Trotz diverser Corona-Skandale
Schweizer essen immer mehr deutsches Billig-Fleisch

In schlechten Zeiten wie der Corona-Krise ist es den Schweizern offenbar zusehends egal, woher das Fleisch kommt. Und unter welchen Umständen die Tiere gelebt haben. Hauptsache, der Preis stimmt.
Publiziert: 22.11.2020 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2020 um 14:58 Uhr

Die Corona-Ausbrüche in der Grossmetzgerei Tönnies sind allen noch präsent. Auch in anderen deutschen Schlachthöfen infizierten sich Hunderte osteuropäische Schlachter. Der Grund: Sie leben unter prekären Bedingungen, teilen sich ein Zimmer und die sanitären Anlagen. Bedingungen, unter denen sich das Coronavirus schnell verbreiten konnte.

Und doch: Deutsches Schweinefleisch in der Schweiz äusserst gefragt. Die Importzahlen schnellten dieses Jahr in die Höhe, berichtet die «SonntagsZeitung». Rund 5300 Tonnen waren es in den ersten neun Monaten. Davon kamen 4400 Tonnen aus Deutschland. Im Vergleich zur Vorjahresperiode liegt das Plus deutscher Produkte bei 34 Prozent, und gemessen am selben Zeitraum 2018 wurde fast zehn Mal so viel deutsches Schweinefleisch importiert.

«Tierquälerische Bedingungen»

Tierschützer gehen deswegen auf die Barrikaden. «Es ist bedenklich, dass gerade aus Deutschland immer mehr Schweinefleisch importiert wird. Denn dort herrschen industrielle Produktionsbedingungen, die als tierquälerisch bezeichnet werden müssen», sagt Stefan Flückiger, Geschäftsführer beim Schweizer Tierschutz, in der «SonntagsZeitung».

Bei Tönnies werden Schweinehälften zerlegt.
Foto: keystone-sda.ch
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Doch nicht nur die Konsumenten schauen offenbar vermehrt auf den Preis statt auf die Herkunft. Der Import von deutschem Billigfleisch lohnt sich aus finanzieller Sicht auch für Industrie und Handel. «Die Produktionskosten sind in Deutschland so tief, dass importiertes Billig-Schweinefleisch trotz Zoll für Händler und Hersteller günstiger als Schweizer Fleisch ist», sagt Flückiger.

«Sortiment vorübergehend ergänzt»

Auch bei Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, heisst es: «Die tiefen Angebotspreise machten die hohen Zollgebühren wett.» Und ein Sprecher des Bundesamts für Landwirtschaft sagt gegenüber der «SonntagsZeitung»: «Die Preise für deutsches Schweinefleisch sind besonders lukrativ.»

Bloss, warum setzen auch die beiden Grossen, Migros und Coop, vermehrt auf deutsches Importfleisch? Haben sie sich doch auf die Fahnen geschrieben, die heimische Landwirtschaft zu unterstützen und auf das Tierwohl zu achten? «Durch die Pandemie bedingt, überstieg die Nachfrage nach Schweinefleisch das Schweizer Angebot, weshalb das Sortiment vorübergehend ergänzt werden musste», heisst es bei Coop.

Und bei der Migros: «Bei verarbeiteten Schweineprodukten musste die Migros aufgrund der hohen Nachfrage – wie alle anderen Detailhändler auch – auf Importprodukte zurückgreifen.» (pbe)

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