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Diese Frau will den Saudi-Kronprinzen für die Khashoggi-Ermordung zur Rechenschaft ziehen
Die Wahrheit ist ihr nicht genug

Gelockt, betäubt, erstickt, zersägt: Vor genau einem Jahr wurde der saudische Regimekritiker Jamal Khashoggi bestialisch ermordet. Eine Französin unternimmt alles, um den Fall zu lösen und den Saudi-Kronprinzen zur Rechenschaft zu ziehen.
Publiziert: 01.10.2019 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2019 um 06:54 Uhr
Die Uno-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard konnte die Aufnahmen im Konsulat anhören.
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Guido Felder

Vor genau einem Jahr erschütterte ein grausamer Mord die Welt. Der saudi-arabische Journalist und Regimekritiker Jamal Khashoggi (†59) wurde auf dem Saudi-Konsulat in Istanbul von einem eigens eingeflogenen Sonderkommando getötet und vermutlich in Stücke zersägt. Audioaufnahmen, wohl von Wanzen des türkischen Geheimdienstes geliefert, belegen das grausame Verbrechen.

Bis heute ist Khashoggis Leiche unauffindbar. Es ist nicht klar, wie intensiv die Türken und Saudis in der Sache wirklich ermittelt haben. Bisher wurde für das Staatsverbrechen – abgesehen von einem skurrilen Geheimprozess in Saudi-Arabien – noch niemand wirklich zur Rechenschaft gezogen.

«Das war ein Staatsmord»

Eine, die alles unternimmt, um Licht in das düstere Kapitel zu bringen, ist die Französin Agnès Callamard. Als Uno-Sonderberichterstatterin ist sie am Fall so nahe dran wie kaum jemand. Mit einem Dolmetscher recherchierte sie hartnäckig und unter widrigen Umständen.

Erst nach wochenlangen Verhandlungen hätten ihr die türkischen Behörden gestattet, 45 Minuten der mehrere Stunden dauernden Aufnahmen anzuhören. Sie durfte sie aber weder kopieren noch abschreiben. Saudi-Arabien habe ihr sogar sowohl Einreise als auch Gespräche verweigert, sagt sie in einem Interview mit «zeit.de».

Schreckenstat vor einem Jahr

Der Mord an Jamal Khashoggi geschah am 2. Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Der in den USA lebende Kritiker des Saudi-Regimes hatte einen Termin, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz zu beschaffen.

Die Mörder hatten sich schon vor der Tat über die Zerstückelung der Leiche unterhalten. «Sie fragten sich, ob der Körper und die Hüften auf diese Weise in eine Tasche passen würden.» Das sagte Anwältin Helena Kennedy, die zum Uno-Expertenteam gehörte, auf BBC. Laut Kennedy ist auf Aufnahmen zu hören, wie Khashoggi zunehmend in Angst gerät und schliesslich begreift, dass er getötet werden soll. 

Khashoggi wurde betäubt und mit einem Plastiksack erstickt. Laut Kennedy habe der Gerichtsmediziner, der Khashoggi zerteilte, gesagt: «Ich höre oft Musik, wenn ich Leichen zerteile. Manchmal mit einem Kaffee und einer Zigarette in der Hand.» Es sei das erste Mal, dass er Teile am Boden zertrenne. «Selbst ein Metzger hängt ein Tier auf, das er zerteilen will», habe der Gerichtsmediziner gesagt und gelacht. 

Der Mord an Jamal Khashoggi geschah am 2. Oktober 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Der in den USA lebende Kritiker des Saudi-Regimes hatte einen Termin, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz zu beschaffen.

Die Mörder hatten sich schon vor der Tat über die Zerstückelung der Leiche unterhalten. «Sie fragten sich, ob der Körper und die Hüften auf diese Weise in eine Tasche passen würden.» Das sagte Anwältin Helena Kennedy, die zum Uno-Expertenteam gehörte, auf BBC. Laut Kennedy ist auf Aufnahmen zu hören, wie Khashoggi zunehmend in Angst gerät und schliesslich begreift, dass er getötet werden soll. 

Khashoggi wurde betäubt und mit einem Plastiksack erstickt. Laut Kennedy habe der Gerichtsmediziner, der Khashoggi zerteilte, gesagt: «Ich höre oft Musik, wenn ich Leichen zerteile. Manchmal mit einem Kaffee und einer Zigarette in der Hand.» Es sei das erste Mal, dass er Teile am Boden zertrenne. «Selbst ein Metzger hängt ein Tier auf, das er zerteilen will», habe der Gerichtsmediziner gesagt und gelacht. 

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Die Uno-Ermittlerin kommt zum Schluss: «Das war kein Mord von Einzelpersonen. Das war ein Staatsmord.» Die Verantwortung für dieses Verbrechen liege bei der Führung von Saudi-Arabien. Sie fordert, dass der Fall von internationalen Experten weiter untersucht und vor ein UN-Tribunal gestellt werde.

Zum Jahrestag der Ermordung äusserte sich auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (34). In einem Interview mit dem US-Sender CBS News übernahm er zwar die «volle Verantwortung» für die Tat, bestritt aber, den Mord angeordnet zu haben.

Verlobte wartet jeden Morgen auf Anruf

Auch Khashoggis Freundin Hatice Cengiz (37) ruft nach der restlosen Aufklärung des Falles. In einer Kolumne in der «Washington Post» schreibt sie: «In dieser Zeit, als ich um die Welt reiste, um die Wahrheit zu suchen und Gerechtigkeit zu fordern, wurde kein einziger konkreter Schritt unternommen, um die wahren Täter zu bestrafen.» Jeden Morgen, wenn sie aufwache, gelte ihr erster Blick ihrem Telefon, um zu prüfen, ob ihr Verlobter angerufen habe. Cengiz: «Er ist noch immer ein grosser Teil meines Lebens.»

Sie kritisiert, dass kein EU-Staat Sanktionen gegen Saudi-Arabien verhängt habe, und geht mit US-Präsident Donald Trump (73) hart ins Gericht, weil er sie nicht empfangen habe und er die Saudis weiterhin unterstütze.

Khashoggi-Podium am WEF

Agnès Callamard fordert in Erinnerung an den ermordeten Journalisten, dass Strassen nach ihm benannt und Denkmäler errichtet werden. Auch in der Schweiz sollten Massnahmen ergriffen werden. In ihrem Bericht schreibt die Französin, dass man das Auslandsvermögen des Saudi-Kronprinzen einfrieren und am WEF in Davos eine Podiumsdiskussion zu Ehren Khashoggis einführen sollte.

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