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Weniger Einsprachen, verdichtetes Bauen
Das sind Rezepte gegen die Wohnungsnot

Immobilienexperten und Politikerinnen sind sich einig: Der Wohnungsmarkt ist aus dem Gleichgewicht. Jetzt muss rasch gehandelt werden. Blick zeigt mögliche Rezepte gegen die Wohnungsmisere.
Publiziert: 06.03.2023 um 00:36 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2023 um 13:58 Uhr

Die Töne auf dem Wohnungsmarkt werden immer alarmistischer: Von Wohnungsknappheit ist viel zu lesen, gar von Wohnungsnot. Es gibt viel zu wenige freie Wohnungen, die Mieten steigen und steigen. Das sorgt zunehmend für Unmut in der Bevölkerung.

Auch Immobilienexperten und Politiker prangern Versäumnisse an und fordern rasches Handeln. Die einen wollen, dass der Bund preisgünstigen Wohnraum stärker fördert. Andere verlangen stärkere Verdichtung, staatliche Kontrollen bei den Mieten oder ein Mittel gegen missbräuchliche Einsprachen.

Das Ziel: Der Wohnungsbau muss angekurbelt und das Steigen der Mietpreise gebremst werden. Denn durch die Zuwanderung und den steigenden Wohnflächenbedarf pro Kopf nimmt die Anzahl Haushalte in der Schweiz jährlich stärker zu, als Wohnraum geschaffen wird. Und je knapper das Angebot an freien Wohnungen, desto teurer die, die noch auf dem Markt sind.

Der Wohnungsbau muss angekurbelt werden. Die Überbauung Leuengarten in Uitikon-Waldegg ZH.
Foto: Keystone
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Klar ist: Wundermittel gegen die Wohnungsnot gibt es keine, die Umsetzung wird zudem einige Zeit dauern. Folgende Rezepte könnten eine Eskalation verhindern.

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Verdichtetes Bauen

Immobilienexperten sehen das Problem beim Raumplanungsgesetz, das 2014 angepasst wurde. Man wollte verdichten – zu Recht. «Die Umsetzung der raumplanerischen Kehrtwende wurde allerdings im besten Falle planlos und im schlechtesten Falle fahrlässig angegangen», sagt Fredy Hasenmaile (55), Immobilienexperte der Credit Suisse.

Das Problem: Laut Hasenmaile haben es Bundesrat und Parlament versäumt, die Verdichtung mit flankierenden Massnahmen zu fördern. «Die sich anbahnende Wohnungsnot ist damit hausgemacht», sagt Hasenmaile.

Der Immobilienexperte fordert eine Erhöhung der Ausnutzungsziffer. Diese definiert die maximal zulässige Überbauung eines Grundstücks. Zudem sollten die maximalen Bauhöhen erhöht werden.

Allerdings stehen die Chancen dafür schlecht. «Alle wollen verdichten und aufstocken», sagt Donato Scognamiglio (53), Chef der Immobilienberatungsfirma Iazi. «Ausser es ist vor dem eigenen Haus, dann will es plötzlich niemand mehr!»

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Weniger Einsprache-Möglichkeiten

Die Verdichtung wird aktuell von mehreren Seiten ausgebremst. «Es gibt zu viele missbräuchliche Einsprachen», sagt Hasenmaile. Meist geht es um Ortsbildschutz, Lärmgesetzgebung oder Artenschutz. Das führt zu Zielkonflikten. Allein in Zürich ist aktuell der Bau von weit über 1000 Wohnungen aufgrund des Lärmgesetzes blockiert. Deshalb sei es wichtig, Prioritäten zu setzen. «Man muss sich fragen, ob die Versorgung mit Wohnraum nicht wichtiger ist als der Ortsbildschutz», so Hasenmaile. Zudem müsse man dafür sorgen, dass die Einsprachemöglichkeiten nicht mehr so einfach missbraucht werden können.

Dafür müssten jedoch die Gesetze angepasst werden. Selbst wenn das geschieht, wird es wohl im besten Falle Jahre dauern, bis eine Entlastung spürbar sein wird.

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Umnutzungen fördern

In Bürogebäuden und Industriebauten ausserhalb der Zentren gibt es höhere Leerstände als in Mietwohnungen. Verlassene Fabriken oder leer stehende Hotels könnten zu Wohnraum umgenutzt werden.

«Solche Massnahmen sind heute schon umsetzbar», sagt Immo-Experte Scognamiglio. Voraussetzung dafür ist eine gewisse Flexibilität bei der Umzonung. Besonders an urbanen Lagen, die sich für Wohnraum eignen, sollten Mischzonen gefördert werden. Diese ermöglichen eine Mischung aus Gewerbe- und Wohnzonen.

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Schneller zur Baubewilligung

Baubewilligungen sind kompliziert und bürokratisch. Insbesondere grosse Wohnprojekte erfordern einen langen Atem. Zwischen Baugesuch und Erteilung der Baubewilligung vergehen in der Regel mehr als 300 Tage. «Der Baubewilligungsprozess muss vereinfacht werden», sagt Scognamiglio.

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Eine digitale Gesucheingabe könnte den Prozess beschleunigen. In Winterthur ZH ist das bereits Realität. «Diese Massnahme könnte relativ schnell umgesetzt werden», sagt Hasenmaile.

Das knappe Angebot und die steigenden Zinsen treiben – gerade auch bei Mieterwechseln – die Mieten immer weiter in die Höhe. Diese Rezepte könnten gegen teures Wohnen helfen.

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Mehr Genossenschaftswohnungen

Der Verein Wohnbaugenossenschaften Schweiz fordert den Bundesrat in einem Schreiben auf, den gemeinnützigen und günstigen Wohnungsbau stärker zu fördern. «Die jetzige Wohnraumförderung genügt nicht, um den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen rasch zu erhöhen», sagt Präsidentin und Basler Ständerätin Eva Herzog (61, SP).

Das Problem: Auch für günstigen Wohnraum brauche es ein Grundstück und eine Liegenschaft. Die Lösung sind laut Scognamiglio deshalb auch hierfür vereinfachte Rahmenbedingungen fürs Bauen, und nicht zusätzliche Subventionen.

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Staatliche Mietzins-Kontrolle

Der Kanton Genf legt fest, welchen Aufpreis der Vermieter für eine neu renovierte Wohnung höchstens verlangen darf. Zudem darf der maximale Mietzins – je nach Situation – bis zu zehn Jahre lang nicht erhöht werden. Auch in Basel-Stadt gibt es seit kurzem eine sehr ähnliche Mietpreiskontrolle. Ein Modell für die ganze Schweiz? Ja, findet Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden (52). «Es müssen die Behörden sein, die genauer hinschauen. Man kann nicht den Mietern die ganze Verantwortung aufbürden», findet sie. Bis in die 60er-Jahre hat es in der Schweiz bereits eine staatliche Mietzinskontrolle gegeben. Wieder eingeführt wäre sie relativ zügig, Wirkung könnte sie bereits kurz nach Inkrafttreten zeigen.

Doch die Frage ist, wie viel das bringt. In Genf sind die Mieten trotz der Kontrolle in den vergangenen Jahrzehnten explodiert, stärker noch als beispielsweise in der Stadt Zürich. Zudem wurden in Genf weniger Wohnungen renoviert als in anderen Regionen – was im Hinblick auf die Klimaziele keine gute Entwicklung ist.

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Mehr Transparenz beim Mietzins

In Luzern beispielsweise muss der Vermieter seit Ende 2021 in einem Formular offenlegen, wie viel der Vormieter für die Wohnung bezahlt hat. Ist die Differenz grösser als erlaubt, kann der Mieter den Zins anfechten. Ähnliche Regeln gibt es auch in Zürich, Zug oder Freiburg. Im Berner Kantonsparlament ist ein entsprechender Vorstoss hängig.

Der Bundesrat hatte schon vor Jahren einen Anlauf genommen, eine nationale Formularpflicht einzuführen. Doch das Parlament wollte davon nichts wissen. Unter anderem, weil die Erfahrung zeigt, dass auch in Kantonen, in denen die Miete des Vorgängers bekannt ist, nur sehr wenige gegen den Anfangsmietzins klagen. Trotzdem ist der Mieterinnen- und Mieterverband überzeugt, dass Transparenz zumindest ein Teil der Lösung ist.

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