das er zerteilen will», habe der Gerichtsmediziner gesagt und gelacht. 

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?