Präsident der Post-Pensionskasse warnt
«Rentenreform hätte Auswirkungen auf viele unserer Versicherten»

Beim Staatsbetrieb gehen die Vorsorgeleistungen weit über das gesetzliche Minimum hinaus. Dennoch rechnet der Stiftungsrat damit, die Rentenpläne anpassen zu müssen, falls die BVG-Vorlage angenommen wird. Das stellt die Argumentation des Bundesrats infrage.
Publiziert: 05.07.2024 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2024 um 09:03 Uhr
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Am 22. September 2024 entscheidet das Stimmvolk über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Das Hauptanliegen der Vorlage: die Finanzierung der 2. Säule zu stärken.

Der minimale Umwandlungssatz im obligatorischen Teil der 2. Säule soll von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Pro 100'000 Franken Alterskapital müssten die Pensionskassen (PK) also nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente bezahlen.

BVG-Reform – das soll sich ändern
  • Um in einer PK versichert zu sein, muss man heute mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Neu soll diese Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken – womit rund 70'000 Personen zusätzlich versichert werden sollen.
  • Die Anpassung des sogenannten Koordinationsabzugs soll ebenfalls dazu führen, Leute mit tiefen Einkommen besser zu versichern. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen.
  • Heute betragen die Altersgutschriften für 25- bis 34-Jährige 7 Prozent, für 55- bis 65-Jährige 18 Prozent des koordinierten Lohns. Diese Differenz soll reduziert werden, damit ältere Arbeitskräfte attraktiver werden.
  • Der Umwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr.
  • Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken monatlich ausgeglichen werden. Diesen gibt es für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen.
  • Um in einer PK versichert zu sein, muss man heute mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Neu soll diese Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken – womit rund 70'000 Personen zusätzlich versichert werden sollen.
  • Die Anpassung des sogenannten Koordinationsabzugs soll ebenfalls dazu führen, Leute mit tiefen Einkommen besser zu versichern. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen.
  • Heute betragen die Altersgutschriften für 25- bis 34-Jährige 7 Prozent, für 55- bis 65-Jährige 18 Prozent des koordinierten Lohns. Diese Differenz soll reduziert werden, damit ältere Arbeitskräfte attraktiver werden.
  • Der Umwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr.
  • Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken monatlich ausgeglichen werden. Diesen gibt es für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen.
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Damit das «Leistungsniveau insgesamt erhalten» bleibt, wie es das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) formuliert, soll das angesparte Alterskapital der Versicherten erhöht werden – und zwar, indem Angestellte und Firmen über die Jahre mehr in die Pensionskasse einzahlen.

Matteo Antonini, Präsident der Pensionskasse Post und der Gewerkschaft Syndicom.
Foto: © Ti-Press / Ti-Press
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Die Senkung der Eintrittsschwelle und des Koordinationsabzugs soll insbesondere bei Arbeitnehmenden mit tiefem Lohn oder Teilzeitpensum die berufliche Altersvorsorge verbessern.

Wer ist betroffen?

Der Bundesrat und andere Befürworter sagen, dass nur rund ein Drittel der Versicherten von den geplanten Änderungen betroffen wären. Auf der Website des BSV heisst es dazu: «Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben eine berufliche Vorsorge, die so deutlich über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgeht, dass die Reform auf ihre Renten keine direkten Auswirkungen hat.»

Die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) betonte vergangene Woche ebenfalls: Von der Reform seien in erster Linie die 12 bis 16 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen betroffen, die das gesetzliche Minimum anbieten, oder lediglich wenig mehr. Keine Auswirkungen seien dagegen für Arbeitnehmende zu erwarten, deren Vorsorgeguthaben über dem gesetzlichen Minimum liegen.

Doch nun werden diese Aussagen in Zweifel gezogen – und zwar ausgerechnet von der PK der Schweizerischen Post, einem Staatsbetrieb.

Externe Analyse bei PK Post

Die Vorsorgestiftung des gelben Riesen versichert rund 38’000 Arbeitnehmende und 30’000 Rentner. Die verwalteten Vermögen belaufen sich auf rund 7 Milliarden Franken, wovon mit 3 Milliarden nicht einmal die Hälfte der Guthaben «obligatorisch» den gesetzlichen Mindestvorschriften unterstellt sind.

Angesichts der Aussagen von Baume-Schneider und BSV wäre zu erwarten, dass die BVG-Reform für die versicherten Post-Mitarbeitenden «keine direkten Auswirkungen» hat. Dem sei jedoch nicht so, warnen die Verantwortlichen der PK Post.

Stiftungsratspräsident Matteo Antonini (44) sagt gegenüber Blick: «Die Rentenreform würde auch unsere Pensionskasse betreffen und hätte Auswirkungen auf viele unserer Versicherten.»

Antonini ist nicht nur Präsident der PK Post, sondern auch der Gewerkschaft Syndicom, die sich wie der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegen die PK-Reform engagiert. Ein neutraler Beobachter ist er deshalb nicht.

Die Analyse zu den Auswirkungen stammt jedoch nicht von Antonini, sondern von einer externen Firma, die seit 30 Jahren Pensionskassen berät. In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung vom Stiftungsrat der PK Post, der aus gleich vielen Arbeitnehmer- wie Arbeitgebervertretern besteht.

Befund widerspricht Aussagen des Bundes

Die unabhängigen Experten kommen dabei zu folgendem Schluss: Bei Annahme der BVG-Reform wäre bei der PK Post eine «Anpassung der Vorsorgepläne» notwendig.

Der Grund: Das neue BVG-Minimum werde bei den tiefsten Löhnen «aufgrund einer zu tiefen Beitragsbasis» nicht mehr eingehalten. Zudem sei auch die Anwendung des heutigen Umwandlungssatzes von 5 Prozent «problematisch».

Für PK-Präsident Antonini ist deshalb klar: «Der Stiftungsrat müsste die Lohnbeiträge erhöhen und den Umwandlungssatz anpassen. Die Aussage der Befürworter der Reform, dass nur eine Minderheit betroffen ist, wird mit dieser internen Analyse vom PK-Experten klar widerlegt.»

Eine weitere Herausforderung für die PK Post: die Finanzierung der Übergangsgeneration. Die BVG-Reform sieht vor, dass für 15 Jahrgänge die drohende Rentenlücke über einen Zuschlag von maximal 200 Franken monatlich ausgeglichen wird. Finanziert werden soll dies über den sogenannten Sicherheitsfonds.

Bei der PK Post ist gemäss Expertenbericht davon auszugehen, dass jährlich 5,5 Millionen Franken in den Sicherheitsfonds einbezahlt werden müssten. Dazu Antonini: «Ob dieser Betrag über höhere Anlagegewinne oder zusätzliche Beitragserhöhungen finanziert wird, können wir noch nicht sagen.»

Schwache Datenlage beim Bund

Das Beispiel der PK Post stellt die Berechnungen und Beschwichtigungen von Baume-Schneiders BSV infrage. Was sagen die Verantwortlichen zu den Widersprüchen?

Auf Anfrage von Blick wollen sie nicht im Detail auf die Post-Zahlen eingehen. Die Medienstelle des BSV schreibt aber, dass es auch in «umhüllenden Pensionskassen» Versicherte geben könne, die von der BVG-Reform betroffen wären – vor allem solche mit tiefen Löhnen.

An der Schätzung, wonach «insgesamt höchstens ein Drittel» der rund 4,6 Millionen aktiven Versicherten in der 2. Säule von der Reform betroffen wären, hält die Behörde dennoch fest.

Ein Sprecher räumt allerdings ein: «Wie sich die Reform genau auswirken würde, lässt sich nicht allgemeingültig feststellen.»

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