So hart wie auf dem Höhepunkt der Corona-Krise
Der Franken steigt und steigt – und niemand schreit

Beinahe unbemerkt hat sich der Schweizer Franken gegenüber dem Euro – und auch dem Dollar – aufgewertet. Das ist für die Schweizer Wirtschaft verkraftbar, allerdings gibt es auch Verlierer.
Publiziert: 10.11.2021 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2021 um 09:47 Uhr
Christian Kolbe

Selbst gestandene Ökonomen haben zunächst Mühe, die Gründe für die aktuelle Aufwertung des Schweizer Frankens zu benennen. Denn noch im Februar 2021 war ein Euro gut 1.11 Franken wert. Seither schwächelt die Einheitswährung ohne ersichtlichen Grund, hat sich der Schweizer Franken gegenüber dem Euro auf einen Wechselkurs von 1.05 Franken aufgewertet.

Doch warum wird der Franken immer härter, wenn doch die Weltwirtschaft boomt, Produzenten und Konsumenten nach Kräften daran sind, die Corona-Krise hinter sich zu lassen und das im letzten Jahr gesparte Geld mit vollen Händen auszugeben?

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Andere Ausgangslage

Im Aufschwung braucht es keine Währung, die den Investoren als sicherer Hafen dient. Das Gegenteil war noch im Frühling 2020 der Fall, als sich in der Weltwirtschaft Untergangsstimmung breitmachte. Damals war der starke Franken sogar noch einen Ticken mehr wert als jetzt.

Der Franken hat sich in den letzten Monaten gegenüber dem Euro deutlich aufgewertet.
Foto: Keystone
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Doch was ist jetzt anders als damals? Da kommt nun die Teuerung ins Spiel. Denn in der Schweiz ist die Inflation deutlich tiefer als etwa in der Eurozone oder den USA. Auch gegenüber dem Dollar hat der Franken deutlich an Wert gewonnen.

Daniel Kalt (52), UBS-Chefökonom Schweiz, rechnet vor: «In den USA liegt die Inflation bei sechs Prozent, in der Schweiz bei ein Prozent. Dadurch kann sich der Franken gegenüber dem Dollar ohne weiteres um fünf Prozent aufwerten.» Steigen die Preise, werden also Güter und Dienstleistungen teurer, dann gibt es davon für einen Dollar oder einen Euro weniger zu kaufen, die Währung verliert an Wert.

SNB greift ein

Für Kalt ist klar: «Im Moment ist niemand so wirklich nervös. Das würde sich erst ändern, wenn der Euro auf einen Franken fallen würde. Doch davon gehen wir nicht aus.»

Denn der Fall des Euro hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf den Plan gerufen. «Die SNB hat in den letzten drei bis vier Wochen mit je einer Milliarde Franken pro Woche interveniert», so Kalt. Das Signal: Unter die Marke von 1.05 Franken soll der Euro nicht fallen.

Der starke Franken ist nicht nur Fluch, sondern auch Segen, wie Adriel Jost (36), Chefökonom und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft WPuls, erklärt: «Mit dem starken Franken können wir uns mehr leisten.» Das heisst, die Schweiz spürt den Anstieg der Energiepreise viel weniger als andere Länder. Auch Ferien oder Einkaufen im Ausland wird günstiger. Jost geht davon aus, dass der Schweizer Franken gar nicht mehr überbewertet ist: «Zuletzt lag die sogenannte Kaufkraftparität bei 1.06 Franken – das ist deutlich weniger als noch vor einem Jahr.

Es gibt auch Verlierer

Doch es gibt auch Verlierer. Dazu gehören Teile der Exportwirtschaft, namentlich die Maschinenindustrie. «Die schnelle Aufwertung in den letzten Monaten drückt auf die Margen, es fehlt die Zeit für eine Anpassung an die Situation», sagt Ivo Zimmermann, Sprecher von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Ein Aufschrei ist allerdings ausgeblieben: Das habe damit zu tun, dass die Lieferengpässe den Firmen noch mehr Bauchweh machen als die Währungssituation.

Ähnliches gilt für den Schweizer Tourismus, der vor einer Wintersaison mit vielen Unwägbarkeiten steht. «Das ganze System ist so zerbrechlich, dass alle externen Einflüsse die Erholung bedrohen», erklärt Sprecher Markus Berger von Schweiz Tourismus. Das Problem: Der starke Franken verteuert für ausländische Gäste den Aufenthalt in der Schweiz.

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