«Wir haben eine grosse Import-Konkurrenz und müssen innovativ bleiben»
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CEO Katharina Lehmann:«Wir haben eine grosse Import-Konkurrenz»

Realwirtschaft statt Banken
«Uns treiben die orangen Gerätli an – nicht das Geld»

Alle reden von CS und UBS. Dabei sind KMU das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. SonntagsBlick hat vier Unternehmen besucht.
Publiziert: 02.04.2023 um 00:54 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2023 um 09:31 Uhr
Raphael Rauch und Beat Schmid

Belimo in Hinwil ZH: Der mächtige Industriebau steht direkt an der Hauptstrasse, die weiter ins Zürcher Oberland führt. Auf der anderen Seite liegt der Sauber-Rennstall. Sauber kennt jedes Kind, Belimo ist fast nur in Fachkreisen ein Begriff. Dort aber geniesst das Unternehmen den Ruf eines wahren Champions. Wie sehr es sich von anderen abhebt, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Aktienkurses.

In den letzten 25 Jahren stieg er um 4000 Prozent. Wer damals 10'000 Franken in das Unternehmen investierte, besitzt heute 410'000 Franken – Dividendenausschüttungen nicht eingerechnet. Wer damals so viel für CS-Aktien ausgab, hat heute 300 Franken. Ein 10'000-Franken-Investment in die UBS wäre heute immerhin noch 8600 Franken wert.

Es gibt nicht viele Firmen in der Schweiz, die eine ähnlich steile Börsenkarriere hingelegt haben wie Belimo. Namen wie Bossard, Comet, Interroll, Sika oder VAT zählen dazu. Die Hinwiler beschäftigen gut 2000 Mitarbeitende, davon die Hälfte in der Schweiz. Börsenwert: 5,4 Milliarden Franken. Stadler Rail kommt auf 3,57 Milliarden.

Lars van der Haegen (links) ist CEO, Patrick Burkhalter VR-Präsident von Belimo.
Foto: Siggi Bucher
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Fokus aufs Kerngeschäft

Was aber macht den Unterschied? Patrick Burkhalter gehört zu einer der Gründerfamilien, seit vier Jahren ist er Verwaltungsratspräsident von Belimo. Er überlegt, dann sagt der 60-Jährige: «Wir hatten von Anfang an einen klaren Fokus auf den Kunden. Wenn die Kunden einen grösseren Nutzen haben, dann machen wir mehr Gewinn, dann können wir wachsen.» Der zweite Leitsatz: «Wir machen nur das, was wir besser können als andere.» Belimo arbeitet eng mit den Lieferanten zusammen, die beispielsweise Gehäuse oder Ventile liefern.

Am Produktionsstandort Hinwil werden die Komponenten zusammengebaut und getestet. Dort sitzen auch die Ingenieure und Software-Entwicklerinnen. 7 Prozent des Umsatzes fliessen in diesen Bereich. Kaum ein anderes Unternehmen investiert so viel in Forschung und Entwicklung.

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Belimo-Produkte erkennt man an ihrer Farbe: Orange. Im Unternehmen werden sie «Gerätli» genannt. Es gibt sie in vielen Formen und Funktionen. Aber eigentlich geht es immer ums Gleiche: Die Geräte werden in Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen grosser Büro-, Gewerbe- oder Industriegebäude eingebaut. Bekannte Beispiele sind die Roche-Towers in Basel, aber auch der Apple-Hauptsitz in Cupertino, wo mehr als 27'000 Steuergeräte und Sensoren aus Hinwil ihren Dienst tun.

«Wir schaffen weltweit ein gesundes Raumklima»
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Belimo-CEO Lars van der Haegen:«Wir schaffen weltweit ein gesundes Raumklima»

Das Unternehmen ist mit einem Anteil von 20 Prozent in seiner Nische Weltmarktführer. CEO Lars van der Haegen (54) glaubt fest daran, dass die Erfolgsstory weitergeht: Trends wie Energiesparen und reines Raumklima (Stichwort Covid) kurbeln aus seiner Sicht auch in Zukunft die Nachfrage an.

Das Potenzial sei riesig, sagt van der Haegen. Der Gebäude-Sektor allein ist für 40 Prozent aller CO₂-Emissionen verantwortlich. Wenn man hier Effizienzen heraushole, mache das einen grossen Unterschied. Allmählich habe das auch die Politik erkannt, die in der Klimadiskussion lange auf Themen wie das Fliegen konzentriert war. Dabei gebe es im Flugverkehr viel weniger Einsparpotenzial als bei Gebäuden.

Unabhängig von den Banken

Finanziell geht es Belimo blendend. Was auch damit zu tun hat, dass man «bescheiden» sei, sagt van der Haegen. Der Vorteil dieser Einstellung: Mit einem Eigenfinanzierungsgrad von 80 Prozent sei Belimo nicht abhängig von den Banken. Präsident Burkhalter: «Wir brauchen Banken vor allem, um Geld hin- und herzuschieben.» Auf die Dienstleistungen einer Investmentbank sei die Firma kaum angewiesen.

Was unterscheidet einen Industriebetrieb wie Belimo von einer Bank? «Wir leben für unsere orangen ‹Gerätli› – das ist unser Ding», sagt Burkhalter. «Ein Banker lebt für Geld. Wenn er dich als Kunden gewinnen will, muss er dir mehr Geld bringen. Das Geld ist also das Einzige, was es in seiner Welt gibt. Darum ist der Bonus für ihn auch so wichtig.» Bei Belimo sei das Geldverdienen auch «ein bisschen wichtig», aber es gehe um die orangefarbenen Produkte. «Sie sind es, die uns antreiben und nicht das Geld!»

Vera Eichenauer (35) ist Ökonomin bei der Konjunkturforschungsstelle der ETH in Zürich (KOF). «Unsere letzte Konjunkturprognose wurde kurz vor dem berühmten CS-Sonntagabend erstellt», sagt sie. Die CS-Krise dürfe aber nicht überschätzt werden: «Im Promille-Bereich könnte es Korrekturen geben, aber wir rechnen sonst nicht damit, dass sich an der Konjunktur etwas ändert.» Heisst also: Es geht weiter mit dem Wachstum!

Bankensektor verliert an Bedeutung

«Der Bankensektor war früher wichtiger. Sowohl in der Wahrnehmung der Menschen als auch tatsächlich», sagt die Volkswirtin. Heute machten die Schweizer Banken nur knapp vier Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung aus, Versicherungen und Rückversicherungen ebenfalls gut vier Prozent.

Überhaupt seien die grossen Konzerne für die Schweizer Wirtschaft weniger wichtig als häufig angenommen. «Nestlé zählt zu den grössten Schweizer Konzernen. Aber Nestlé stellt in der Schweiz praktisch nichts her.» Hier habe man Verwaltung und Forschung, aber viele Arbeitsplätze seien im Ausland.

Für eine Volkswirtschaft ist es wichtig, wo die tatsächlichen Arbeitsplätze liegen, sagt Eichenauer. Da zählten vor allem KMU. Denn die stellen in der Schweiz viele Arbeitsplätze. «Die Zukunft der Schweizer Wirtschaft sehe ich in Unternehmen, die innovativ und qualitativ hochwertig produzieren.»

Nur deshalb könne die Schweiz trotz ihrer hohen Löhne international mithalten. Die Schweizer Wirtschaft braucht also Patente, Nischen- und Spitzentechnologie, um weltweit verkaufen zu können. Um an der Spitze zu bleiben, müssen Forschung und Innovation ständig weiterentwickelt werden.

«Unsere Produkte sorgen für sichere Autos»
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CEO Rolf Sonderegger:«Unsere Produkte sorgen für sichere Autos»

Die Schweiz braucht also Firmen wie Belimo. Oder Kistler: Das Unternehmen mit Hauptsitz in Winterthur ZH lebt von hoch spezialisierten Sensoren, wie sie etwa in der Autoindustrie zum Einsatz kommen. Jeder neue Wagen wird mit Crashtest-Dummys getestet. Die Testpuppen der meisten europäischen und asiatischen Autohändler sind mit Sensoren von Kistler ausgestattet. Die kleinen Geräte registrieren alles: von der leichten Zuckung bis zum vernichtenden Aufprall.

CEO Rolf Sonderegger war erst letzte Woche in China. Die deutsche Autoindustrie schwächelt dort – er sieht in Asien die Zukunft. «Wir erleben eine totale Disruption: weg vom Verbrennungsmotor, hin zur E-Mobilität mit neuen Möglichkeiten. Wir haben frühzeitig die Weichen gestellt und in China investiert.»

Kein Image-Schaden

«Natürlich» sei er in China auf die CS-Krise angesprochen worden, sagt Sonderegger. «Die Leute wollen wissen: Was ist bei euch in der Schweiz los?» Sorgen um das Image der Eidgenossenschaft mache er sich aber nicht: «Das Ausland nimmt die CS-Krise zur Kenntnis und fertig. Das ist vor allem eine Debatte innerhalb der Schweiz.» Von den Bankern allerdings erwartet er mehr Demut. Ein «Weiter so» bei der Boni-Kultur sei inakzeptabel. «Bei uns gibts nur Boni, wenn es dem Unternehmen gut geht. Das muss auch für Banken gelten.»

Im Vergleich zu Belimo oder Kistler ist The Powder Company in Einsiedeln SZ ein kleines Unternehmen. Hier arbeiten lediglich 55 Menschen. Dem Unternehmen gelingt es dennoch, mit Puderprodukten im hart umkämpften deutschen Markt mitzuhalten. «Wir beliefern zum Beispiel die Drogeriemarktkette Müller», sagt CEO Alexander Zurkinden (58). Egal, ob Babypuder, Badesalz oder Trockenrasur: The Powder Company stellt alles in Einsiedeln her. «Bei uns sind die Löhne höher als in Deutschland. Aber mit Schweizer Effizienz, Zuverlässigkeit und Perfektion schaffen wir es, für unsere Kunden dort interessant zu sein.»

Verantwortung übernehmen

Auch im Holzhandel ist der Markt hart umkämpft, sagt Katharina Lehmann (51), CEO von Blumer Lehmann in Gossau SG. Das Unternehmen hat 450 Mitarbeitende, die meisten davon in Gossau selbst. «Es ist schwierig, mit der Verarbeitung von Schweizer Holz Geld zu verdienen. Wir schaffen das nur mit guten Mitarbeitenden.»

Die Blumer Lehmann AG kann auf viele Prestigeprojekte blicken: die Moschee in Cambridge, den Apple Store in Bangkok oder Golfresorts in aller Welt.

Lehmann hat eine klare Meinung zur CS-Krise: «Als Familienunternehmerin haben wir kein Verständnis für das Wegducken der Verantwortlichen. Ich muss bei uns Verantwortung übernehmen und das erwarte ich auch von einer Bankenspitze.»

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