Swiss-Flugbegleiterin liess sich frühpensionieren
«Hatte die Lust an meinem Job verloren»

Céline B. ist schon zu Swissair-Zeiten geflogen. Nun ist die Flugbegleiterin der Swiss frühpensioniert worden. Im Blick packt sie aus und erzählt, wie die Corona-Pandemie ihre Arbeit erschwert hat, und berichtet von Zukunftsängsten beim Kabinenpersonal.
Publiziert: 08.08.2021 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2021 um 09:52 Uhr
Nicola Imfeld

Die Corona-Pandemie hat die Swiss über Nacht in eine veritable Krise gestürzt. Im Frühling 2020 werden bei den langjährigen Angestellten Erinnerungen ans Swissair-Grounding wach: Die Lufthansa-Tochter stellt 24 Maschinen auf dem Zürcher Flugplatz Dübendorf ab. Die Swiss ist quasi gegroundet, die Crew verängstigt.

Mittlerweile hebt die grösste Schweizer Airline wieder ab. Die Stimmung beim Kabinenpersonal bleibt gedrückt. 336 Kolleginnen und Kollegen wurde gekündigt. Blick hat sich in den letzten Wochen im Swiss-Umfeld umgehört. Diejenigen, die noch da sind, wollen aus Angst vor einem Jobverlust nicht öffentlich sprechen. Und die meisten der Entlassenen hoffen darauf, dass sie nach der Krise wieder angestellt werden.

Swiss-Mitarbeiter zu Frühpensionierung überredet

Auch Céline B.* fürchtet sich vor Repressalien. Sie flog viele Jahre mit der Swiss um die Welt. Nun ist Schluss. Sie liess sich vor wenigen Wochen frühpensionieren. Dutzende anderer Angestellten haben es ihr gleichgetan. «Ich war sehr froh über diese Möglichkeit», stellt B. im Gespräch mit Blick klar. Nicht alle hätten aber in Rente gehen wollen. «Teilweise sind Kollegen dazu überredet worden.»

Céline B.* flog viele Jahre mit der Swiss um die Welt. Nun ist Schluss. Sie liess sich vor wenigen Wochen frühpensionieren. Im Blick packt sie aus – aus Angst vor Repressalien anonym.
Foto: Nathalie Taiana
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Ausser Frage steht: Sie haben durch diese freiwillige Massnahme einen noch grösseren Stellenabbau bei der Swiss verhindert. «Ich hatte keine Freude mehr an meinem Job», erklärt die Frau. «Die Arbeitsbedingungen während der Pandemie haben mir die Lust am Fliegen genommen.» Für B. war der Job stets eine Berufung. «Ich konnte dank meiner Arbeit die Welt entdecken. Dafür bin ich sehr dankbar.»

B. flog schon zu Swissair-Zeiten. Der Lohn ist bei ihr unter dem alten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zwar gleich geblieben, bei den Spesen sei aber gespart worden, und die Arbeitszeit hätte sich erhöht. «Diese Entwicklung fand bereits vor der Pandemie statt. Das ist das eine, die nun geltenden Bedingungen sind aber problematisch», sagt sie.

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«Können uns nicht mehr erholen»

Die Swiss hat mit der Gewerkschaft Kapers, die das Kabinenpersonal vertritt, sogenannte Notfallmassnahmen ausgehandelt, die vorerst drei Jahre gelten. Eine davon trifft die Flight-Attendants auf der Langstrecke besonders hart. Wer nun nach San Francisco (USA) oder Hongkong fliegt, muss nach einer Nacht bereits wieder zurück nach Zürich. Vor der Pandemie hatten die Flugbegleiter mindestens zwei Nächte Aufenthalt.

«Das ist sehr hart, man kann sich gar nicht mehr erholen», klagt B. «So macht dieser Job keinen Sinn mehr. Wir sehen nichts von den Städten, die wir anfliegen. Für uns gehts direkt ins Hotel, schlafen, aufstehen und wieder zurück an den Flughafen.» Auf der Langstrecke begleitet die Crew Zukunftsängste. «Die Leute in der Kabine befürchten, dass diese Notfallmassnahmen nach der Pandemie in Kraft bleiben», sagt sie.

Die Swiss ist sich bewusst, dass diese «Krisensparmassnahmen» auch einen Einfluss auf die Belastung der Crew habe. «Diese sind aber nötig und wurden von über 90 Prozent der Kabinenbesatzung in einer Abstimmung angenommen. Vorab wurde eine Risikoabschätzung vorgenommen», sagt die Airline auf Anfrage.

Versprechen, dass die Notfallmassnahmen nach Ablauf der dreijährigen Frist wieder vollständig abgesetzt werden, will die Swiss nicht. Aber: «Für die Zeit nach der Krise besteht die Aussicht auf Einführung eines neuen Gesamtarbeitsvertrages, der unmittelbar vor der Krise ausgehandelt wurde und der deutliche Verbesserungen für das Kabinenpersonal beinhaltet.»

Übermüdete Crew – Sicherheitsrisiko?

Ein weiterer Kompromiss in Zeiten von Corona gibt ebenfalls zu reden: Die Swiss hat ein Crew-Mitglied im Service gestrichen. «Eine dumme Idee», findet B. «Unsere Belastung hat in der Pandemie zugenommen.» Das Kabinenpersonal sei mehr gefordert denn je, müsse immer wieder mit renitenten Fluggästen zurechtkommen. «Es kommt öfter zu Streitigkeiten in der Kabine. Meist geht es um das Tragen einer Maske», erzählt die Frau.

Situationen, in denen die Besatzung gefragt ist. «Wir müssen mehr präsent sein, sind aber weniger Leute. Wie soll das gehen?», fragt sie sich. Die Folge dieser Sparmassnahmen könnten bei einer Rückkehr zum Normalbetrieb verheerend sein. «Wenn die Crew wieder so viel fliegt wie vor der Pandemie, wäre sie schnell übermüdet», gibt B. zu bedenken. Leidet auch die Flugsicherheit darunter? B. überlegt lange, sagt dann: «Man muss sich diese Frage stellen.»

Die Swiss verneint die Frage. «Die Flugsicherheit hat für uns oberste Priorität», sagt die Fluggesellschaft. Es sei zwar korrekt, dass der Zwischenstopp an gewissen Destinationen im Vergleich zur Zeit vor Corona verkürzt sei. «Doch dies hat keinen Einfluss auf die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit der Crews.»

* Name von der Redaktion geändert

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