Antibiotikaresistenz führt zu «stiller Pandemie»
Klebsiella-Keime breiten sich rasant in Europa aus

Die wachsende Antibiotikaresistenz ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Jährlich fordern ihre Folgen 1,3 Millionen Todesopfer weltweit. Nun breiten sich zwei neue Bakterienstämme rasant in Europa aus. Eine richtige Lösung gibt es aber nicht.
Publiziert: 30.11.2023 um 12:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2023 um 17:14 Uhr
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Jenny WagnerRedaktorin News

Die Erfindung von Penizillin vor 95 Jahren revolutionierte die Welt: Plötzlich waren bakterielle Infektionen nicht mehr tödlich. Doch eine Tendenz ist besorgniserregend: Immer mehr Bakterien sind antibiotikaresistent. Die Ausbreitung dieser Keime ist höchst gefährlich.

Derzeit grassieren neue antibiotikaresistente Bakterien vor allem in griechischen Spitälern, schreibt das «Ärzteblatt». Das «European Centre for Disease Prevention and Control» (ECDC) warnt vor den sogenannten «Klebsiella pneumoniae»-Bakterien. Die beiden Stämme ST39 und ST323 sind relativ neu und derzeit in Europa auf dem Vormarsch. Laut dem «Ärzteblatt» handelt es sich um «hoch resistente Stämme», die sich rasant ausbreiten.

Auch in der Schweiz sind antibiotikaresistente Keime im Umlauf. Anne Lévy (52), Direktorin des BAG, nannte die vermehrte Antibiotikaresistenz bereits im Juni 2023 in einer Rede «stille Pandemie». Die 2015 ins Leben gerufene «Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz» hat im Auftrag der Politik Ziele verfasst, um die Verbreitung dieser Pandemie einzudämmen. 

Antibiotika töten Bakterien und verhindern, dass sie sich verbreiten. Dadurch sind sie ein unverzichtbares Mittel gegen bakterielle Infektionen geworden.
Foto: higgs
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Bei Klebsiella pneumoniae handelt es sich um ein Bakterium, das sich schnell im Körper ausbreitet. Gesunden Menschen schadet es nicht. Die Behandlung von bakteriellen Infektionen wird aber durch die Antibiotikaresistenz nahezu unmöglich und kann zum Tod führen. 

1,3 Millionen Menschen sterben jährlich an Folgen

Die Klebsiella-Keime können auch neue Infektionen auslösen. Zum Beispiel Entzündungen in den Lungenlappen, Harnweginfektionen, Bronchitis, Mittelohrentzündungen, Sepsis oder Meningitis – alles Krankheiten, zu deren Behandlung normalerweise Antibiotika verschrieben werden.

«Die Antibiotikaresistenz ist eine der grössten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit», teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Mitteilung vergangene Woche mit. Jährlich sterben 1,3 Millionen Menschen weltweit an den Folgen einer Infektion durch antibiotikaresistente Bakterien.

Risikogruppen sind Immungeschwächte

Der Hauptgrund für die rasante Verbreitung ist die Überbeanspruchung von Antibiotika. Laut der WHO wird das Medikament zu oft und fälschlicherweise verschrieben – was die Wirksamkeit beeinträchtigt. 

Die Antibiotikaresistenz beschäftigt auch die Politik. Durch hohe Antibiotika-Abgaben in der Nutztierhaltung können resistente Bakterien über Fleisch und Milch in den menschlichen Körper gelangen. Mittlerweile ist der Einsatz ganzer Reihen antibiotischer Substanzen bei Tieren in der EU und in der Schweiz verboten.

Besonders gefährdet durch Klebsiella pneumoniae sind alte und immungeschwächte Menschen. Zu den Risikogruppen zählen Organtransplantierte, Krebspatienten und Patienten, bei denen ein invasiver Eingriff durchgeführt wird.

Klebsiella pneumoniae zählt zu den gefährlichsten Keimen, die in Spitälern vorkommen. Auch wenn gesunde Menschen keine Klebsiella-Infektionen erleiden, können sie die Erreger übertragen. Sowohl durch Hautkontakt als auch durch Kontakt auf kontaminierten Oberflächen verbreiten sich die resistenten Bakterien.

Was hilft gegen Antibiotikaresistenz?

Doch wie schützt man sich vor antibiotikaresistenten Bakterien? Die strengen Hygienevorschriften in Spitälern und Kliniken sind zwingend einzuhalten, um die Schwächsten zu schützen. Besonders vor dem Essen, beim Behandeln von Wunden, nach dem Husten und Niesen sowie bei der Benutzung des WCs soll man sich die Hände waschen.

Aber: Es gibt kein «Heilmittel» gegen die Antibiotikaresistenz. Die Ausbreitung kann laut dem deutschen Robert-Koch-Institut nicht verhindert, sondern nur verlangsamt werden.

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